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Er gab einen hoffnungslosen Ton von sich.

„Danach bin ich umgezogen. Ich wollte von meinen Geistern und den Schmerzen fliehen."

„Aber?"

„Sie haben mich eingeholt. Immer. Egal was ich versucht habe. Das einzige, was wirklich wirkt, ist der Alkohol."

„Er betäubt alles."

„Richtig. Er betäubt alles.", sagte er eher zu sich selber als zu mir.

Er holte ein Whiskyglas -wie ich es nur aus Filmen kannte- aus einem der Schränke und goss eine gelb-bräunliche Flüssigkeit hinein.

Herr Harly schwankte die Flasche in der Luft, als wäre er schon angetrunken und blickte zu mir.

„Oh, wo bleiben meine Manieren? Willst du auch?"

Ich wusste nicht, ob er es ernst meinte oder es ein Scherz war. Alles in allem fand ich die gesamte Situation nun etwas skurril.

„Nein danke. Ich bin noch minderjährig."

Er zuckte nur die Schultern, trank einen ziemlich großen Schluck von dieser merkwürdigen Flüssigkeit und wischte sich kopfschüttelnd mit der Hand über den Mund.

„Du solltest mal etwas entspannter werden, Rose. Nimm es mir bitte nicht übel, aber ich glaube, du bist von deiner Klasse das Mädchen mit der wenigsten", er machte eine elegante aber heftige Bewegung mit seinen Händen, „ Erfahrung."

„Woher wollen Sie das wissen?", fragte ich kühl.

Er nahm einen weiteren Schluck und füllte das Glas wieder.

„Du vergisst, dass ich früher mal sehr beliebt war. Die Mädchen aus deiner Klasse haben mir alles mögliche einfach so erzählt.
Ich war ihr Vertrauenslehrer."

„In der Tat.", meine Stimme war so hart wie Stein.

„Ach komm schon, Rose. Jeder Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens. Selbst wenn das mit meiner Familie nicht passiert wäre, könnte ich nicht dafür garantieren, dass ich immer noch so wäre wie damals."

Ich verdrehte die Augen und er kam einige Zentimeter auf mich zu.
Er lehnte sich zu mir runter, sah mir kurz in die Augen und näherte sich mit seinem Mund meinem Ohr.

„Alles, was du benötigst, ist ein kleiner Funke Selbstvertrauen."

„Nicht, dass daraus ein unkontrolliertes Feuer entsteht," meinte ich herausfordernd, „und sich jemand womöglich noch verbrennt."

„Ich fürchte das dies unvermeidbar wäre. Aber dieses Feuer wäre zu sehen und seine Ungezähmtheit ebenso. Wenn sich also jemand verbrennt, hat er es darauf angelegt."

„Was ist in so einer Situation zu machen?"

„Nun, wenn er sich verbrannt hat, dann hat er genau vier Möglichkeiten."

„Und die wären?"

„Wegrennen wie ein Feigling. Sich ein weiteres Mal verbrennen wie ein Dummkopf. Es ersticken wie ein Unwissender, oder..."

„Oder?"

„Oder ihm dabei helfen zu wachsen und sich auszubreiten. Schöner zu werden als je zuvor.
Wer weiß? Vielleicht ist das Feuer dann so gütig sein Geheimnis zu verraten."

„Zu welcher Sorte gehören Sie?", flüsterte ich leise.

Einen Augenblick schwieg er, dann beugte er sich noch näher zu mir herab, sodass ich den starken Alkoholgeruch wahrnahm.

„Das wird sich noch zeigen.", hauchte er, „aber... ich habe so ein Feuer wohl nicht verdient, oder?"

„Das wird sich noch zeigen.", wisperte ich.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt