Abschiede - Teil II

115 17 12
                                    

I'll give you everything I have,
I'll teach you everything I know,
I promise I'll do better.
I will always hold you close,
but I will learn to let you go,
I promise I'll do better.

(Sleeping at Last - Light)

Seufzend sank Isaac zurück aufs Bett und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Was war das bloß für ein Albtraum, in den sein Leben sich verwandelt hatte? Er rieb sich über die Augen und sah zum Bild auf dem Nachtschrank hinüber. Pauline lächelte ihn an, Amanda winkte ihm zu. Isaac schloss die Augen. So oft war seine Welt inzwischen schon zusammengebrochen ... So oft hatte er die Einzelteile genommen und sie Stück für Stück wieder zusammengesetzt.

Das erste Mal war es bei Amandas Diagnosestellung gewesen. Fünf Jahre war das inzwischen her. Pauline und er hatten geplant, ein zweites Kind zu bekommen, aber danach hatte Amanda oberste Priorität gehabt und der Gedanke an ein zweites Kind hatte sich schnell verloren. Sie hatten ein Kind und sie würden es verlieren. Damals hatten sie beide zusammen die Scherben aufgesammelt und sie mit vielen Tränen, viel Wut und noch viel mehr Liebe wieder zusammengesetzt.

Das zweite Mal war alles zerbrochen, als Pauline gestorben war. Isaac hatte wenig Erinnerungen an die Zeit danach. Amanda war gerade fünf gewesen, sie hatte nicht begreifen können und nicht begreifen wollen, warum ihre Mum nicht zurückkommen würde, obwohl sie doch nur kurz in die Apotheke hatte gehen wollen. Wie auch? Er begriff es ja selber nicht. Er verstand rational, was die Auroren ihm sagten. Dass ein Abhängiger ausgerastet war, als man ihm nicht die Tränke verkaufen wollte, die er haben wollte, und dass Pauline im daraus entstandenen Chaos so hart von einem Fluch getroffen worden war, dass sie in eines der riesigen Regale gestürzt und darunter begraben worden war. Sein Kopf verstand, was das bedeutete. Sein Kopf produzierte Bilder von seiner Frau, wie sie unter Trankzutaten und Phiolen begraben in dieser Apotheke lag und gestorben war, bevor ihr jemand hatte helfen können. Allein. Aber begreifen? Nein. Das war ihm bis heute nicht gelungen. Er fühlte sich immer noch, als wäre Pauline in einem sehr langen Urlaub.

Aber auch da hatte er irgendwie die Bruchstücke genommen und notdürftig zusammengebaut. Er hatte das, was von seinem Leben übriggeblieben war, mit magischem Klebeband umwickelt, weil er ein krankes Kind zu Hause hatte, das wütend genug für sie beide gewesen war. Er hatte funktionieren müssen. Ab und zu war eines der Bruchstücke herausgefallen und er hatte es mit noch mehr Klebeband umwickelt, damit es hielt. Und je öfter er das tat, desto fester wurde sein Entschluss, seiner Familie zu folgen, sobald Amanda ... Er wollte nicht mehr hier sein, wenn er seine beiden Frauen hatte gehen lassen müssen.

Und dann war Evie in seinem Leben aufgetaucht. Isaac schnaubte leise. Evie war ... Sie war eine Naturgewalt. Eine leise zwar, aber eine Naturgewalt. Sie hatte sich einfach geweigert, ihn wieder allein zu lassen, nachdem sie einander im St.-Mungos begegnet waren in dieser unsäglichen Sprechstunde für Kinder wie ihre. Das war inzwischen zwei Jahre her. Ständig hatte sie ihm geeult oder war in seinem Kamin aufgetaucht. Hatte gefragt, ob sie sich nicht mit den Kindern treffen wollten. Amanda war zwar drei Jahre älter gewesen als Ethan, aber sie hatten sich verstanden. Genauso wie Ethan und Rose sich verstanden. Es war einfach unwichtig, wie alt sie waren. Noch war es das.

Also hatten sie sich getroffen und hatten sich verstanden und als Amanda dann tatsächlich gestorben war ... Da hatte er es nicht mehr über sich gebracht, Evie allein zu lassen. Sie hielt sich genauso sehr an ihm fest, wie er sich an ihr festhielt. Sie hatte ihn am Leben gehalten. Sie war der Grund, warum es ihn heute noch gab.

Und jetzt würde auch sie gehen.

Er biss die Zähne aufeinander, ballte die Hände zu Fäusten. Er würde nicht schon wieder weinen. Er hatte genug Tränen für fünf Leben vergossen, es reichte. Er würde ... Isaac wusste nicht genau, was er tun würde. Er wusste nicht, wie er die Splitter seines Lebens dieses Mal wieder zusammensetzen sollte. Er wusste auch beim zweiten Mal nicht, wie er dem fünfjährigen Kind helfen sollte, das seine Mutter verlieren würde. Er wusste nur, dass er es irgendwie hinkriegen würde, denn Evie hatte ihn darum gebeten und weder er, noch Pauline oder Amanda würden es ihm jemals verzeihen, wenn er Ethan im Stich ließ. Er würde das irgendwie hinkriegen.

About MagicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt