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Ein dumpfes Pochen befreite mich aus meiner Starre. Jemand hatte gegen die Zimmertür geklopft.

Zum Glück wurden wir unterbrochen. Ich hätte auch gar nicht gewusst, was ich hätte erwidern können. Ich war völlig überfragt.
Das einzige, was ich wusste, war, dass Herr Harly ein Psycho war, der sich einbildete, ich hätte Gefühle für ihn, nur weil ich ihn an seine Frau erinnerte.

Anscheinend glaubte er nicht an Gott, aber an irgendwelche höheren Mächte, Schicksal oder was auch immer. Was war nur in seinem Kopf los?

„Herein!", rief Herr Harly und rückte von mir ab, jedoch ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.

Die Tür gab ein quietschendes Geräusch von sich, dass mich stark an die Geigentöne erinnerte, die Anny am Anfang ihrer Musikkarriere von sich gegeben hat.

Kein Geringerer als Dylan Black steckte seinen Kopf herein. Als er mich entdeckte, grinste er mich offen an.
So ein Schatz! Ich wusste, dass er mich nicht alleine lassen würde. Er hatte mich noch nie im Stich gelassen!
Ok, das stimmte nicht ganz. Vor ein paar Jahren hatte er es möglicherweise schon...Aber nicht beabsichtigt! Er würde mir niemals absichtlich wehtun!

Dylan nickte Herrn Harly zu und betrat den Raum.

„Was ist denn?"

So schnell wie Herr Harly seine Mimik und Gestik verändern konnte, war schon erstaunlich.

Vor ein paar Sekunden war er noch der bedrohliche große Mann gewesen. Jetzt strahlte er seine übliche Lehreraura aus. Fast hätte ich dieser Fassade Glauben geschenkt...
Wenn ich es nicht besser gewusst hätte.

Ich überlegte, Dylan in irgendeiner Weise klar zu machen, was hier vor sich gegangen war. Was gestern passiert war.

Ich wollte mich jemandem anvertrauen. Doch mir hatte Herr Harly klargemacht, dass es keinen Ausweg gab.
Die Bestrafungen für Vergewaltiger waren geradezu lächerlich. Dann würde er eben einige Jahre im Gefängnis sein. Das wäre ihm wahrscheinlich egal. Danach würde er genau da weitermachen, wo er begonnen hatte. Leider spielte ich bei dieser Geschichte eine entscheidende Rolle.

Und überhaupt. Wenn ihm bei einer gerichtlichen Verhandlung klarwerden würde, dass ich ihn nicht verteidigte, würde er bestimmt sehr schlecht auf mich zu sprechen sein, sobald er aus dem Gefängnis rauskommen würde.

Es war hoffnungslos. Also unterdrückte ich das Gefühl mich schluchzend in Dylans Arme zu schmeißen.
War wohl auch so besser. Er selber hatte mir erst vor einigen Tagen gebeichtet, wie abstoßend er Drama-Queens fand. Ein Grund, weshalb er wahrscheinlich so resistent gegen Anny war.

„Ich wollte fragen, ob Sie bald mit der Unterhaltung fertig sind. Wir wollten etwas unternehmen."

„Es dauert eben so lange, wie es dauert. Ich bin kein Hellseher."

So stabil war seine Fassade also doch nicht.

Dylan sah meinen Lehrer verständnislos an.

„Und jetzt geh bitte."

Dylan zuckte nicht mal mit den Wimpern. Es wirkte als würde er am Boden festkleben.

„Geh jetzt!", herrschte Herr Harly ihn ungeduldig an.

Dylan blickte zu mir. Auch Herr Harly fokussierte mich.
Ich wollte Letzteren nicht provozieren, weshalb ich Dylan freundschaftlich ansah und „ich komme gleich" flüsterte.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt