Am Nachmittag hatten wir Französisch, was auch bedeutete, dass ich Dylan sah.
Schon beim Betreten des Zimmers grinste er mich, zur Begrüßung an.
Ich stellte meine Sachen an meinem Platz ab, er kam auf mich zu und schloss mich in seine Arme.„Alles klar, Röschen?"
„Alles klar, Black."
Er näherte sich mir ein Stück. „Geht es dir besser, als gestern?", fragte er nun komplett ernst.
Ich sah ihn nicht in die Augen, antwortete aber mit einem festen und bestimmten „Ja".Wir hörten ein Schnauben und drehten uns um. Zum Glück knallten unsere Köpfe nicht wieder gegeneinander.
Es war Julian, welcher auf seinem Stuhl saß und ungläubig zu uns starrte.
Ich stand nah genug an Dylan, um das leise Grummeln aus seinem Brustkorb vernehmen zu können.
Er beugte sich zu mir runter, um in mein Ohr flüstern zu können.„Soll ich ihn mir vornehmen?"
Tatsächlich hätte ich es interessant gefunden, wer bei einer Auseinandersetzung von den beiden gewinnen würde, doch selbstverständlich versuchte ich Dylan stattdessen zu beruhigen.
„Ist schon ok. Er spielt sich nur etwas auf.", winkte ich daher ab.
„Steht er auf dich? Er wirkt eifersüchtig."
Kurze Pause. Ich drehte mich zu Julian und dann wieder zu Dylan.
„Nein.", meinte ich bestimmt, „er steht nicht auf mich."
Dylans Körperhaltung entspannte sich augenblicklich.
„Na da habe ich ja Glück gehabt.", obwohl dein Tonfall scherzhaft war, erkannte ich ein kleines Funkeln in seinen Augen.
Viel zu schnell ging die Schule, meine Tanzstunde und der Abend um und so kam es, dass ich am Donnerstag aufwachte und mich am liebsten unter meiner lila-blau gepunkteten, nach Waschmittel riechenden Bettdecke versteckt hätte.
Von meinem Zimmer zum Bad und runter zum Frühstückstisch ging mir immer nur ein Satz durch den Kopf.
Ich will nicht. Ich will nicht. Ich will nicht.
Unnötigerweise erinnerte mich meine Mutter an den heute anstehenden Termin.
„Vergiss deine Nachhilfestunde heute nicht, Liebling. Ich bring dich eine halbe Stunde vorher hin."
Ich grummelte. Mein Vater -die gute Laune selbst- strahlte mich an und verlangte eine motiviertere Einstellung.
Was war nur in seinem Kaffee drin, dass er morgens immer munter war?Ich hatte keine Lust auf den Tag, aber das hinderte ihn nicht, rasend schnell vorbei zu gehen.
So fand ich mich am späten Nachmittag mal wieder vor der berühmten Wohnungstür Herr Harlys wieder.Um das Geschehen hinter der Tür rankten sich viele Geschichten und Theorien und ausgerechnet ich wurde beauftragt Licht in das Dunkle zu bringen.
Meine Freunde haben mir die Aufgabe gegeben, unauffällig einige Informationen über unseren Lehrer zu sammeln, um womöglich die Frage zu klären, weshalb er so war wie er war.
Ich klopfte und mal wieder erschien Herr Harly einige Sekunden später.
Er hatte tatsächlich eine Jogginghose an, was ich missbilligend zur Kenntnis nahm, da ich selber eine ziemlich enge und unbequeme, schwarze Hose trug.„Hallo Rose."
Ich grüßte ihn zurück und betrat die Wohnung.
Ich wusste diesmal zwar, wo ich lang musste, aber ich ließ mich absichtlich etwas zurückfallen, um die Bilder an der Wand genauer zu mustern.
Doch genau wie bei meiner ersten Nachhilfestunde fiel mir nichts besonders auf, außer dass es ausschließlich Landschaften waren, die auf den Bildern abgebildet waren.„Sie mögen die Natur, oder?"
Er drehte sich um und folgte meinem Blick, auf eines der Bilder, welches eine saftige grüne Wiese und einen wolkenlosen Himmel abbildete.
Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.
„Ja. Es erinnert mich daran, dass das schönste, was auf der Erde zu finden ist, nicht durch Menschen entsteht, sondern durch die Natur."
Ich sah ihn perplex an. Mit dieser Erklärung hätte ich nicht gerechnet.
Er lachte. „Du wirst es nicht glauben, aber ich bin eher ein Mensch, welcher lieber vor seinem Fernseher hockt, als spazieren zu gehen. Da kann so eine kleine Erinnerung nicht schaden."
„Sich nicht zu bewegen ist ungesund", erklärte ich ihm geistesabwesend, wurde mir dann meiner Worte bewusst und erschrak.
Ich hatte jetzt nicht ernsthaft meinen Lehrer belehrt, oder?
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The Guy who was my Teacher
Teen Fiction„Seine Hände waren rau. Der typische Vanille-Zitronen-Geruch verfolgte ihn wie ein Schatten. Und wieder fragte ich mich: Was tat ich hier?" Rose ist eine durchschnittliche Schülerin, verliebt und überhaupt nicht an Mathe interessiert. Kein Wunder...