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Ich stand auf und nahm meinen Rucksack. Ich schaute auf die Uhr und sah, dass ich noch eine gute Stunde Zeit hatte, bis meine Ballettstunde begann.
In der Zeit könnte ich mein neues Buch lesen, welches mir meine Mutter letztens mitgebracht hat.

Es hieß „The Heartdancer" und es ging um einen Mann, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Er liebt das Tanzen und übt heimlich in seinem Zimmer. Ab und zu geht er zu Tanzveranstaltungen, um sein Können zu verbessern. Eines Tages veranstaltet ein Freund von ihm ein Tanzbattle mit einem anderen Jungen. Dieses artet aus und es werden immer mehr Tänzer. Der Mann sieht in dem Tumult, in dem er eifrig tanzt eine Frau, welche so umwerfende Bewegungen macht, dass er vergisst weiter zu machen, doch auch sie ist von seinen Fähigkeiten begeistert. Sie hilft ihm bis ganz an die Spitze.

Ich dachte sehnsüchtig an die Stelle, wo sich die beiden das erste Mal sahen, als ich bemerkte, dass Herr Harly mich ansprach. „Und, wo musst du jetzt hin?", was geht Sie das an?
„Zur Turnhalle. Also nur nach unten.", „Achso. Und wann beginnt der Spaß?"
„In ungefähr einer Stunde.",
„Schön, soll ich mit dir warten?"

„Was?", ich starrte ihn perplex an. Warum um Himmels Willen, wollte er mit mir warten?

„Ich habe erst in einer Stunde wieder ein Elterngespräch. So lange muss ich eh in der Schule bleiben. Deshalb kann ich genauso gut meine Zeit mit einer meiner Schülerinnen verbringen." Ich weiß nicht, ob es an mir lag, doch irgendwie klang der Satz falsch. Ich wich automatisch etwas zurück. Vielleicht bemerkte er meine Unsicherheit aber er ging nicht darauf ein. Stattdessen sah er mich fragend an.
„Ähm...ich habe kein Problem damit, aber ich geh jetzt runter zu der Turnhalle."

Er schnappte sich seine Tasche. „Na super. Los geht's.", und so trottete ich meine Mathematiklehrer hinterher, der eine Stunde lang mit mir Zeit verbringen will, bevor ich Ballett hatte.

Diese ganze Szene war so surreal, dass es nur ein Traum sein konnte und ich muss zugeben, dass ich mir tatsächlich kurz in den Arm kniff, aus Hoffnung aufzuwachen. Aber so unbarmherzig, wie das Leben war, wachte ich nicht auf, was bedeutete, dass dieser Albtraum sich im realen Leben abspielte.

Wir beide schwiegen. Die ganze Situation war mir extrem unangenehm und es machte es auch nicht besser, dass ich nicht wusste, worüber wir reden konnten.

„Und wie stehst du in den anderen Fächern so? Ich erlebe dich ja nur in Mathematik.
Zum Beispiel im Sport. Du tanzt doch und ich habe dich ziemlich sportlich in Erinnerung."

Herr Harly unterrichtete die Jungs im Sportunterricht. Wir Mädchen hatten bei einer Lehrerin Sport, deshalb war seine Frage durchaus berechtigt. Doch Herr Harly war unser Klassenlehrer, weshalb seine Frage, wie es in den anderen Fächern bei mir aussah komplett überflüssig war. Er hatte jederzeit Zugriff auf meine Noten.

Aber da ich erleichtert war, dass das unangenehme Schweigen vorüber war, antwortete ich höflich.
„In Sport habe ich eine gute Zwei. In Gymnastik und Fitness bin ich ziemlich gut aber meine Schwächen liegen beim Basketball und Badminton. Ansonsten bin ich ziemlich gut in Deutsch und in Geschichte."

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt