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Das ganze Wochenende lang ging mir das Verhalten meines Lehrers, während meiner Nachhilfestunde nicht aus dem Kopf.
Er hatte so viele Seiten zum Vorschein gebracht, welche ich so noch nie erlebt habe.

Ich dachte besonders über den Schrei, welchen ich vernommen hatte, als ich perplex vor seiner Haustür stand, nach.

Ich wusste nicht, wie ich ihn deuten sollte.
Tatsächlich habe ich mich schon gefragt, ob er einfach nur sehr laut Heavy-Metal gehört hatte. Doch irgendwie wollte ich mich nicht mit dieser Erklärung zufrieden geben.

Und was hatte es -verdammt nochmal- mit seinen Stimmungsschwankungen auf sich? Erst kommt er mir gefährlich nahe und dann wies er mich an, sofort seine Wohnung zu verlassen. Das machte doch alles keinen Sinn.

Ich war frustriert.

Ich hatte Geheimnisse jeglicher Art schon immer gehasst und dieser Mann war ein einziges Geheimnis.

Je intensiver ich nach einer simplen Erklärung für sein Verhalten suchte, desto öfter kam mir auch dieser eine kleine böse Gedanke, welchen ich immer wieder verdrängte, da er ausgeschlossen war.
Ich wollte diesen Gedanken nicht einmal zu Ende formulieren. Doch am Samstag Abend, als ich in meinem Bett lag und alles leise und finster war -das einzige Licht, war der Schein des Mondes aus einem Fenster- erwischte ich mich dabei, wie ich ernsthaft über die unwahrscheinlichste Idee nachdachte.

Und wenn er mich nicht nur als seine Schülerin ansah?

Ich musste selber kichern. Dieser Gedanke war einfach zu absurd, als dass man ihn nur ansatzweise näher betrachten könnte.

Ich bildete mir schon wieder zu viel auf mich ein.
Er ist verheiratet. Er ist mein Lehrer.
Er könnte bestraft werden, wenn er etwas mit einer Schülerin anfangen würde.

Mal davon abgesehen, dass ich nicht das geringste Interesse an ihn hatte.
Ich war schon mit dem Typen, der mich liebte, überfordert. Einen Lehrer könnte ich da nicht noch gebrauchen.

Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Doch mein Unterbewusstsein wollte mir nicht einmal im Schlaf Ruhe vor Herrn Harly gönnen.
Ich träumte von ihm.
Es war kein zusammenhängender Traum. Es war vielmehr wie eine Art Diashow, welche in kurz erscheinenden Bildern oder Filmen einige Situationen, in denen ich Herrn Harly erlebt hatte, widerspiegelte.
Doch auch Situationen, die nie so stattgefunden hatten, erschienen.

So sah ich zum Beispiel Herrn Harly, wie er auf einer einsamen dunklen Straße lief.
Die Straßenlaternen flimmerten lediglich etwas.
Herr Harly trug einen dicke Jacke -welche seiner Figur aber keinesfalls schadete, sondern sie eher noch mehr hervorhob- und eine Kapuze.
Ich erkannte meinen Lehrer dennoch sofort.

Ich stand einige Meter hinter ihm. Plötzlich drehte er sich zu mir um. Er lächelte mich schwach an, dann kam er langsam auf mich zu. Mit jedem Schritt legte er an Geschwindigkeit zu, doch aus irgendeinem Grund kam er nicht bei mir an. Er wurde wütend, und da war der Schrei! Derselbe, den ich am Freitag gehört hatte und genauso animalisch.

Und dann wachte ich auf.

Ich strich verwirrt durch meine zerzausten Haare, blieb in einer Strähne hängen und zuckte vor Schmerz zusammen.

Verzweifelt schmiss ich mich wieder auf mein Kissen.

Was lief nur schief bei mir?

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt