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"Sophie, dein Vater hat angerufen. Du solltest vielleicht lieber zu ihm fahren. Er klang recht sauer", meint Mom zerknirscht als sie am nächsten Morgen mein Zimmer betritt und mit einem schwachen Lächeln zu mir schaut. In ihrem Händen hält sie noch  das Telefon.

Seufzend setze ich mich auf, lege mein Handy zur Seite und fahre mir einmal durch meine Haare.

Ich bin schon etwas wach und wir haben gerade in unserer Urlaubs Gruppe geschrieben um zu schauen wie alles weiter geht jetzt.

"Ist wahrscheinlich eine gute Idee. Er war letztens am Telefon schon so sauer als Leah das mit der Presse abgezogen hat", stimme ich ihr zu und kurz nickt Mom, bevor sie wieder das Zimmer verlässt.

Seufzend stehe ich auf und ziehe mir eine kurze Hose mit einem lockeren Shirt an. Ich packe alles in meinen kleinen Koffer. Sonderlich viel habe ich noch nicht ausgepackt und nach dem Frühstück werde ich am Besten direkt losfahren, sodass ich noch am späten Nachmittag bei Dad ankomme.

"Du machst dir schon wieder viel zu viele Gedanken Schätzchen. Mach dich selber nicht verrückt. Du kennst doch deinen Vater, manchmal ist er etwas gereizt", meint Mom als ich die Küche betrete und lässt die Zeitung in ihren Händen sinken.

"Aber seit ich mit ihm zusammen arbeite habe ich das nicht mehr bei ihm erlebt. Ich frag mich einfach ob was passiert ist", Murmel ich und lasse mich an den Frühstückstisch sinken. Ich bediene mich und nehme einen Schluck meines Kaffees.

"Falls etwas sein sollte wird er dir das mit Sicherheit sagen. Mir gegenüber hat er jedenfalls nichts erwähnt bisher", versucht Mom mich aufzumuntern. Mein Blick wandert auf die Zeitung und automatisch sehe ich die große dickgedruckte Überschrift eines Artikels.

Während ich auf meinem Frühstück rumkaue, drehe ich die Zeitung zu mir und lese die Überschrift nochmal.

'Fußballer Ibiza Urlaub-Gruppe macht eine Schlagzeile nach der nächsten: Luca Waldschmidt veröffentlicht Nacktbilder von sich selbst. Was folgt als nächstes?'

Schnaubend drehe ich die Zeitung mit dem Artikel nach unten und schaue aus dem Fenster. Unfassbar. Die Presse hat völlig verrückte Spekulationen aufgestellt. Ob Jo nun vielleicht mit dem Fußball aufhört, Marco sich den gesamten Körper tätowieren lässt und noch ganz andere verrückte Dinge.

"Ach Soso, lass die Presse reden. Du kennst das doch", lächelt Mom aufmunternd und lenkt mich sofort mit einem anderen Thema ab. Nach dem Frühstück helfe ich noch schnell beim Abwaschen und steige dann wieder in mein Auto ein.

Während der stundenlangen Fahrt versuche ich mich mit guter Musik abzulenken und zu entspannen. Der Verkehr ist furchtbar. Überall drängeln die Leute, überholen an unmöglichen Stellen und halten sich alles andere als an die Verkehrsregeln.

Erleichtert stelle ich den Motor aus, als ich auf den Hof von Dad fahre. Mein Blick wandert zu der Haustür, in der mein Vater bereits steht und mit einem Lächeln beobachtet wie ich den Koffer aus dem Kofferraum hole.

Sein Gesichtsausdruck beruhigt mich schonmal etwas. Er sieht gelassen aus.

"Hallo Dad, schön dich zu sehen", lächel ich ihn an und schließe ihn in eine feste Umarmung.

"Hallo Schätzchen. Schön, dass du vorbei schaust", lächelt Dad, gibt mir einen Kuss auf die Wange und zieht dann meinen Koffer in das Haus. Auch ich trete ein und schließe die Tür hinter mir.

In der Küche macht Das mir einen Kaffee und das Essen von heute Mittag netterweise noch einmal warm. Ich habe wirklich riesig Hunger!

Wir unterhalten uns etwas über nicht wirklich wichtiges Zeug und während ich esse entsteht irgendwie eine unangenehme Stille zwischen uns. Das kenne ich nicht. Dad und ich haben uns immer super gut verstanden und wir hatten nie wirklich ein Problem miteinander.

"Dad, was ist los?", frage ich zaghaft als mein Teller leer ist und lege leise das Besteck zur Seite. Aufmerksam schaue ich ihn an und verfolge genau wie er angestrengt seine Stirn in Falten legt und schließlich aufseufzt. Er ringt mit sich selbst und überlegt ob er es mir wirklich sagt. Was ist los mit ihm?

"Es ist nichts wirklich. Ich habe nur wirklich ziemlich viel Stress. Die letzten Tage hatte ich einen Termin nach dem anderen und das wird vermutlich auch demnächst erst einmal so weiter gehen. Der DFB ist mit den jetzigen Spielen sehr zufrieden, also muss die Mannschaft auf diesem Niveau bleiben sonst verliere ich doch noch den Job. Ich arbeite die ganze Zeit an neuen Taktiken, überlege wie die Spieler noch mehr aus sich raus holen können. Das stresst mich einfach alles gerade etwas, aber mach dir keine Sorgen um mich. Tut mir leid, dass ich dich am Telefon so angefahren habe Schätzchen", erzählt mir mein Vater und aufmerksam höre ich ihm dabei zu.

"Dad, ich weiß es ist leichter gesagt als getan aber Stress dich selber nicht so. Ich bin deine Tochter und Kollegin. Sprich doch mit mir darüber. Ich kann Termine übernehmen und wir sollten gemeinsam an neuen Taktiken arbeiten. Ein paar Ideen habe ich schon und auch wie manche der Spieler noch mehr aus sich heraus holen können. Du musst das nicht alles alleine machen, dafür hast du doch mich und die anderen. Also entspann dich Mal etwas und lehn dich zurück", lächel ich sanft und mein Vater nickt leicht.

"Ich weiß ja. Aber um ehrlich zu sein macht eure Gruppe mit den schlechten Schlagzeilen das alles nicht gerade besser", lacht er leicht auf, meint es jedoch total ernst und sofort plagen mich Schuldgefühle.

"Du hast einiges verpasst in den letzten Wochen", Murmel ich und beginne ihm dann alles zu erzählen. Aufmerksam hört er mir zu und sieht am Ende etwas blass um die Nase herum aus.

"Wieso hast du denn nie was gesagt? Ich dachte du hättest vier wunderschöne Wochen und stattdessen habt ihr euch fast getrennt und ein kleiner Junge ist in deinen Armen gestorben", meint Dad schockiert und schaut mich mitleidig an.

"Ich musste selber erstmal damit halbwegs klar kommen und euch wollte ich da wirklich nicht mit reinziehen. War scheinbar ja auch gut so. Sonst hättest du noch mehr um die Ohren gehabt", lächel ich schwach und Dad seufzt auf.

"Schätzchen, dein Wohl ist mir unfassbar wichtig, genau wie deiner Mutter. Bitte ruf mich das nächste Mal an oder komm direkt vorbei. Wir sind deine Eltern und beide jederzeit für dich da", meint Dad ernst und dieses Mal nicke ich.

"Wie kommst du damit zurecht? Besonders mit dem Unfall? Brauchst du Hilfe oder etwas derartiges?", erkundigt er sich dann besorgt und mustert mich aufmerksam.

"Es geht. Felix war die ersten Tage viel für mich da und auch jetzt. Heute Nacht habe ich schlecht geträumt wieder, weil gerade alles hochkommt. Aber ich denke ich schaff das irgendwie. Schließlich habe ich alles versucht was ich konnte und ihn in seinen letzten Minuten noch ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert", beantworte ich seine Frage und werde am Ende leiser und unsicherer.

Nervös knete ich meine Hände und beiße mir auf die Unterlippe.

"Ich bin immer für dich da wenn du tiefer darüber reden willst. Das weißt du", bietet Dad mir an und kurz nicke ich.

Da ich bereits mit Mom schon viel darüber geredet habe und Dad jetzt auch nochmal alles erzählt habe kommt irgendwie alles wieder hoch. Ich weiß, dass ich nichts an der Situation hätte ändern können aber es beschäftigt einen stark.

"Lass uns nach draußen setzen und etwas über neue Taktiken reden. Und ich muss dir unbedingt von meinen neuen Ideen erzählen", lächel ich Dad an, um das Thema zu wechseln und stehe vom Stuhl auf.

Auch Dad steht auf und gemeinsam setzen wir uns nach draußen um über neue Ideen und Pläne zu reden. Ich schreibe fleißig Notizen mit und erstelle anschauliche Übersichten, sodass wir nichts vergessen und gut weiter planen können.

"Wieso habe ich nicht schon früher mit dir zusammen gearbeitet?", lächelt Dad als wir beschließen die Arbeit bei Seite zu legen und er doch noch zufrieden auf die Übersichten schaut.

"Weil ich bis letztes Jahr noch zur Schule gegangen bin", grinse ich und lehne mich etwas weiter in den Stuhl zurück. Zufrieden greife ich nach meinem Eiskaffee und wende meinen  Blick dem Sonnenuntergang zu.

Auch wenn nicht immer alles perfekt läuft, manche kleine Augenblicke können den Tag noch retten. Und den Tag gemeinsam mit meinem Vater zu verbringen, in dem Haus in dem ich aufgewachsen bin, hilft mir deutlich.

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Die Tochter des Trainers // Felix Götze FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt