Achtzig

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Jetzt

Rio

Zwei Tage später sitzen wir wieder an derselben Stelle beim Klavier und lassen noch einmal den etwas ruhigeren Abend Revue passieren. Plötzlich räuspert Ben sich und öffnet unverhofft den Deckel des Klaviers. Ich sehe ihn erstaunt an. Dann schlägt er nacheinander verschiedene Töne an und nennt mir deren Namen. Danach lässt er es mich versuchen. Ich bin fasziniert vom Klang des Klaviers und dass ich ihm diese Töne entlocken kann.

Noch lange sitzen wir da und Ben gibt mir meinen ersten Klavierunterricht. Es ist einfach herrlich! Ich weiss nicht, was ihn dazu bewegt hat, seine Meinung zu ändern, doch schlussendlich zählt nur, dass er es getan hat und nun hier mit mir sitzt.

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Jetzt ist gerade ist Finn bei mir gewesen und hat mir die Neuigkeit des Jahres erzählt. Emilie hat endlich eingewilligt, ihn zu heiraten! Was für eine wundervolle Nachricht! Nach über zehn Jahren Beziehung hat er es endlich geschafft, sie zu überzeugen, dass sie ihn zum Mann nimmt. So richtig offiziell und mit allem drum und dran. Finn wollte es Ben und mir persönlich sagen und mich dabei auch fragen, ob ich nicht auf der Hochzeitsfeier singen könnte. Ich war zuerst einmal sprachlos... doch dann war ich begeistert und voller Vorfreude. Ich hatte außer auf der Straße noch nie vor Publikum gesungen, es machte mir aber auch keine Angst. Das Einzige, das mir etwas zu denken gibt ist, dass ich nur etwa drei Wochen Zeit habe, um den Song einzuüben. Finn ist ein Mann der Tat und wenn er jetzt endlich Emilies „ja" hat, will er es so schnell wie möglich über die Bühne bringen.

Außerdem soll der Junggesellenabschied hier in der Bar stattfinden. Das jedoch, weiss Finn noch nicht. Das soll unsere Überraschung werden. Was für ein Spaß!

Noch lange, nachdem die Bar an diesem Abend geschlossen hat, liege ich in meinem Bett und kann nicht schlafen. Wie sehr hat sich mein Leben doch in den letzten Jahren verändert. Kurzentschlossen nehme ich meine zerfledderten Hefte hervor, die ich immer in meinem Gitarrenkoffer aufbewahre und schlage eines auf einer beliebigen Seite auf.

Sofort stürmen die Erinnerungen auf mich ein. Die ganze Sache mit Diego... ich kann jetzt nur noch den Kopf über mich schütteln. Wie konnte ich nur so blauäugig und naiv in so eine Situation hineinrutschen? Die Kämpfe, die Autorennen... alles diente Diego nur dazu, sich zu bereichern.

Langsam aber sicher reift eine Idee in meinem Kopf heran. Wie wäre es... was würde sein... was wäre, wenn ich solche Sachen in Zukunft verhindern könnte? Oder wenn schon nicht verhindern, dann doch wenigstens stoppen?

Die vielen Gespräche in der Bar mit den Polizisten kommen mir in den Sinn. Ich könnte tatsächlich etwas bewirken. Aber bevor ich die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule absolvieren könnte, müsste ich die Schule abschliessen. Ich runzle nachdenklich die Stirn. Es wäre durchaus machbar. Ich war immer gut in der Schule. Miss Duncan, die Lehrerin auf der Farm, würde mir sicher die entsprechende Bestätigung ausstellen. Es fehlt mir nur noch ein halbes Jahr, dann könnte ich den Abschluss machen und gleich danach die Aufnahmeprüfung. In Gedanken versunken sinke ich auf mein Bett und starre die Decke an.

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Die Tage bis zu Finns und Emilies Hochzeit vergehen schnell und sind angefüllt mit fieberhafter Aktivität. Der Junggesellenabschied wird ein voller Erfolg, Finn hatte überhaupt nicht damit gerechnet und war dementsprechend überrascht. Zum Glück haben wir ihn nicht erst am Tag vor der Hochzeit gemacht, sondern einige Tage vorher, so dass sich alle zuerst wieder erholen konnten. Ich glaube, Ben und ich waren die Einzigen, die einigermaßen nüchtern blieben. Schließlich musste auch irgendwer noch den Überblick behalten.

Dann ist endlich der große Tag da. Sogar die Sonne scheint und das kleine Schloss etwas außerhalb von Greengarden strahlt in voller Pracht. Ebenso sehr strahlt die Braut. Emilie sieht hinreißend aus in ihrem elfenbeinfarbenen, schlichten Kleid, das sich fließend an ihren Körper schmiegt und perfekt ihre sanften Rundungen zur Geltung bringt. Als ich sie da so auf Finn zuschreiten sehe, muss ich mich fest zusammenreissen, um nicht ganz unmännlich eine Träne zu vergießen. Sie sieht so hübsch aus. Und Finn erst! Mit seinen fast zwei Metern Größe sieht er stattlich und zugleich sehr elegant aus, was sein dunkelblauer Anzug noch betont. Die Zeremonie ist kurz und daher schnell vorbei. Das Fest nachher jedoch wird mir noch sehr lange in Erinnerung bleiben.

Das Lied zum Eröffnungstanz darf ich singen. Finn hat sich von „Aerosmith" das Lied „I don't want to miss a thing" gewünscht. Ein Wunsch, den ich ihm nur zu gerne erfülle. Es ist alles sehr romantisch und überall liegt Liebe in der Luft. Umso schmerzlicher treffen mich die Erinnerungen.

Max sollte auch hier sein. Hier bei mir. Verstohlen berühre ich hin wieder den kleinen Dolch, den er mir damals geschenkt hat und den ich fast immer bei mir trage. Dieser Schmerz wird wahrscheinlich nie richtig vergehen. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen und nach vorne zu schauen. Max hätte meine Zukunftspläne gemocht, da bin ich mir sicher.

Doch jetzt fertig mit den trüben Gedanken. Jetzt wird gefeiert!

So meine Lieben
Vielleich habt ihr es schon bemerkt...wir nähern uns langsam dem Ende diese ersten Teils.
Es wird nächste Woche nur noch der Epilog folgen.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende💖

Eure Joevelyne

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt