... und zweites Leben

110 16 6
                                    

I want to be a hunter again.
I want to see the world alone again
to take a chance on life again.
So let me go.

(Dido - Hunter)

Ethan hasste das St.-Mungos. Er hasste den Flur, der von der Abteilung für magische Krankheiten abzweigte. Er hasste jede Tür in diesem Flur, jedes Bild dazwischen. Und er hasste die blöde Palme, die zwischen den Stühlen im Wartebereich stand. Aber ganz besonders hasste er das Spielzeug, das hier in einer Kiste stand. Er warf ihm einen bösen Blick zu, bevor er sich auf einen der Stühle zurückzog.

„Hast du eine Idee, was wir nachher machen wollen?", fragte Isaac, nachdem er sich neben ihn gesetzt hatte.

Ethan schüttelte den Kopf.

„Hast du überhaupt Lust, noch was zu machen?"

Er zuckte mit den Schultern.

Isaac seufzte und griff nach Ethans Hand. Einen Moment lang ließ er es zu, dann zog er seine darunter hervor und sah stur auf den Boden vor seinem Stuhl. Ihm tat der Hals weh und seine Brust fühlte sich ganz eng an. Immer wenn er hier war, konnte er kaum atmen. Er wusste nicht mal, warum das so war. Hier war nie etwas Schlimmes passiert. In dem anderen Krankenhaus, bei den Muggeln, war es schlimmer gewesen. Das Schlimmste, was sie hier mit ihm machten, war, ihm einen Trank zu geben, der ekelhaft schmeckte.

Und trotzdem ...

Wenn er mit seiner Mum hier gewesen war, hatte sie immer diesen Blick gehabt. Sie hatte versucht, ihn ihn nicht sehen zu lassen und hatte gelächelt, wenn er sie angesehen hatte. Sie hatte gescherzt und ihn auf den Schoß genommen und über irgendwas Blödes mit ihm geredet. Hatte ihn gefragt, was er später essen wollte und so. Aber manchmal hatte er sie angesehen, ohne dass sie es bemerkt hatte, und dann hatte sie diesen Blick gehabt.

Jetzt hatte sie nichts mehr und das war noch schlimmer.

Er war jetzt zum zweiten Mal mit Isaac hier. Zur Kontrolle. Inzwischen verstand Ethan, was das bedeutete. Nachdem seine Mum gestorben war, hatte er Isaac alle möglichen Fragen gestellt, weil er verstehen wollte, warum sie nicht mehr da war. Er hatte sich früher nie Gedanken darüber gemacht, warum sie so oft in Krankenhäusern gewesen waren. Es war einfach so. War schon immer so gewesen. Jedenfalls soweit er sich erinnern konnte. Denn auch immer, wenn er seine Mum danach gefragt hatte, hatte sie diesen Blick gehabt und er mochte es wirklich nicht, wenn sie diesen Blick hatte. Also hatte er aufgehört zu fragen. Aber jetzt verstand er.

Isaac sah ihn anders an, wenn er ihn diese Dinge fragte. Er sah ihm in die Augen und war ehrlich zu ihm. Manchmal sagte er auch, dass er ihm eine Frage nicht beantworten konnte, weil er die Antwort nicht wusste. Aber dann versprach er ihm sie rauszufinden und beantwortete seine Frage später. Ethan liebte seine Mum, aber er wünschte sich, sie hätte ihm früher erzählt, was mit ihm nicht stimmte.

Daran dachte er, wenn er in diesem Wartebereich saß und die blöde Kiste mit dem Spielzeug sah und deswegen hasste er alles hier.

Irgendwann ging endlich die Tür rechts neben ihm auf und Ethan erkannte seine Heilerin schon an den Schuhen. Sie trug immer bunte Schuhe. Manchmal waren sie rot, manchmal pink, heute waren sie gelb. Er rutschte vom Stuhl und ging an ihr vorbei in das Zimmer, ohne sie anzusehen.

„Mr Phillips", hörte er die Heilerin sagen.

„Hallo, Heilerin Goodale."

Sie schloss die Tür hinter ihnen und ging vor Ethan in die Hocke. „Hallo, Ethan", sagte sie mit einem Lächeln, aber er sah sie nur an.

About MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt