Dreiundvierzig

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Früher

Rio

Rio sass in Tränen aufgelöst auf seinem Bett und beobachtete Max beim Packen. „Max, du kannst mich hier doch nicht alleine lassen."

Max hielt mit dem Packen inne und wandte sich zu Rio. „Bitte, Rio. Mach es mir nicht noch schwerer. Es sind doch nur vierzehn Tage. Zwei Wochen. Wenn mich Joe länger entbehren könnte, müsste ich sicher über einen längeren Zeitraum weg." Max setzte sich zu Rio aufs Bett und strich ihm tröstend über die schwarzen Haare. „Du musst hier für mich nach den Pferden sehen. Nur du verstehst sie so wie ich. Versprichst du mir das?"

Mit beiden Händen wischte sich Rio daraufhin die Tränen aus dem Gesicht und sagte feierlich: „Natürlich verspreche ich das. Wirst du auch ganz sicher wieder kommen?"

„Auf jeden Fall komme ich zu euch zurück! Du wirst sehen, diese paar Tage werden rumgehen wie nichts. Und ich vertraue auf diesen McGraw, dass sich hier bald etwas ändern wird."

Daraufhin schlang Rio seine Arme vorsichtig um Max und drückte ihn ganz fest, als wenn er ihn nie wieder loslassen wollte.

Finn McGraw hielt tatsächlich Wort. Nur zwei Tage nach der Adoptionsparty kam er angefahren und mit ihm eine junge Frau vom Jugendamt, die Rio bisher noch nie gesehen hatte. Als Finn Rio entdeckte, winkte er ihn sofort zu sich.

„Hey, Rio. Wie geht es dir?" Da Rio immer noch starke Schmerzen im Rücken hatte von den Schlägen, zuckte er nur mit den Schultern, ohne etwas zu sagen. Er konnte sich noch nicht ganz entscheiden, ob er dem großen Mann wirklich vertrauen konnte und so blieb er zurückhaltend. Finn merkte das, ging aber vorerst darüber hinweg.

„Rio, das ist Miss Duncan. Sie ist ab jetzt beim Jugendamt für euch zuständig. Würdest du bitte Mister Carter für mich holen?" Rio beäugte zuerst Miss Duncan, die ihn freundlich anlächelte, bevor er nickte und auf die Suche nach Joe ging.

Rio wusste nicht, was die Erwachsenen alles besprachen, doch er sah, wie Joe immer wütender wurde. Sein Gesicht lief rot an und seine Bewegungen wurden immer hektischer und aggressiver. Das Geschrei, das dann folgte, ließ Rio und die anderen Kinder, die sich inzwischen auch eingefunden hatten, automatisch zusammenzucken. Doch sie sahen auch, dass Finn ganz ruhig blieb und dass sich auch Miss Duncan nicht einschüchtern ließ. Also musste sich Joe wohl oder übel wieder zusammenreißen und sich beruhigen. Nach weiteren Diskussionen führte Joe die Zwei dann ins Haus. Vorläufig gab es also nichts mehr zu sehen, so dass die Kinder wieder ihrer Arbeit nach gingen.

Finn und Miss Duncan blieben den ganzen Tag auf der Farm. Jeder Winkel, jede Ecke wurde inspiziert. Joe begleitete sie zähneknirschend, währenddem Miss Duncan sich Notizen machte. Die Dämmerung setzte schon fast ein, als Finn plötzlich hinter Rio erschien und dieser vor Schreck zusammen zuckte. Wie konnte es sein, dass sich ein so grosser Mann so lautlos bewegte, dachte Rio noch, bevor er zu Finn hoch sah.

„Wir sind für heute soweit fertig hier. Wir kommen jedoch nächste Woche wieder und werden mit euch Kindern einzeln noch Gespräche führen und ihr werdet außerdem medizinisch untersucht." Rio, der bis jetzt immer noch kein Wort gesagt hatte, machte große Augen. „Weshalb tun sie das?" Fragte er leise.

„Ich kann nicht mit ansehen, wie anderen Lebewesen unrecht geschieht. Und schon gar nicht Kindern. Rio, ich werde euch nicht von hier fort bringen können, aber ich kann definitiv dafür sorgen, dass es euch hier viel besser geht. Ich habe monatliche Kontrollen veranlasst und es könnte durchaus sein, dass ich auch zwischendurch mal hereinschneie, um zu sehen, wie es euch geht." Langsam ließ Rios Anspannung nach, die ihn den ganzen Tag befallen hatte und er atmete tief durch. „Gibt es noch irgendetwas, das du mir jetzt gleich sagen möchtest?" Fragte Finn noch und sah Rio forschend an.

„Ich hätte eine Bitte," wagte Rio zu sagen. Finn legte den Kopf schief und sah ihn auffordernd an. „Joe hat Max weggeschickt, auf eine andere Farm. Als Strafe..." Rios Stimme wurde immer leiser, doch auch so begriff Finn, was er ihm sagen wollte. Behutsam legte er dem Jungen seine große Hand auf die Schulter und ging in die Hocke, um auf gleicher Höhe mit Rio zu sein. „Du vermisst ihn?" Als Rio heftig nickte, lächelte Finn. „Ich werde ihn zu dir zurück bringen, so schnell wie möglich. Das verspreche ich dir!" Damit streckte Finn Rio seine riesige Pranke entgegen, in die der Junge auch ohne zu zögern einschlug. Finn richtete sich daraufhin wieder auf, wuschelte Rio noch kurz durch die Haare, bevor er dann wieder zu Joe ging und noch einmal ein ernstes Wort mit ihm zu reden.

Das Abendessen verlief in eisigem Schweigen. Niemand wagte, ein Wort zu sagen und alle waren froh, als sie sich in ihre Zimmer zurückziehen konnten. Doch unter den Kindern hatte sich irgendwie eine hoffnungsvolle Stimmung breit gemacht. Auf einmal sah die Zukunft nicht mehr ganz so düster aus.

Auf dem Bild oben seht ihr Max.❤

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt