Kapitel 72

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Enttäuscht warf ich meine Handschuhe gegen meinen Spind. Da war mehr drin gewesen. Und vor allem hätte dieses dumme Gegentor nicht sein müssen. Unentschieden waren mir noch unangenehmer als jedes verlorene Spiel, da sie meist viele Gegentore mit sich brachten doch heute konnte ich nichts daran ändern. Das Spiel war nunmal 1:1 ausgegangen und es ärgerte mich zu Tode.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Platz fallen. Ich hatte gar nicht die Motivation jetzt noch duschen zu gehen und mich frisch zu machen doch mir blieb keine andere Wahl.
Nach einer guten Viertelstunde saß ich so frisch herausgeputzt wieder im Mannschaftsbus und eine weitere Viertelstunde später schließlich im Gemeinschaftsraum vor einer riesigen Leinwand auf der einige der Jungs FIFA spielten. Ich jedoch hatte mich mit einem Stuhl in eine der hinteren Ecken verzogen und grübelte lieber über das heutige Spiel.
Ich starrte einfach nur vor mich in die Leere und war von daher sehr überrascht als ich auf einmal eine Hand an meiner Schulter spürte. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah in die Richtung aus der die Hand gekommen war. Bernd lächelte mich leicht an und hielt mir einen Kontroller entgegen.
"Es bringt dir nichts das Spiel noch fünfzig Mal durchzugehen. Komm. Lenk dich ein bisschen ab. Das nächste Spiel wird wieder besser", sagte er und drückte mir den Kontroller in die Hand. Verwirrt sah ich von ihm zu dem Gerät in meiner Hand und wieder zurück.
"O-Okay...", stammelte ich nur überfordert hervor. Mit solch einer Geste hatte ich ganz ehrlich nicht gerechnet. Vor allem nicht von Bernd.
"Ich hab schon alles eingestellt. Barcelona gegen Bayern. Hau Josu eine rein", erklärte Bernd noch weiter und zwinkerte mir kurz zu.
"Ey man!", rief eben erwähnter nur empört was mich grinsen ließ und so startete ich schließlich das Spiel.
Mein Grinsen blieb jedoch nicht lange bestehen. Heute war wirklich nicht mein Tag. Ständig drückte ich die falschen Tasten oder rutschte von ihnen ab und so lag ich gegen Joshua in der Halbzeit schon 0:3 hinten.
"Wuhu! Barcelona wird einmal im Leben rasiert und dann auch noch von Bayern!", rief Joshua der von seiner Leistung viel mehr überzeugt war.
"Ich brauch frische Luft...", murmelte ich darauf nur, stand auf und legte den Kontroller auf meinen Stuhl, ehe ich aus der Tür verschwand.
Gedankenverloren wanderte ich zur Lobby unseres Hotels um darauf nach draußen zu gehen und eine Runde um das Gelände zu drehen.
"Hey, Marc! Warte!", hörte ich auf einmal eine Stimme hinter mir und war erneut überrascht als ich sie als Bernd's einordnete. Ich blieb stehen und sah mich zu ihm um.
"Du solltest nicht alleine durch Russland ziehen. Am Ende verirrst du dich noch und das Land ist nicht grade klein", erklärte Bernd seine Präsenz und lächelte mich zaghaft an. Ich ging jedoch nicht weiter auf seinen Witz ein was ihn schlucken ließ.
"Na los, lass uns gehen", sagte er daraufhin schließlich und lief vor aus dem Hotel. Noch immer etwas verwirrt sah ich ihm nach, folgte ihm dann aber.
"Du musst echt aufhören dir die Schuld für das Unentschieden zu geben", sagte er nach einer Weile und brach die Stille.
"Es ist nur alles so scheiße im Moment...", murmelte ich.
"Was genau?"
"Einfach alles", erklärte ich, "dieses Unentschieden. Meine Leistung. Unsere... was auch immer das ist was wir haben. Das ich dich vermisse... Die Zeit vor unserer Trennung vermisse..."
Für ein paar Sekunden war es nach meiner Beichte wieder still und nur unsere Schritte waren zu hören.
"Mir geht es nicht anders...", brach Bernd schließlich die Stille, "ich vermisse die Zeit auch. Sie war wunderschön aber... Aber ich hab auch Angst, dass es wieder so enden wird wie vor ein paar Monaten... Wir sind einfach in manchen Dingen so verschieden. Ich hab Angst, dass wir einfach zu verschieden sind. Und das alles wieder in die Brüche geht. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen als Zeit mit dir zu verbringen, aber jedes Mal wenn du gehst und mir auf Wiedersehen sagst, habe ich Angst, dass es das letzte Mal war. Das unsere Beziehung einfach durch so viele Streitigkeiten gezeichnet ist macht mir Angst. Und ich weiß auch nicht wie genau ich damit umgehen soll."
Nach diesen Worten sah ich Bernd sprachlos an. Seine Rede trug sehr viel wahres in sich.
"Mir geht es auch so", gab ich so zu, "ich hab auch Angst, dass alles wieder in die Brüche geht. Das wir zu verschieden sind. Das unsere Liebe einfach nicht stark genug ist."
"Das glaube ich nicht", unterbrach mich Bernd, "an der Liebe habe ich keine Sekunde gezweifelt. Meine Liebe zu dir ist nämlich viel zu groß als dass sie nicht stark genug wäre. Aber... wenn es bei dir..."
"Nein, Quatsch", unterbrach ich ihn, "meine Liebe zu dir ist auch viel zu stark. Das wird mir auch noch immer jeden Tag auf's neue klar wenn ich nicht in deiner Nähe bin. Ich vermisse dich unheimlich und kann abends kaum schlafen ohne an dich zu denken."
Ein Lächeln schlich sich auf Bernd's Lippen als er neben mir stehen blieb. Erst jetzt hatte ich bemerkt, dass wir bereits wieder im Hotel waren und nun vor meiner Zimmertür standen.
"Mir geht es nicht anders", gestand Bernd nun und sah mir endlich in die Augen, "vielleicht sollten wir das ganze nur dieses Mal langsam angehen. Wir haben niemanden, der uns hetzt. Wir sollten uns die Zeit nehmen einander richtig kennen zu lernen und dann weiter sehen."
Nun huschte sich auch ein Lächeln auf meine Lippen und ich nickte.
"Ja, das klingt gut", stimmte ich ihm zu und eine kurze Stille breitete sich wieder aus.
"Dann... Gute Nacht Marc. Und träum schön", sagte Bernd schließlich, hauchte mir einen Kuss auf die Wange, lächelte mich kurz an und wand sich dann zum gehen ab.
"Gute Nacht Bernd...", hauchte auch ich während ich ihm verträumt nachsah, ehe ich schließlich wieder mit einer viel besseren Laune mein Zimmer betrat.

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