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Zuerst waren es dumpfe Geräusche. Dann Schatten. Diese verformten sich zu Gestalten. Einige waren hell, einige waren dunkel. Die Geräusche wurden lauter und es entstand ein Gemurmel. Das alles war zu viel für mich und so fiel ich wieder in ein tiefes Loch.

Etwas später vernahm ich eine Stimme. Sie war hell und eindeutig von meiner Mutter. „Schatz, wach auf. Es wird Zeit.". Ich hörte sie ganz klar. Ich vertraute ihr, weshalb ich vorsichtig die Augen öffnete. Das Licht war viel zu grell. Mein Kopf schmerzte furchtbar.

„Es ist vorbei, Liebling."

Aus irgendeinem Grund wusste ich es.

Einige Tage später besuchten mich Anny und Julian. Sie waren sofort gekommen, als sie hörten, dass sie mich besuchen durften. Zwar hatte meine Mutter mir schon grob erklärt, was sich ereignet hatte, doch ich musste es nochmal von den beiden hören.

„Du konntest noch nie gute lügen, Rose und das wusstest du. Deshalb bist du meiner Frage, ob dich jemand misshandeln würde immer wieder aus dem Weg gegangen. Du hast es noch cleverer angestellt: statt auf dich, hast du den Fokus auf mich gelenkt und mich provoziert, damit ich nicht mehr an meine ursprüngliche Frage denke.", tatsächlich hatte Anny mich durchschaut.

„Anny ist am Nachmittag zu mir gekommen.", erzählte nun Julian, „nachdem ihr klar wurde, weshalb du sie so vor Sport angegangen bist. Ich habe ihr davon erzählt, in welcher Lage ich dich und Herrn Harly in dem Klassenzimmer gesehen habe. Dann haben wir eins und eins zusammengezählt. Wir sind zu dir nach Hause gegangen, um dich darauf anzusprechen, doch deine Mutter meinte, dass du bereits zur Nachhilfestunde gegangen bist. Wir haben dich immer wieder angerufen aber konnten dich nie erreichen. Deine Mutter hat uns Herr Harlys Adresse gegeben und hat uns sogar gefahren. Dort angekommen, haben wir an seine Tür geklopft und er hat uns aufgemacht."

„Und als er uns sah, hat er plötzlich angefangen zu weinen. Diese ganze Szene war mehr als unheimlich. Dann sahen wir dich... das ganze Blut... Der Einzige, der einen einigermaßen kühlen Kopf bewahrt hatte, war Julian. Er war es auch, der die Polizei und den Krankenwagen gerufen hat.", Anny schluchzte, „Sie haben ihn festgenommen, Rose.", sie griff nach meiner Hand, „das wars. Du bist frei.".

Mich rührte ihr Auftreten. Wir redeten noch sehr lange. Viele Tränen flossen, viele Entschuldigungen wurden ausgesprochen und viele Umarmungen geteilt.

Die beiden kamen wahnsinnig oft vorbei. Julian blieb meist länger als Anny. Er hielt meine Hand, erzählte mir von belanglosen Dingen und gab mir das Gefühl ein ganz normales Mädchen zu sein. Und genau das brauchte ich.

Aus Anny und Dylan war nichts geworden. Ich wusste nicht, wer von beiden die Sache beendet hatte, aber ich konnte mir denken, dass es Anny gewesen war. Sie stellte mich das erste Mal, seit Monaten wieder vor sich. Sie wollte, dass ich mich wohl fühlte und das tat ich auch. Dylan kam auch einmal zu Besuch. Doch dieses Aufeinandertreffen war gefüllt von betretenen Schweigen und Scham.

Trotz, dass Anny, Julian und meine ganze Familie versuchten mich abzulenken, fühlte ich mich nachts dennoch alleine. Ich dachte viel nach und weinte. Doch manchmal erreichten mich auch stoßweise Glücksgefühle.

So auch an einem Morgen im Februar. Da einige Verletzungen und Brüche noch nicht verheilt waren, musste ich immer noch im Krankenhaus verharren. Langsam gingen mir die Nerven aus. Ich hatte es satt, die ganze Zeit auf die weißen, kahlen Krankenhauswände zu starren. Es war Samstag und sehr früh, als mich Anny und Julian besuchten. Ich hatte sie nicht um solch eine Uhrzeit erwartet, aber freute mich umso mehr sie zu sehen.

Sie sagten nicht viel, sondern zwangen mich vorsichtig aufzustehen und mich in den Rollstuhl zu setzen. Selbstverständlich war ich neugierig, aber ich wusste, dass die beiden mir nichts verraten würden.

Sie schoben den Rollstuhl nach draußen. Die Sonne schien mir ins Gesicht und es war ungewohnt warm für Februar. Wir sahen einige wenige Patienten herumlaufen. Anny und Julian stoppten an einer verschneiten Wiese.

Julian bückte sich und strich über den schmelzenden Schnee.

„Wir dachten, dass du es vielleicht sehen möchtest.", dann ging er zur Seite. Ein kleines Osterglöckchen strahlte mir entgegen. Diese kleine Geste von Julian und Anny rührte mich mehr als ich in Worte fassen konnte. Ich wusste, was sie meinten, ohne, dass sie auch nur ein Wort dazu sagen mussten.

Diese kleine unscheinbare Blume symbolisierte das Ende des Winters. Auch, wenn es erst Februar war, wusste ich, dass die Blume für sich sprach. Die kalte, dunkle Jahreszeit war vorbei und nun würde ein Abschnitt voller Neuanfänge und Licht kommen. Das Schlimmste war vorbei. Wir hatten es gemeinsam überstanden. Anny, Julian und ich hatten die letzten Monate so viel durchmachen müssen und dennoch waren wir noch am Leben. Total kaputt, fertig und am Ende, aber trotzdem am Leben.

Wir hatten uns geliebt, gehasst und wieder zueinander gefunden und das war letztendlich, was zählte. Wir hatten viele Konflikte lösen müssen, doch wir hatten es geschafft. Wir waren bereit für einen Neuanfang. Wir waren bereit die Dunkelheit hinter uns zu lassen und zu neuen Leben zu erwachen.

So wie das kleine Osterglöckchen.

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Ende.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt