Kapitel 6

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Es roch nach frisch gemähten Gras als ich den Rasen fürs Training am nächsten Tag betrat. Ich ließ meine, in Torwarthandschuhe verpackten Hände kurz über das taureife Grün gleiten, ehe ich mich zu den aufgebauten Toren begab. Der Ablauf war wie immer. Kurzes Einlaufen mit darauffolgenden Stretching und anschließenden Flachballschüßen auf's Tor. Andi Köpke beobachtete uns dabei strengstens bis er uns schließlich Passspiele machen ließ. Zu viert kickten wir uns den Ball hin und her jedoch kam er nach zwanzig Runden nur zweimal in meiner Richtung an.
"Hallo?! Kann mir auch mal jemand passen?!", fragte ich nach einer Weile eingeschnappt als der Ball ein sechstes Mal von Manuel zu Bernd gespielt wurde. Zu meiner Überraschung folgte daraufhin kein weiteres Kommentar sondern vielmehr etwas anderes, dass mir die Stimme verschlug. Bernd passte den Ball doch wirklich ganz selbstverständlich zu mir und lächelte mich daraufhin an als ich den Ball am Fuß spürte.
"Danke...", murmelte ich überwältigt durch seine plötzliche Aktion woraufhin sein Lächeln sogar noch breiter wurde.
"Okay, langsam wird mir das echt zu gruselig. Mach weiter Marc", unterbrach Manuel die aufkommende Stille und wir setzten unsere Pässe fort, wobei ich immer häufiger von Bernd miteinbezogen wurde. Der restliche Tag verging dann wieder, in dem wir uns aus dem Weg gingen. Eigentlich war es ganz angenehm. Wir stritten nicht und jeder konnte für sich mal die Ruhe in der Natio  genießen, von der die anderen immer so geschwärmt hatten. Unsere Kollegen schauten uns natürlich blöd an. Sie kannten uns nur streitend. Dementsprechend war die Situation für sie verwirrend, aber auch ich musste mich in ihr erst zurecht finden. Erst am nächsten Tag gaben wir ihnen einen erneuten Eindruck in die derzeitige "Beziehung" zwischen uns.
Es war vor dem Training in der Kabine. Ich saß, wie die meisten anderen bereits fertig umgezogen auf meinem Platz und wartete mit Sami und Mario eigentlich nur noch auf Marco und Manuel, die noch nicht ganz fertig waren. Ich hatte mit den vieren natürlich nicht darüber gesprochen, dass ich sie belauscht hatte. Und es hatte besonders Marco und meiner Freundschaft nicht gut getan, dass es dazu gekommen war, denn ich hielt Abstand. Zu ihnen allen vier. Ich fühlte mich verraten und hintergangen und das musste ich erst einmal verdauen. Als dann auch die beiden fertig waren, gingen wir auf den Platz und stellten uns um Jogi in einem Halbkreis auf. Da dieser uns jedoch noch Zeit ließ und auch noch nicht alle da waren, konnten wir noch ein wenig plaudern. So bekam ich auch aus dem Augenwinkel mit, wie Bernd und Karim aufgeregt, ja sogar hektisch miteinander redeten. Komisch war das schon, da die beiden dies sonst nicht taten und dann vor allem nicht Karim wild in unsere Richtung deutete. Moment mal, er deutete in unsere Richtung? Was hatte ich denn jetzt schon wieder angestellt, dass er Bernd gegen mich aufhetzte? Aus anderen Gründen würde er es sonst ja wohl kaum tun. Vor allem würde dann Bernd nicht hier rüber kommen. Andererseits konnte da was nicht stimmen. Bernd kam nicht überheblich wie sonst, sondern eher angeschlichen wie ein geprügelter Hund.
"Hey, ähm Manu, Marc? Ihr...also...ähm...", fing Bernd an und das Gestotter passte so gar nicht zu ihm. Irgendwie begann ich ja schon, mir Sorgen zu machen. Manuel schien das auch so zu sehen, denn er sagte besorgt: "Was ist los Bernd? Ist was passiert? Geht es dir nicht gut?"
"Nein, nein. Mir geht's gut. Es ist nur, naja, also ich finde meine Handschuhe nicht und wollte fragen, ob ihr sie vielleicht gesehen habt?", sagte er und wurde dabei rot. Ich verstand es. Mir wäre die Situation auch unangenehm.
"Nein, ich hab sie nicht gesehen und mit meinen kannst du vermutlich nicht wirklich was anfangen, denn sie werden dir zu groß sein" meinte Manuel und Bernd nickte traurig.
"Okay, dann mache ich mich wohl weiter auf die Suche." Keiner von beiden schien mit einer Reaktion von mir gerechnet zu haben, denn sie blickten mich verwirrt an, als ich sagte: "Du kannst erstmal mein Ersatzpaar haben, bis du deine findest. Wir haben ja fast die gleiche Größe. Und wenn so später beim Suchen noch Hilfe brauchst, sag einfach bescheid." Letztendlich wusste ich selbst nicht, was mich zu diesen Worten bewegt hatte, aber schon allein wegen den erstaunten Mienen meiner Freunde und der von Bernd, waren diese Worte es wert gewesen.
"Okay, ähm danke wegen den Handschuhe. Das ist echt...nett von dir. Bei der Suche hilft mir Karim. Das sollte reichen", sagte er verlegen und es war komisch zu hören, dass er das Wort nett mit mir in Verbindung brachte.
"Okay, dann ähm gehe ich sie schnell holen", löste ich die Situation auf und machte mich auf den Weg zurück zur Kabine, wo die Handschuhe in meiner Sporttasche lagen. Als ich sie dann Bernd gegeben hatte, spürte ich die undefinierbaren Blicke von meinen Freunden, der restlichen Mannschaft, von Jogi und vor allem von Bernd auf mir und fragte mich, was ich mit dieser Aktion angestellt hatte.

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