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Drei Wochen später hatten wir an einem Dienstag Mathe.

Herr Harly konnte -so wie er es mir gesagt hatte- sich nicht zusammenreißen und schrie einen Jungen aus meiner Klasse an.

Ich hatte nicht viel mit ihm zu tun, aber ich wusste, dass er -so wie ich- einige Probleme in Mathe hatte.
Er war schüchtern und nahm sich die aggressive Kritik unseres Lehrers wahrscheinlich sehr zu Herzen.

Nach der Stunde war ich einfach nur noch sauer auf Herrn Harly.
Weshalb war er manchmal nur so fies?

Noch am Freitag hatten wir rumgealbert und diskutiert, welche Fußballmannschaft dieses Jahr den Pokal bekommen würde und vier Tage später war er wieder wie ausgewechselt.

„Ich hasse ihn.", sagte ich also zu meinen Freunden in der Pause nach Mathe und vor Chemie.

„Wer tut das denn nicht?", fragte mich Lizzy kühl.
Anny, Julian, Lizzy und ich standen im leeren Flur unseres Schulhauses.

Julian und ich redeten immer noch nicht miteinander.
Doch da er und Anny gut befreundet waren, musste ich ihn in unserer Gruppe mit akzeptieren.

„Nein", erwiderte ich unwirsch, „du verstehst das nicht! Er ist eine furchtbare Person!
Er war mal anders! Er hat mal genau gewusst, was er tun musste, um uns zu motivieren.
Doch was ist jetzt? Wenn jemand mal nicht die Antwort weiß, dann rastet er aus!
Er verliert schneller die Fassung als ein Kind, das seine Süßigkeiten nicht bekommt.
Er ist schlichtweg katastrophal und sollte wohl eher in einem engen Raum irgendwelchen Bürokram erledigen und ja keinen Kontakt mit Menschen haben, als Lehrer zu sein!"

Die Antwort kam von einer völlig anderen Richtung als erwartet.

„Wahrscheinlich hast du recht."

Ich erstarrte und drehte mich langsam um.
Herr Harly.

„Komm mal bitte kurz mit, Rose."

„Ja. Ok."

Anny und Lizzy warfen mir einen besorgten Blick zu, während Julians Gesichtsausdruck unverändert blieb. Wahrscheinlich freute er sich auch noch darüber, was nun mit mir passieren würde. Vollidiot!

Ich hatte Panik vor dem, was nun anstehen würde und auf einmal kam mir das Schulhaus und seine Flure ungewohnt kalt und abweisend vor. Auch der Weg in eines der Zimmer wirkte plötzlich so lang wie ein Marathon.

Schweigend schloss Herr Harly die Tür des Zimmers aus, in welchem wir gerade Unterricht gehabt haben und wir betraten den Raum. Wir setzten uns hin und er sah mich lange an. Überraschenderweise sah ich keine Wut in seinem Gesicht, sondern eher Sorge.

„Rose, weißt du... ich gebe mir doch, verdammt nochmal Mühe. Ich möchte ein möglichst guter Lehrer sein. Früher war ich das anscheinend auch. Doch irgendwie habe ich das verlernt und das geht mir näher, als ich es sagen kann.
Wenn ich mal einen Schüler frage, ob ich etwas in meinem Unterricht verbessern kann, sagt er stets, dass alles gut sei und ihm nichts einfallen würde, dass zu einer Verbesserung beiträgt. Doch das stimmt wohl nicht, sonst hättest du die Worte im Gang nicht gesagt.
Ich weiß, dass du eine ehrliche Person bist und da du auch außerschulisch etwas Zeit mit mir verbracht hast, bitte ich dich darum mir klar und deutlich zu sagen, was ich -deiner Meinung nach- besser machen könnte."

Ich stutzte. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Wahrscheinlich stand mein Mund offen, aber selbst, wenn ich es bemerkt hätte, hätte ich nichts dagegen machen können. Ich war baff.

„Tja also...Der Grund, weshalb ich mich aufgeregt habe, war weil ich nicht damit einverstanden bin, wie sie mit David umgegangen sind. Wissen Sie, er ist von Natur aus sehr dünn besaiten und deshalb trifft ihn so ein verbaler Angriff wie vorhin sehr hart.", fing ich zögernd an. Herr Harly nickte eifrig und wirkte fast schon so als würde er mit Vorfreude darauf warten, was ich an ihm zu kritisieren hatte.

Also fing ich an. Ich sprach über all die Momente, in denen er ungerecht oder zu aggressiv gewesen war. Ich redete und redete und redete.

The Guy who was my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt