Ein grauer Dezembertag

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I'm not your son,
you're not my father.
We're just two grown men saying goodbye.

(James Blunt - Monsters)

Severus stand mit einer Schulter gegen den Türrahmen gelehnt und beobachtete Harold dabei, wie er die Papiertüten auspackte und den Einkauf verstaute. Seine Bewegungen waren langsamer als sonst, er war ein bisschen steifer und deutlich kurzatmiger, als Severus ihn in den letzten fünfeinhalb Jahren, die er sich jetzt schon mal mehr, mal weniger intensiv um ihn kümmerte, jemals gesehen hatte. Jedenfalls nicht mehr, seitdem er ihn regelmäßig mit dem Tonikum versorgte.

„Geht es dir gut?", fragte er mit gerunzelter Stirn.

„Ja", sagte er knapp und stieß die Kühlschranktür zu, bevor er sich zu Severus umdrehte. „Hast du Zeit?"

„Hab ich die jemals nicht?", fragte Severus und zog eine Augenbraue hoch. Wenn er herkam, brachte er immer Zeit mit. Manchmal nutzte Harold sie, manchmal nicht. Severus hatte aufgehört, irgendetwas von ihm zu erwarten. Seitdem Hermine ihn vor Jahren darauf aufmerksam gemacht hatte, wie ähnlich sie einander waren, fiel es ihm leicht, mit Harold umzugehen.

Nun ging er an Severus vorbei und durch den Flur ins Wohnzimmer. Er hielt immer eine Hand an der Wand und schnaufte hörbar. Severus presste die Lippen aufeinander, bevor er ihm folgte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Bekam er eine Erkältung? Die richtige Jahreszeit dafür war es. Der November hatte Spinner's End in Nebel und Kälte getaucht, alles fühlte sich feucht und klamm an und von seinem Wohnzimmerfenster aus konnte Severus Harolds Haus manchmal kaum noch erkennen.

So in seine Gedanken vertieft, achtete Severus gar nicht darauf, was auf dem Tisch im Wohnzimmer lag. Normalerweise spielten sie Karten; Harold war ein wirklich guter Pokerspieler und hatte Severus in die Feinheiten dieses Spiel eingeführt. Dafür war er ein miserabler Schachspieler, genauso wie Hermine. Nach wie vor hatte Severus nur Filius, um dieser Leidenschaft nachzugehen.

Aber heute lag nicht das Kartendeck auf dem Tisch. Heute war es ein Spielbrett. „Ludo*?", fragte Severus und zog eine Augenbraue hoch.

„Ja", schnaufte Harold und sah ihn mit schmalen Augen an. „Ist das ein Problem für dich?"

Severus schüttelte den Kopf und stellte die gelben Figuren für sich auf, Harold nahm die blauen. Er würfelte eine Vier, eine Eins und eine Drei, Harold eine Zwei, eine Drei und eine Vier. Als Severus das nächste Mal dran war, würfelte er eine Sechs und zog seine erste Figur aufs Spielfeld, während er aus dem Augenwinkel Harold musterte. Er sah blasser aus als sonst und als er endlich selbst eine Sechs würfelte und die Hand nach der ersten Figur ausstreckte, zitterte sie.

Sie spielten eine ganze Weile lang schweigend; Severus hatte schon seine erste Figur im Ziel und Harolds zweimal rausgeworfen, bevor der fragte: „Hab ich dir eigentlich jemals von meiner Familie erzählt?"

- - -

„Wozu muss ich das überhaupt können, wenn ich nachher eh nach ..." Rose brach ab und sah sich nach Iain und Agnes um, auf die Hermine an diesem Samstagnachmittag aufpasste, bevor sie leise fortfuhr: „... nach Hogwarts gehe?" Sie schnaufte und warf den Füller von sich, wobei ein paar Spritzer Tinte auf dem Heft landeten. Mit verkniffenem Mund lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du musst es können, weil auch dort jemand versuchen wird, dich übers Ohr zu hauen", entgegnete Hermine geduldig.

„Fred und Roxanne gehen auch nicht in die Muggelschule", murmelte sie unzufrieden.

„Dafür unterrichtet Angelina sie zu Hause."

„Ich würde auch lieber zu Hause unterrichtet werden." Ihr Blick wanderte wieder zurück zum Wohnzimmerboden, wo Agnes mit roten Wangen dabei war, eine ihrer Puppen umzuziehen, während Iain in ein Comicbuch vertieft war. Neben den beiden hätte vermutlich eine Bombe explodieren können, ohne dass sie es bemerkt hätten.

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