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Ich rieb mit meinem Zeigefinger über den Fingernagel meines Daumens.
Ich war erschöpft. Vielleicht sollte ich es ihm einfach sagen.
Hier und jetzt. Dann wäre alles vorbei.

Aber niemand konnte meine Sicherheit garantieren. Ich war nirgends vor meinem Lehrer sicher.

„Ich...", stammelte ich.

„Willst du mir vielleicht etwas sagen?
Es wäre ok. Ich würde dich nicht verurteilen."

Ich dachte an die ganzen Dinge, die Herr Harly mir angetan hatte, dachte daran wie ich mich in den Momenten gefühlt hatte. Wie ich mich jetzt fühlte.

Doch konnte ich das einfach so laut aussprechen?
Einsehen, was mir angetan wurde?
Ich fürchte, dass dies mein Ende wäre.

Mein Direktor würde mich nicht verstehen. Auch wenn er mir versicherte, dass es anders sei.
Er würde in mir nur noch das Mädchen, das von ihrem Lehrer misshandelt wurde, sehen und das schlimmste daran wäre, dass ich mich irgendwann auch nur noch so sehen könnte.

Mein Direktor würde mich immer, wenn ich ihn sah, daran erinnern wie ich mich jetzt fühlte.
Natürlich meinte er es gut! Das taten sie alle.
Sie hätten auch alle furchtbares Mitleid mit mir. Und doch würde am Ende nur die Erleichterung bleiben, dass ihnen das nicht angetan wurde.

„Nein", sagte ich mit fester Stimme, „ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ist es so schwer zu glauben, dass ich nicht von meinem Lehrer misshandelt wurde?", vielleicht war es ein wenig schroff gewesen. Aber er hatte mich gezwungen über das Vergangene nachzudenken.

„Nein natürlich nicht", er hob ergebend seine Hände, „ehrlich gesagt, bin ich ziemlich erleichtert.
Ein solcher Skandal wäre nicht sehr hilfreich für den Ruf unserer Schule gewesen. Aber sowas soll alles vorkommen. Sachen gibt's.", er schüttelte fassungslos den Kopf und ich lächelte schwach.

„Nun ja. Das wäre es gewesen. Du kannst jetzt gehen."

Ich verabschiedete mich und verließ sein Büro so schnell ich nur konnte.

Als ich die Tür des Büros schließen wollte, wurde ich von der Stimme hinter mir aufgehalten.

„Du kannst sie offen lassen. Ich habe noch ein kleines Gespräch mit dem Direktor", langsam drehte ich mich um und blickte in die kalten und verhassten Augen von Abby.
Sie kam mir so nahe, dass ich mich ziemlich bedrängt fühlte und den Geruch ihres süßen Parfums wahrnahm.

„Weißt du, angeblich soll eine Schülerin etwas mit ihrem Lehrer haben.
Kannst du dir das vorstellen?", sie näherte sich meinem Ohr, „ich mir Überraschenderweise schon."

Dann schubste sie mich zur Seite, um die Tür des Büros unseres Direktors aufzumachen.

„Warum tust du das?"
Zu meinem Entsetzen klang ich verzweifelt.

„Damit Julian sieht, dass du ihn nicht verdient hast. Damit er endlich versteht, dass er etwas besseres verdient hat."
Ihr Blick war voller Verabscheuung.

„Dich, oder was?"
Ich hatte zwar nicht vor es laut auszusprechen, bereute es aber auch nicht.

Sie setzte eine arrogante Miene auf. Fehlte nur noch, dass sie ihre Haare nach hinten warf.

„Vielleicht."

Ich gab einen verächtlichen Ton von mir.

„Wenigstens schlafe ich nicht mit meinen Lehrern", zischte sie mit gerunzelter Stirn.
Dann verschwand sie im Büro des Direktors.

„Freak", murmelte ich leise, bevor ich mich langsam umdrehte und das Sekretariat langsam verließ. Ich trotte in Richtung Physik-Zimmer, in welchem wir das naturwissenschaftliche Profil hatten und dachte darüber nach, was Abby wohl für Beweise gegen mich hätte.

„Rose.", Herr Harlys Stimme hallte an den Wänden wieder.
Es war unmöglich ihn nicht gehört zu haben, doch ich wollte jetzt nicht mit ihm reden, weshalb ich meine Schritte beschleunigte. Noch wenige Meter, dann hätte ich den richtigen Raum erreicht.

„Rose!", rief er lauter.

Ich hörte, wie auch er nun schneller ging.
Inzwischen rannte er mir wohl hinterher.

Gleich hätte ich es geschafft!

„Rose! Es ist wichtig!"

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt