Mulligatawny

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Da ist ein Zimmer am Ende des Flurs,
in das lässt du mich nicht rein.
Die Türe ist versiegelt und dahinter tickt die Uhr
immer noch in der Vergangenheit.

(Maxim - Scherzkerzen)

Harry zog die Nase hoch und rutschte ein Stück höher auf den mächtigen Ast der Buche, auf dem er saß. Das Blätterwerk um ihn herum rauschte im scharfen Wind, während er beobachtete, wie der Regen an der Oberfläche des Schutzzaubers abperlte, die vorbeifahrenden Autos nicht mehr als bunte Schatten hinter seinem Fokus. Vage erinnerte er sich an kleine Szenen aus Muggelfilmen, die Dudley früher angesehen hatte, während er alle möglichen und unmöglichen Hausarbeiten erledigt hatte. Kriminalfilme, in denen die Ermittler ohne den Luxus von Magie zurechtkommen mussten. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie klamm und ungemütlich es während einer langen Observation im Auto ohne Wärme- und Frischluftzauber werden konnte. Dagegen war diese Buche, ihr mit einem Komfortzauber ausgestatteter Ast und die Schutzblase, die den Regen fernhielt, die reinste Offenbarung.

Mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen wandte er sich Ron zu, um ihn an diesem Gedanken teilhaben zu lassen, doch die gerümpfte Nase seines Freundes hielt ihn davon ab. Unverwandt starrte er auf das Fenster von Imogen Baskin, das sich hell gegen den grauen Tag abhob. Die junge Studentin saß an ihrem Schreibtisch und schrieb auf ein Pergament. Selbst nach vier Tagen fiel es ihr sichtlich schwer, die Anwesenheit der Auroren vor ihrem Fenster zu vergessen; immer wieder starrte sie zu ihnen hinauf, ohne sie durch den Illusionszauber überhaupt sehen zu können.

„Was meinst du", brach Harry schließlich doch das Schweigen, „ob der Typ heute endlich auftaucht?"

Ron zuckte gedankenverloren mit den Schultern. „Ich könnte mir bei diesem Wetter besseres vorstellen, als meine Exfreundin umzubringen."

„Ich hoffe sehr, du kannst dir auch bei strahlendem Sonnenschein besseres vorstellen, als deine Exfreundin umzubringen", erwiderte Harry trocken.

Das riss Ron aus seinen Gedanken. Betreten tauschte er einen Blick mit seinem Freund und Vorgesetzten und wischte sich über das Gesicht. „Natürlich", nuschelte er. Es knackte und rauschte, als eine stärkere Windböe durch die Baumkronen fegte; der Ast, auf dem sie saßen, schwankte träge.

Einen Moment lang kehrte Schweigen ein und Harry überlegte, ob er wirklich dieses spezielle Thema ansprechen und weiter in der Wunde bohren sollte. Doch die Art, wie Ron auf der Innenseite seiner Wange herumkaute und sich wieder auf ihren Auftrag konzentrierte – so intensiv als stünde er unter Hypnose – weckte in Harry den Verdacht, dass sein bester Freund Redebedarf hatte.

„Wie geht es Rose?"

Zuerst bekam er wieder nur ein Schulterzucken zur Antwort. Dann jedoch bestätigte sich Harrys Verdacht: „Ich weiß es nicht. Die letzte Nacht war nicht so gut. Hermine hat mit ihr im Kinderzimmer auf dem Schaukelstuhl geschlafen. Heute Morgen hat man ihr nichts angemerkt, aber diese Nächte werden immer häufiger." Er stockte und wischte sich über die Augen, wie um die klebrigen Finger der Müdigkeit zu verscheuchen. Seine Stimme versank fast vollständig im anschwellenden Rauschen des Regens, als er hinzufügte: „Letztens ist sie einfach umgefallen. Mitten aus dem Stand heraus. Als hätte ... jemand ihr den Boden unter den Füßen weggezogen." Er schluckte. „Es wird immer schlimmer, Harry."

Der starrte mit schmalen Augen auf das gegenüberliegende Mehrfamilienhaus, auf Imogen Baskin, die sich gerade die langen blonden Haare ausschüttelte und zu einem frischen Knoten band. Dann kehrte er zu seinem Freund zurück und nickte. „Ich weiß. Aber du darfst nicht aufhören, an eine Lösung zu glauben."

„Das tue ich nicht. Es gibt sogar einen echten Grund zur Hoffnung." Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, ehe er fortfuhr: „Hermine war gestern wieder in Hogwarts. Wie es aussieht, hat Snape vor seinem Tod an einem Trank geforscht, der uns nützlich sein könnte."

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