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Das ließ mich wieder aufwachen.  

„Sie hätten es mir nicht gezeigt, wenn es nur ein Bild wäre.", erwiderte ich entschlossen. Ich wusste nicht, woher der Mut auf einmal kam, aber ich entschied mich ihn einzusetzen.

„Es geht nicht um das Bild, sondern um die Personen, die sich auf dem Bild befinden. Ich geh davon aus, dass du mich bereits erkannt hast."

Ich nickte leicht. Mein Blick war immer noch auf das Foto gerichtet. Mein Kopf versuchte weiterhin verzweifelt eine Parallele zwischen dem Mann auf dem Foto und dem Mann, welcher einige Zentimeter von mir entfernt war, zu finden.

„Wer die beiden anderen sind, kannst du dir wahrscheinlich auch denken."

Ich sah hoch zu ihm.

„Der Kleine war gerade einmal zwei Jahre alt.", er bemühte sich nicht mehr eines Pokerfaces. Sein Gesicht verzog sich, getroffen und voller Schmerz zusammen.

„Was ist passiert?", flüsterte ich so leise, dass ich mich wunderte, dass mein Lehrer es verstand.

„Es war alles meine Schuld. Ich hatte Elly verärgert. Ich hatte meine Eifersucht nicht unter Kontrolle und ihr furchtbare Vorwürfe gemacht. Ich habe sie grauenvoll beleidigt.
Sie hat ihre Koffer gepackt, Jake angezogen und das Haus verlassen. Ich war zu stolz sie aufzuhalten.
Warum habe ich sie nicht aufgehalten? Warum hat mich kein LKW erwischt? Ich hätte es verdient. Aber Elly nicht und Jake...", er kam nicht weiter. Seine Stimme wurde im Laufe seiner Erklärung immer hektischer und verschnupfter.

Er hielt sich eine seiner Hände vor die Augen, als ob er sich vor der Sonne schützen wollte. Doch in Wirklichkeit wollte er sich vor der Realität und dem Leben in Sicherheit bringen.

Er atmete keuchend durch.

„Es ist nicht fair. Er war so jung und so unschuldig. Er hat niemandem etwas zuleide getan. Er einfach zur falschen Zeit, am falschen Ort und in der falschen Familie.

Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich. Er wird sich nie verlieben, oder heiraten, oder Kinder bekommen können, nur weil seine Eltern sich nicht zusammenreisen konnten und sein Vater zu stolz war, seine Fehler einzusehen."

Er stützte sich mittlerweile an der Tischkannte ab. Nun sah er zu mir. Seine Augen waren rot. Er weinte nicht, doch seine Augen waren glasig.

Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Menschen so fertig erlebt. Selbst Anny konnte bei ihrer Trennung mit Toby nicht mit diesem Schmerz und diesem Leid mithalten.

Man konnte Herrn Harly fast ansehen wie seine Seele mittrauerte.

„Dann ging ich wieder zur Arbeit. Nachdem ich gesehen hatte wie meine Frau und der unendlich kleine Sarg meines Sohnes, nebeneinander unter die Erde gelassen wurden.
Ich ging wieder zur Arbeit und sah euch.", seine Miene wurde grimmig, „ich sah euch Jugendliche, die so voller Lebensfreude strotzten. Ihr wart so glücklich und leichtlebig und vor allem wart ihr am Leben.

Ihr würdet noch all das erleben, was mein Sohn nicht mehr erleben könnte. Vielleicht hattet ihr sogar schon das ein oder andere erlebt. Euren ersten Kuss oder eure erste Liebe zum Beispiel.

Und nun sag mir, Rose, wie hätte ich nett zu euch sein können, wenn ich in euch nur Erinnerungen sehe, die mir immer wieder vorhalten, wie furchtbar schlecht mein Leben ist, dass ich die Menschen, die ich am meisten liebe verloren habe?"

Kurz schwieg er. Ich dachte schon, dass er nichts mehr sagen würde, doch dann schien ihm etwas einzufallen.

„Du hast mir einiges gesagt, was ich schlecht mache und was dich stört. Eine Sache davon war, dass ich fies zu einigen Schülern bin, als Beispiel hast du, unter anderem, Phillip genannt.

Du weißt sicher, dass Phillip kirchlich ist. Wenn es Gott tatsächlich gäbe, dann würde ich liebend gerne seine Adresse haben, ihn besuchen und zur Rede stellen.

Ich hatte es verdient zu sterben, jedenfalls mehr als meine Familie. Doch wie kann Gott, wenn er existiert, zulassen, dass ein kleiner, unschuldiger Junge stirbt? Wie kann das passieren?", er schrie fast.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt