Ein Schritt weiter

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'Cause the line between
wrong and right
is the width of a thread
from a spider's web.
The piano keys are black and white
but they sound like a million colours in your mind.

(Katie Melua – Spider's Web)

Bill stand am Bett seines jüngsten Kindes, als wäre es sein erstes. Er konnte nicht aufhören, das faltige rote Gesicht anzustarren. Die Nase war noch ein bisschen platt und die Augen ganz geschwollen, in den blonden Haaren klebten Reste der Käseschmiere. Es war das Schönste, was er jemals gesehen hatte.

„Gib es su, du liebst ihn mehr als misch", sagte Fleur, aber es stand ein Lächeln auf ihrem zutiefst erschöpften Gesicht.

„Du doch auch", entgegnete Bill grinsend.

„Ja", sagte sie inbrünstig und sah das Baby an.

Bill seufzte. Alle hatten gesagt, beim dritten Kind würde es schnell gehen. Eine unkomplizierte Geburt, sie sollten sich rechtzeitig auf den Weg ins St.-Mungos machen. Aber nichts an dieser Geburt war schnell gegangen. Nichts daran war unkompliziert gewesen. Bill hatte nicht ganz verstanden, was passiert war, aber es war auf einmal sehr hektisch geworden im Kreißsaal. Zauber waren gesprochen, Tränke verabreicht worden. Er hatte sich ausgeschlossen und an den Rand gedrängt gefühlt, nicht mal Fleurs Hand hatte er halten dürfen. Die Welt war zusammengeschrumpft auf die Größe eines Stecknadelkopfes, in dem die Angst eines ganzen Planeten gesteckt hatte. Bill hatte geglaubt, explodieren zu müssen.

Und dann hatte Louis geschrien. Und Fleur geweint. Und er auch. Ein bisschen. Gut, ein bisschen viel.

„Das ist das leste Kind", sagte Fleur in seine Gedanken hinein. „Wir werden keine Quidditsch-Mannschaft voll machen, Bill."

Er lachte und ging zu ihr, setzte sich auf die Bettkante und nahm sie in den Arm. „Werden wir nicht", versprach er und küsste sie auf die noch immer feuchten Haare. Schloss die Augen und atmete langsam aus. „Ich hatte Angst um euch", murmelte er.

„Isch auch." Sie griff nach seinem Arm und zog ihn noch näher an sich heran. Für eine Weile wurde es still zwischen ihnen, dann holte Fleur tief Luft, so als hätte sie sich aus einem Dämmerschlaf gerissen. „Du musst Victoire und Dominique von deinen Eltern ab'olen. Und sag ihnen, sie sollen morgen 'erkommen. Ich kann 'eute nischt deine Eltern aus'alten."

Er lächelte gegen ihre Schläfe. „Mach ich. Darf ich denn heute Abend noch mal herkommen?"

„Natürlisch! Bring die Kinder mit, sie fehlen mir."

„Jetzt schon?"

„Immer." Sie sah ihn mit ihren klaren blauen Augen an, die ein bisschen feucht wurden, jetzt wo sie an die beiden Mädchen dachte.

Bill beugte sich zu ihr und küsste sie, zärtlich und hingebungsvoll. „Ich bin so stolz auf dich", flüsterte er.

„Isch liebe disch", entgegnete sie mit ihrem anbetungswürdigen französischen Akzent, der ihm auch heute noch die Knie weich werden ließ. Diese Frau ... diese absolut unglaubliche Frau liebte ihn. Wenn er kein Glückspilz war, dann wusste er auch nicht mehr.

Also tat Bill, was Fleur ihm aufgetragen hatte. Er holte Victoire und Dominique ab, ließ sich von seiner Mutter umarmen und von seinem Vater auf die Schulter klopfen, rang ihnen das Versprechen ab, erst morgen ins St.-Mungos zu gehen und reiste mit den Kindern durch den Kamin nach Shell Cottage. Während die Mädchen nach draußen verschwanden, ging Bill gähnend in die Küche. Vielleicht konnte er eine Stunde schlafen, bevor er zurück ins Krankenhaus ging.

Und dann begegnete er dem Blick des Steinkauzes, der auf dem Küchentisch saß. Und zwei Häufchen gemacht hatte. Und irgendwie vorwurfsvoll aussah, als er ihm das Bein entgegenstreckte, damit Bill ihm den Brief abnahm. Der besänftigte ihn mit einem Eulenkeks und nachdem er den Tisch sauber gemacht hatte, setzte er sich und öffnete den Brief.

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