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Ich weinte lange. Jedenfalls kam es mir so vor. Einige Male hatte ich versucht meine Tränen zu unterdrücken aber die Gefühle hatten mich immer wieder aufs Neue überwältigt.

Mein Kopf lag auf seinem Schoß.
Er sagte nichts. Das Einzige was er tat, war meinen Kopf zu streicheln. Mehr hätte er in diesem Moment nicht tun können.
Ich zeigte ihm meine Schwäche und er hatte sich trotzdem nicht verschrecken lassen.

Irgendwann hörte ich auf zu weinen. Vielleicht, weil ich zu erschöpft war, oder es waren einfach keine Tränen mehr übrig. Ganz gleich, weshalb ich mich beruhigte: meine Augen brannten furchtbar und ich spürte, dass sie sehr stark angeschwollen sein mussten.

Mitten in die bedrückende Ruhe, fing Julian an zu sprechen.

„Es tut mir leid, das jetzt zu sagen. Wahrscheinlich ist dies auch nicht der passende Moment, aber ich muss es einfach wissen.
Wolltest du dich umbringen?"

Wahrscheinlich hätte ich diese Frage für einen Witz gehalten. Doch Julians Gesicht war von blankem Entsetzen gezeichnet. Er war ganz bleich und sah aus als hätte er einen Geist gesehen. Er glaubte wirklich daran.

„Oh Gott. Nein!", stieß ich geschockt hervor.

Er sah nicht überzeugt aus. Stattdessen wirkte er nur noch verwirrter.

Ich kniete mich hin und strich ihm beruhigend über die Haare. Sie waren weich und rochen nach Shampoo. Er lehnte sich an mich.

„Julian. Bitte glaub' mir. Ich hatte nicht vor mich umzubringen. Ich war- bin traurig, aber ich habe zu keiner Zeit darüber nachgedacht mein Leben zu beenden.", versuchte ich ihn zu beruhigen.

„Hättest du es vorgehabt... wäre ich zu spät gekommen... was hätte ich gemacht? Niemals hätte ich es mir verziehen."

Ich wollte ihm sagen, dass es nicht seine Schuld war, doch insgeheim wusste ich, dass es eine Lüge war. Wäre er an meiner Seite gewesen, wären die letzten Monate nicht so furchtbar hart gewesen. Doch es wäre unfair gewesen ihm das an den Kopf zu werfen. Immerhin war ich auch nicht auf ihn zugekommen. Außerdem sah er gerade so erledigt aus, dass ich es niemals übers Herz gebracht hätte ihm noch mehr Schuld auf die Schultern zu packen.

„Alles ist gut. Ich bin hier.", flüsterte ich.

Indem ich ihn versuchte zu beruhigen, wurde ich selber ruhiger.
Das Weiß auf seiner sonst sonnengebräunten Haut sah unnatürlich aus.

„Ich habe Anny und Dylan zusammen erwischt. In meinem Zimmer. Deshalb habe ich mich im Bad verbarrikadiert und dich angerufen."

Ich wusste nicht, ob es eine gute Idee war ihm von Anny und Dylan zu erzählen. Immerhin bedeutete Anny ihm viel und Julian sah momentan nicht so aus, als würde er einen weiteren Schicksalsschlag verkraften. Doch ich wollte auch ehrlich zu ihm sein. Das hatte er verdient und ich wäre da, um ihn zu stützen, so wie er es für mich getan hatte.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt