Kapitel 60

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Am nächsten Morgen war ich zunächst verwirrt. Doch dann fiel mir siedend heiß ein, was am gestrigen Abend geschehen war. Ich hatte Sergi geküsst. Verdammter Mist! Ich hatte Scheiße gebaut. Verdammt große Scheiße! Ich musste das wieder hinbekommen. Ich hatte Sergi doch gar nicht küssen wollen. Ich hatte Bernd küssen wollen. Sergi war doch mein bester Freund und als solchen wollte ich ihn auch behalten. Als nicht mehr und nicht weniger. Ich musste das wieder hinbekommen.
Diesen Entschluss versuchte ich auch direkt umzusetzen, als Sergi mich zum Auslaufen abholte, da mein Auto immer noch auf dem Parkplatz stand.
"Morgen", begrüßte ich ihn, als ich ins Auto stieg. Von ihm kam nur ein Gebrummel und er startete den Wagen.
"Du ähm… Wegen gestern...", setzte ich an, doch kam nicht weiter, denn in dieser Sekunde stellte Sergi das Radio lauter. Zu laut um irgendwas zu verstehen um genau zu sein. Das verstörende an der ganzen Sache war, dass es sich dabei um ein Lied handelte, welches Sergi laut eigener Aussage hasste. Die einzige Erklärung war, dass er nicht reden wollte. Auch das nächste Lied ließ Sergi auf laut und als ich Anstalten machte, das Radio leiser zu drehen, wurde ich von Sergi mit einem bösen Blick bedacht, sodass ich es sein blieb. Erst auf dem Parkplatz, wo er den Motor abstellte, war es wieder leise genug, um sich zu unterhalten.
"Du Sergi, also was ich dir sagen wollte-", setzte ich wieder an und wurde erneut unterbrochen.
"Später Marc, ja? Wir sollten in die Kabine. Ich hab keine Lust Strafrunden zu laufen", bat Er mich seufzend und stieg aus. Ich blieb kurz äußerst verwundert sitzen, stieg dann aber doch aus, nur um festzustellen, dass Sergi bereits ohne mich losgelaufen war. Ich seufzte genervt.

Na das konnte ja was werden, bis ich  mit ihm reden konnte um alles aus der Welt zu schaffen, wenn er mich so dermaßen abblockte.
Ich folgte ihm langsam und als ich die Kabine endlich betrat, war er schon fast komplett umgezogen. Irgendwie machte es mich traurig, dass wir wohl nicht gut genug befreundet gewesen waren, um jetzt reden zu können und das aus der Welt zu schaffen.
"Was ist denn bei euch los?", fragte mich Ivan, der zu mir gekommen war, nachdem er die wohl offensichtlich, frostige Stimmung zwischen Sergi und mir bemerkt hatte.
"Ach nichts, es ist alles gut", blockte ich ab, "haben einfach beide nur einen schlechten Tag."
"Na wenn du meinst", antwortete Ivan und zuckte mit den Schultern.
"Ja, aber Ivan? Danke", brachte ich raus. Er nickte nur und nachdem auch ich mich umgezogen hatte, gingen wir gemeinsam auf den Platz. Sergi war bereits während meinem Gespräch mit Ivan aus der Kabine geschlichen.

Das Auslaufen an sich verlief dann eigentlich wie immer. Bis auf die Tatsache, dass Sergi akribisch darauf achtete, sich von mir fern zu halten. Ivan sagte zum Glück nichts weiter dazu, jedoch spürte ich seinen prüfenden Blick dauernd. Die nächste Gelegenheit mit Sergi zu sprechen, bot sich erst wieder auf dem Weg zum Parkplatz. Er hatte die Kabine wieder ohne mich verlassen, aber ich war ihm schnell gefolgt. Jetzt war er nur noch wenige Meter von mir entfernt und ich rief: "Sergi, warte bitte! Ich muss mit dir reden!"
Zu meiner Verwunderung und Freude blieb er tatsächlich stehen. Etwas, womit ich nach dem Verlauf des heutigen Tages nicht gerechnet hatte.

Er wartete, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Erst dann sagte er: "Was willst du Marc? Ich habe keine Zeit. Ich muss ganz dringend meine Wohnung putzen."
"Deine Wohnung putzen?", fragte ich entgeistert, "dafür hast du jemanden eingestellt."
"Das ähm... Das spielt doch keine Rolle", blockte er ertappt ab.
"Doch, das tut es", mischte sich jemand drittes ein und Ivan tauchte bei uns auf, "ich hab euer komisches Getue satt. Ihr werdet jetzt mitkommen und miteinander reden!", Ivan’s Ton duldete eigentlich keine Widerrede. Dennoch probierte es Sergi, wurde aber von einem giftigen Blick Seitens Ivan zum Schweigen gebracht. "Ihr kommt jetzt mit. Beide." Damit war die Sache für Ivan klar und er drehte sich um, um zurück zur Kabine zu gehen. Nach einem kurzen Blick zu Sergi, folgte ich Ivan. Sergi schloss sich mir an. Die Kabine war zum Glück leer, als wir dort ankamen.
"Setzen", war Ivans knapper Befehl und wir kamen dem nach.
"Was soll das Ivan. Ich hab wirklich keine Zeit, ich muss...", setze Sergi an, wurde aber von Ivan unterbrochen: "Ja ja, ich weiß. Deine Wohnung putzen. Das kannst du auch später irgendwann. Ich will wissen, was gestern Abend passiert ist."
"Ich war betrunken und hab ihn geküsst", antwortete ich Ivan fast sofort, welcher mich daraufhin entgeistert anstarrte.
"Du hast bitte was?", hackte er nach.
"Ich hab Sergi geküsst. ich war zu betrunken und dachte Sergi sei Bernd. Ich… es-es tut mir leid", am Ende glich meine Erklärung einfach nur noch einem Gestammel. Sergi hatte während meinen Worten peinlich berührt zur Seite geschaut. Ivan seufzte tief.
"Okay. Sergi, hast du vielleicht auch noch etwas dazu zu sagen?"
"Nein, nicht direkt... Ich also… Ach Mensch Marc, ich fand den Kuss gar nicht so schlecht", brachte Sergi raus und sprach dabei so schnell, dass ich ihn fast nicht verstand.
"Du… du hast es genossen?", fragte ich verunsichert nach.
"Ja Marc, aber du...", setzte er an und wurde erneut unterbrochen. Dieses Mal jedoch nicht durch einen von uns, sondern durch mein Handy. Etwas verwundert wer mich anrief blickte ich auf das Display und schluckte. Es war Bernds Nummer.
"Ich muss da ran", murmelte ich mehr zu mir, als zu den anderen und nahm das Gespräch an.
"Hallo Bernd", grüßte ich ihn.
"Hallo Marc, mein Engel. Wie geht es dir?", begrüßte Bernd mich und bei seinem Kosenamen für mich krampfte sich mein Herz schmerzhaft zusammen.
"Ganz okay, denke ich", brachte ich heraus. Ich wollte ihm nicht noch mehr Angriffsfläche bieten, indem ich ihm sagte, wie schlecht es mir gerade ging.
"Das freut mich Engel. Ich vermisse dich. Wir müssen uns bald wieder sehen. Ich liebe dich", plapperte Bernd weiter und ich konnte die Tränen nur mühsam zurückhalten. Was sollte das? Wieso quälte er mich so?
"Ja, das müssen wir. Ich dich auch", antwortete ich ihm.
"Ach mein Engel, ich muss leider schon wieder auflegen. Karim wartete auf mich. Wir telefonieren später nochmal, okay?", fragte er mich und in mir stieg die Verbitterung auf. Karim, natürlich. Immer kam Karim uns in den Weg.
"Natürlich. Bis später", erwiderte ich und legte dann auf.
"Warum?", hauchte ich und begann dann haltlos zu weinen. Ivan und Sergi waren mir In diesem Moment egal.

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