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Ich wusste nicht, wie lange ich in dem Bad verbrachte, aber irgendwann klopfte meine Mutter an die Tür und forderte meine Anwesenheit auf der Feier. Es sei schließlich meine Party, also sollte ich den Teufel scheren und mich auch blicken lassen.
Ich hörte, dass sie sauer war. Das konnte ich verstehen. Immerhin wusste sie nichts von Herrn Harly und mir. Auch hatte ich ihr nichts von dem Vorfall mit Dylan erzählt.

Das Verhältnis zu meiner Mutter hatte in letzter Zeit gelitten.
Da ich ein Drama vermeiden wollte, schloss ich vorsichtig die Tür auf und sah mich um. Der Flur war voller Menschen. Viele von ihnen hatte ich noch nie gesehen.

Ich erkannte Julian in der Menge und balancierte mich durch die Menschenmenge zu ihm.

„Wie gefällt dir die Feier?", rief ich ihm zu. Irgendjemand hatte Musik angemacht und der Bass ließ die Gläser in der Küche klirren. Es war so, als würden die Erwachsenen heute zu Jungendlichen mutieren. Der Geruch von billigen Bier stieg mir in die Nase.

„Ganz gut. Wahnsinn wie locker die Erwachsenen heute drauf sind!", antworte Julian mit erhobener Stimme.
Kurzerhand packte ich ihn am Arm und zog ihn in eine ruhige Ecke.

„Ich habe keine Ahnung, was mit denen los ist.", gestand ich.

„Ich dachte, dass das heute deine Party ist."

„In letzter Zeit werde ich nicht mehr ganz wahrgenommen."

Warum sagte ich ihm das? Weshalb hatte ich das Gefühl ihm vertrauen zu können? Ich hatte das Bedürfnis ihm meine ganzen Sorgen zu beichten, weil ich mir sicher war, dass er mir den Trost geben könnte, den ich mir erhoffte.

„Das kann ich mir nicht vorstellen.", er riss mich aus meinen Gedanken, „ich kann mir nicht vorstellen, dass du für andere unsichtbar bist, weil, wenn ich einen Raum betrete, immer zuerst dich sehe."

„Ich fühle mich geschmeichelt."

„Das solltest du auch. Wenn Anny das hören würde, dann würde sie sich wahrscheinlich vergessen."

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen.

„Was läuft da eigentlich zwischen euch beiden?"

„Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Manchmal denke ich, dass sie wirklich Interesse an mir hat und dann ist sie auch extrem freundlich. Doch dann ist sie oft auch anstrengend und abweisend und zickig."

„Wie fühlst du denn für sie?"

„Keine Ahnung. Diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt."

Danach wechselten wir das Thema und sprachen so lange, bis Herr Harly um ein Gespräch mit mir bat.
Ich wollte nicht mit ihm reden, doch anscheinend hatte er das auch nicht vor. Er zog mich in das leere Arbeitszimmer meines Vaters, verschloss die Tür hinter uns und begann seine Lippen auf meine zu pressen.

„Du gehörst zu mir, verstanden?", murmelte er in der kurzen Pause, in der er mir ermöglichte zu atmen.

Ich versuchte von ihm loszukommen.
„Finden Sie das wirklich angemessen? Das ist das Haus meiner Eltern und es sind wirklich viele Menschen hier."

„Das macht es doch umso spannender, oder?", seine Augen funkelten voller Begierde.

Er versuchte sich an dem Reißverschluss meines Kleides, so wie Dylan vorhin.

„Nein!", fuhr ich ihn bestimmt an und ging einige Schritte auf Abstand.

„Was soll das heißen?"

„Sie haben mich sehr gut verstanden."

Ich weiß nicht, weshalb ich ihm so bestimmt entgegentrat. Wahrscheinlich hatte mich der wenige Alkohol, den ich getrunken hatte, mutig gemacht...oder naiv.
Das würde sich noch herausstellen.

„Das Problem daran ist, dass ich jetzt sehr wohl Lust habe. Es ist mir egal, ob die Prinzessin will, oder nicht.", er zog an meinen Haaren und zwang mich in seine kalten Augen zu schauen.

„Ich sagte ‚Nein'!", schrie ich ihn an. Er antwortete mit einer kräftigen Ohrfeige in mein Gesicht.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt