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Ich ohrfeigte mich gedanklich. Wie konnten meine Gedanken nur so abschweifen? Ich sollte mich etwas schämen.

Unweigerlich tauchte jetzt Dylan in meinem Kopf auf. Sofort fing mein Herz schneller an zu schlagen.
Verdammt, Körper, jetzt entscheide dich mal!

„Also...", unterbrach Julian die Stille. Oh! Ich hatte ganz vergessen, dass die beiden noch bei mir standen.

„Wir gehen dann mal.", beendete Anny für ihn den Satz.
Bähh. Als wären sie schon ein Paar.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, griff Anny besitzergreiferisch nach Julians Hand.

Die beiden lächelten mir zum Abschied freundlich zu und verschwanden Händchen-haltend aus der Szene.
Das würde ich mir keinen ganzen Abend anschauen können.

Ich entdeckte meine Eltern und drängte sie in unser Auto, bevor sie die Chance hatten, mich zu umarmen und mir zu gratulieren.

Erst nachdem mein Vater losgefahren war, erlaubte ich ihnen zu sprechen. Heute war echt nicht mein bester Tag.

„Also Liebling. Zu Hause wartet eine Überraschung auf dich.", erzählte mir meine Mutter in einem geheimnisvollen Ton.

Sie wusste, wie ich es hasste, wenn sie Überraschungen ankündigte. Danach wurde ich immer total hippelig und neugierig, was es wohl sein könnte.

Umso glücklicher war ich also, als wir endlich zu Hause ankamen.
Ich sprang aus dem Auto und rannte zur Eingangstür. Wahrscheinlich glich ich einem Kind, welches in jeder Sekunde sein erstes Geschenk an Weihnachten aufmachen dürfte.

Als ich die Haustür aufgeschlossen hatte, eilte ich ins Wohnzimmer. Meine Mutter hatte mir nur verraten, dass
die Überraschung dort warten würde.

Meine Schwester saß mit einem ordentlich gebunden Pferdeschwanz und in einem weißen Polo-Shirt auf dem Sofa. Erst dachte ich, dass sie das Geschenk hinter ihr versteckte. Doch als sie aufstand und mit einem Grinsen auf mich zukam, verstand ich, dass sie die große Überraschung war.

Wahrscheinlich erwarteten meine Eltern, dass ich vor Freude in Tränen ausbrechen würde. Ich hatte meine Schwester schließlich einige Monate nicht gesehen, doch wir hatten kein solches Verhältnis. Diese magische Verbindung, die Schwestern oftmals hatten, war bei uns nicht vorhanden. Wir sahen uns vielmehr als zwei Bekannte an, die zufällig dieselben Eltern hatten. Traurig aber wahr. Wir hatten noch nie ein inniges Verhältnis gehabt und das würde auch nie der Fall sein.

Sie hatte nie mit mir meinen Herzschmerz durchgestanden und die Jungen verprügelt, die mir wehgetan hatten und ich habe sie dafür vor meinen Eltern, so oft wie es ging, in die Pfanne gehauen.

Da stand sie also. Die angehende Ärztin und Lebensretterin. Wir umarmten uns nicht zur Begrüßung. Sie kam nur auf mich zu und grinste mich an. Ich versuchte diese Miene genauso gut nachzuahmen.

Unsere Eltern kamen zur Tür herein und schlossen meine Schwester in die Arme. Danach setzten sich die drei auf das Sofa und unterhielten sich über Maras Studium. Ich musste zugeben, dass ich mich etwas vernachlässigt fühlte. Klar freute ich mich meine Schwester zu sehen, aber heute war doch mein großer Tag gewesen, oder?

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt