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Nachdem ich meine Tasche an die Seite des Stuhles gelehnt und mich gesetzt hatte, konnte ich es nicht mehr aushalten und fragte meinen stillen Direktor, was denn los sei.

Er räusperte sich. Ich spürte, dass ihm das Thema unangenehm war.

„Nun, vor einigen Minuten hatten du und Abby eine ziemlich heftige Auseinandersetzung. Auch ich habe sie verfolgen können."

„Es ist keiner verletzt wurden. Ehrlich!
Es war nur so ein normaler Zickenkrieg wie es ihn häufig in unserem Alter gibt."

„Ich habe dich nicht wegen der Auseinandersetzung zu mir gebeten. Vorfälle dieser Art gibt es täglich hier. Mein Büro würde voll von den ganzen Schülern sein, die sich verbal bekriegen."

Ich lächelte und er fuhr fort.

„Es geht mit vielmehr darum, was gesagt wurde.
Besonders einer von Abbys Vorwürfen hatte es ganz schön in sich.
Obwohl es natürlich auch Unsinn sein könnte, muss ich mich dennoch vergewissern, dass es einfach nur dahingesagt war."

Mein Lächeln verschwand. Ich wusste selbstverständlich genau, welchen Vorwurf er meinte.
Dennoch setze ich eine fragende Miene auf.
Ich sah deutlich, wie intensiv mein Direktor nach den richtigen Worten suchte. Da konnte er lange suchen!
Für Prostitution gab es keine harmlose Umschreibung.

Ich wollte es ihm aber auch nicht zu leicht machen. So hatte ich wenigstens noch etwas Zeit mir eine passende Ausrede auszudenken.

„Weißt du...es passiert in letzter Zeit öfter, dass Fälle aufgedeckt werden, wo...", er brach ab. Mit der Oberseite eines Kugelschreibers zeichnete Kreise auf einen Stapel mit Ordnern.
Ich hätte darauf wetten können, dass in einem der Ordnern meine Schülerakte war.

„Fälle, bei denen sich herausstellte, dass Lehrer und Schüler ein Verhältnis miteinander hatten...
Und wenn eine Schülerin so überzeugt davon ist, dass eine ihrer Klassenkameradinnen ein Opfer von Kindesmisshandlung ist...noch extremer...dass ihr Klassenlehrer ein Kinderschänder ist, dann muss ich mir diesen Fall natürlich genauer ansehen."

„Das verstehe ich ja. Aber Sie glauben doch nicht wirklich, dass irgendein Wort davon, was Abby gesagt hat, der Wahrheit entspricht, oder?"

Er sah mich verunsichert an.

„Wie gesagt. Ich kann so eine überzeugte Anschuldigung nicht einfach ignorieren.
Ich bin für solche Sachen zuständig.
Rose, du musst mir die Wahrheit sagen.", jetzt wirkte er sicherer, „wenn das, was Abby gesagt hat, der Wahrheit entspricht, dann musst du es mir sagen.
Hier handelt es sich nicht um Kleinkriminalität wie Kaugummi klauen.
Das ist eine riesige Sache. Du bist Minderjährig. Eine Beziehung zwischen Herrn Harly und dir wäre absolut tabu."

„Ich weiß."

„Wenn du es gestehst, muss er vielleicht nicht so lange ins Gefängnis."

„Ich wüsste nicht, was ich gestehen sollte."

„Rose, ich glaube, du hast den Ernst der Lage noch nicht ganz verstanden. Ich werde mit Abby reden und wenn sie  tatsächlich daran glaubt, dann werde ich die Polizei verständigen müssen.
Willst du das alles nur wegen besseren Noten?"

„Glauben Sie wirklich, dass Abby die Wahrheit sagt? Sie ist neidisch. Mehr nicht!"

„Das würde ich ja auch glauben. Aber weshalb sollte sie, ohne jeden Beweis dir vor der ganzen Schule so etwas an den Kopf werfen? Ihr Misstrauen kann doch nicht von irgendwo kommen."

Er atmete tief durch und rieb sich mit einer Hand über die Augen.

„Ich frage dich ein letztes Mal: ist an diesem Vorwurf etwas wahr?"

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt