79

1K 47 6
                                    

Am Nachmittag, kurz bevor ich zu ihm musste, war mir kotzübel. Er hatte mir gezeigt wie wütend er auf mich war und ich hatte furchtbare Angst vor seinem Zorn. Ich redete mir ein vielleicht gerade so mit einem blauen Auge davon kommen zu können. Doch egal, wie seine Stimmung war und wie der heutige Abend enden würde, es müsste ein für alle Mal enden. Sollte er mich durch seine Wut umbringen, dann hätte ich ein kurzes Leben gehabt. Doch lieber ein kurzes Leben in Freiheit, als ein langes Leben in Gefangenschaft.

Ich sah ein letztes Mal in den Spiegel, bevor ich aus dem Haus ging. Ich sah überraschenderweise ganz gut aus. Jedenfalls nicht wie ein Mädchen, welches bald dem Tode ins Auge sehen würde. Ich hatte gehofft, dass meine Eltern nach Hause kämen, bevor ich ging. Doch sie mussten noch arbeiten. Ich hätte mich gerne von ihnen verabschiedet... doch wahrscheinlich war ich einfach gerade sehr melodramatisch.

Als ich vor der wohlbekannten Tür stand und anklopfte, füllten sich meine Augen mit Tränen. Es war wie ein Reflex, den ich nicht unterdrücken konnte.

Er öffnete die Tür und bat mich in seine Wohnung. Wir gingen in das Wohnzimmer. Hier hatte alles angefangen und hier würde es auch enden. Damit ich nicht ganz schutzlos war, hatte ich mir Pfefferspray in meine Tasche gesteckt. Irgendwie war es somit leichter die folgenden Worte auszusprechen.

Ich sprach ihn das erste Mal beim Vornamen an. Damit er sah wie ernst ich es meinte, musste ich bei seinem schrecklichen Spiel mitspielen.

„Lewin. Mir ist etwas klar geworden. Ich liebe dich nicht. Es war eine Schwärmerei, aber die ist jetzt vorbei. Es tut mir leid, dass ich mit dir gespielt habe und ich weiß, dass das unverzeihlich ist, aber das wars.", ich sah ihm in seine blauen Augen, die ich vor einiger Zeit noch attraktiv fand. Nun sah ich nur noch Kälte, „Ich mache Schluss."

Es war seltsam mit jemandem Schluss zu machen, mit dem man nicht einmal eine Beziehung hatte. Doch in diesem Moment war mir alles Recht. Hauptsache er verstand mich. Angesichts der zusammengekniffenen Augen vermutete ich, dass er endlich verstanden hatte.

„Wie kommst du eigentlich darauf, dass deine Meinung zählt? Habe ich dir jemals das Gefühl gegeben, die Macht zu besitzen, unsere Beziehung zu beenden?"

„Das habe ich gerade.", ich schob mich an ihm vorbei „Auf Wiedersehen.", ich wollte raus aus der Wohnung. Einen Augenblick dachte ich, er würde mich tatsachlich gehen lassen. Für einige Sekunden fühlte ich mich wirklich stark.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ich legte meine Finger auf den Türgriff, mein Handy klingelte und etwas Hartes traf mich am Kopf. Ich suchte Halt an der Tür. Doch ihre unbarmherzige Glätte konnte mir nicht helfen und so rutschte ich an sie gelehnt auf die Erde. Glasscherben lagen auf dem Boden und ich konnte den Wurfgegenstand identifizieren. Ein Whiskyglas. Wie ironisch.

Mein Angreifer kam auf mich zu. Er holte aus und schlug mir in meinen Magen. Ich krümmte mich. Im Hintergrund klingelte immer noch das Handy.

Ich lag zusammengekauert da. Eben dort. Auf diesem kalten, harten Boden verlor ich die Hoffnung. Mein treuer Begleiter, welcher mich in den letzten Wochen am Leben gehalten hatte, verabschiedete sich von mir.

Ich hoffte nicht mehr. Ich betete.

Das letzte, was ich vernahm, war das unerbittliche Geklingel meines Handys.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt