Collide

Kapitel 27

Der Tag der Abrechnung war schließlich gekommen und ich stand dem großen Teamhotel gegenüber. Ich atmete einmal tief durch ehe ich das Gebäude betrat.
"Ah Marc! Sehr gut, dass du da bist! Karim hier wird dein Zimmergenosse sein!", wurde ich sofort vom Assistenztrainer begrüßt.
"Bitte was?!", hörte ich darauf die entsetzte Stimme von Karim, "das geht nicht Thomas!"
"Und warum nicht?", entgegnete Thomas Schneider worauf Karim verstummte, "dachte ich es mir doch. Also, hier sind eure Schlüssel. Teamsitzung ist um sechs. Bis dahin habt ihr Freizeit."
"Nur damit das klar ist, das Zimmer gehört die nächsten zwei Stunden mir! Bernd kommt vorbei zum zocken also solltest du dich lieber verpissen", maulte mich Karim an als wir vor unserer Zimmertür zum stehen kamen.
"Also erstens ist das auch immer noch mein Zimmer und zweitens darf ich sein wo ich will", argumentierte ich und betrat den Raum, den Karim inzwischen aufgeschlossen hatte.
"Solange du das Maul hälst ist's mir egal was du tust", entgegnete Karim nur und schmiss seine Tasche auf eines der beiden Betten.
Gerade als ich das letzte Hemd in meinem Schrank verstaut hatte, klopfte es laut an die Tür, die Karim darauf sofort öffnete.
"Kannst du das glauben? Ich muss mir ein Zimmer mit dem Affen teilen! Marco Reus mit der Hackfresse! Was soll den bitte der Scheiß?!", betrat Bernd das Zimmer sich beschwerend ohne darauf zu achten wer ihn alles hören konnte. Er verstummte und erstarrte erst als er mich sah und blickte mich mit großen Augen an.
"Ja", brachte Karim sich nur mit genervten Stimme ein, "ich hab ein noch viel besseres Los gezogen!"
"Hey", stammelte ich nur leise hervor doch Bernd sah mich weiter an wie ein Reh, das vor ein Auto gerannt war und nun von den Scheinwerfern angestrahlt wurde.
"Karim? Kannst du mir ne Cola aus dem Automaten in der Lobby holen? Die brauch ich jetzt ganz dringend um wieder wach zu werden", sagte Bernd, wandte seinen Blick jedoch keine Sekunde von mir ab.
"Was?", fragte Karim darauf nur verwirrt und sah seinen Freund und Teamkollegen an.
"Geh einfach!", nötigte Bernd ihn weiter und mit einem leisen "Okay, okay", verschwand Karim schließlich aus dem Zimmer.
Eine Zeit lang war es einfach nur still. Bernd hatte seinen Blick inzwischen von mir abgewendet und ließ sich auf Karim's Bett nieder. Jetzt oder nie Ter Stegen. Das ist deine Chance!
Ich setzte mich ebenfalls auf mein Bett Bernd gegenüber.
"Wir müssen reden", sagte ich nur ernst und sah mein Gegenüber an.
Ein leichtes Nicken.
"Es tut mir leid, dass ich an dem Abend nicht gekommen bin. Ich will mich auch nicht mit Teammeetings oder gemeinsamen Abendessen rausreden. Ich war einfach verunsichert nach deinem Angebot. Allgemein bin ich so verwirrt und unsicher wegen dir. In der einen Sekunde bist du so sanft und freundlich zu mir und in der nächsten wirfst du mir wieder die wildesten Beleidigungen an den Kopf! Ich weiß nicht mehr was ich denken soll Bernd! Den ganzen verfickten Tag mache ich mir Gedanken wie ich mich vor dir verhalten sollte aber immer wieder ist jeder Versuch den ich starte falsch! Alles worum ich dich bitte ist mir zu sagen wo ich bei dir dran bin! Was das hier", Ich fuchtelte um mich, "zu bedeuten hat! Denn es macht mich ganz ehrlich kaputt Bernd! Es raubt mir den Schlaf und ich will das es aufhört! Also, was soll das ganze?!"
"Ich weiß es nicht", kam seine schlichte Antwort ganz leise.
"Du weißt es nicht?! DU WEIßT ES NICHT?! Verdammte Scheiße, du wirst doch wohl wissen, was du von mir willst!", schrie ich ihn an.
"Nein", sagte er und seine Stimme klang erstaunlich feste obwohl seine Miene vom Gegenteil deutete, "ich weiß es nicht Marc, okay?! Ich hab keine Ahnung. Einerseits will ich dich hassen, dich verletzen und aus dem Weg haben. Aber andererseits will ich dich auch ganz nah bei mir haben und mit niemandem teilen. Näher als irgendjemand sonst. Ich weiß also wirklich nicht, was ich von dir will", gab mir Bernd als Antwort und irgendwie zu meinem Erschrecken klang seine Stimme am Ende schwach, ja fast gar gebrochen. Dieser Klang tat mir weh und ich wollte doch nicht, dass Bernd so klang. Ich wollte doch nur Antworten.
"Und wenn wir es versuchen?", fragte ich.
"Was versuchen?", Bernd war sichtlich verwirrt.
"Rauszufinden, was das", dabei deutete ich mit der Hand auf ihn und dann auf mich, "ist. Was das zwischen uns zu bedeuten hat."
"Wie stellst du dir das vor? Ich meine jeder hier weiß von unserer Feindschaft. Ist jetzt ja nicht so, als könnten wir uns ohne Aufsehen zu erregen einfach so an einen Tisch setzen um zu frühstücken", erwiderte Bernd berechtigter Weise und kurz dachte ich nach.
"Vielleicht ist es schonmal ein Anfang, dass unsere Freunde in der Nationalmannschaft mit dem jeweils anderen auf einem Zimmer sind", sagte ich schlicht und hoffte, dass Bernd die Botschaft verstand. Ich musste nur Marco besuchen, um ihn zu sehen und er nur Karim, um mich zu sehen.
"Ja, lass es uns probieren", sagte Bernd nach kurzem zögern andächtig und ich schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. Er erwiderte ebenso zaghaft bis die Tür aufging und Karim herein platzte.
"Was ist denn hier los? Ihr lebt beide noch? Ich dachte schon ich müsste nen Leichensack organisieren", sagte dieser und grinste mich dabei boshaft an.
"Nein, es ist alles okay. Wir haben uns nur nett unterhalten", erklärte Bernd.
"Nett, ja klar. Und ich bin in Wahrheit der Osterhase", sagte Karim sarkastisch. Ich hielt mich raus und Bernd seufzte.
"Lass einfach gut sein, ja? Ich dachte wir wollten zocken", lenkte Bernd Karim ab und tatsächlich funktionierte es. Karim schien alles andere als das Spiel zu vergessen und innerhalb der nächsten paar Minuten war ich wie Luft in diesem Zimmer. Zufrieden war ich zwar nicht mit meiner Antwort, aber ich beließ es dabei und begnügte mich damit, Bernd heimlich beim Zocken zu mustern. Er sah schon verdammt heiß aus. Naja, so irgendwie.