Die warme Stimme im Ohr

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Du bist schon da, ganz nah,
ich kann dich spüren.
Lass mich verführen, lass mich entführen,
heute Nacht zum letzten Mal,
ergeben deiner Macht.

(Falco – Out of the Dark)

Julie saß gegen das Kopfende des Bettes gelehnt, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß. Aber ihr Blick glitt darüber hinweg ins Halbdunkel auf der anderen Seite des Schlafzimmers. Sie kaute auf ihrem Daumennagel und zuckte zusammen, als Domhnall die Tür hinter sich anlehnte. Er lächelte. „Denkst du schon wieder über Namen nach?"

Sie lächelte müde, als er zu ihr unter die Bettdecke kroch, und schlug das Buch zu. „Nein, keine Namen", versprach sie und fuhr mit ihren Fingern durch seine dunklen Haare, als er sich zu ihrem noch kleinen Bauch lehnte und ihn durch ihr T-Shirt küsste. „Schläft Iain?"

„Wie ein Baby", murmelte Domhnall.

„Gut. Er hat dich vermisst heute."

„Warum?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Hat er dir nichts gesagt?"

„Nein."

„Hm."

Mit gerunzelter Stirn lehnte er sich neben ihr gegen das Bett. Iain hing sehr an ihm, das wusste er, aber sie hatten zusammen gefrühstückt und er hatte ihn zur Schule gebracht. „Vielleicht macht ihn das Baby auch ein bisschen nervös", überlegte Domhnall leise.

„Ja, vielleicht." Julie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter.

„Ist es das, worüber du nachdenkst?"

Sie seufzte. „Nein."

„Was ist los, Julie?" Er griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Betrachtete sie wie das Wunder, das seine Ehe immer noch für ihn war. Manchmal wachte er morgens auf der Seite liegend auf und war überzeugt, dass, wenn er sich umdrehte, da nur die Wand seines früheren Apartments sein würde. Manchmal war es so unfassbar, dass Julie sich für ihn entschieden hatte und sie jetzt ein zweites Kind bekommen würden, dass er sie sehen musste, um es glauben zu können.

„Ich hab vor ein paar Tagen mit Hermine geredet und ... sie hat mir etwas erzählt." Ihre Stimme klang ungewöhnlich belegt.

„Aha", sagte Domhnall und runzelte wieder die Stirn. „Was hat sie dir erzählt?"

Sie schwieg sehr lange und auch ohne sie anzusehen, wusste er, dass sie sich auf die Lippe biss. Sie tat das immer, wenn sie ihm etwas sehr dringend oder gar nicht sagen wollte – wobei letzteres nur selten vorkam. Aber was sie schließlich sagte, gehörte definitiv dazu: „Sie ist trockene Alkoholikerin, Domhnall."

Es dauerte einige Sekunden, bis die Bedeutung ihrer Worte ihn erreicht hatte. Und dann versteifte er sich. „Was?", fragte er tonlos.

Julie legte ihre Hand an seine Wange und drehte sein Gesicht zu sich. „Sie ist nicht wie dein Vater, Schatz. Das weißt du, oder?"

Er schluckte schwer, kniff die Augen zusammen. „Warum hat sie das nicht erzählt?"

„Hat sie doch."

„Nein, früher! Warum hat sie uns das nicht früher erzählt?" Er zog seine Hand zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Julie seufzte. „Ich nehme an, sie hatte Angst davor."

Er schnaubte und warf die Bettdecke von sich, stand auf. „Wir ... wir wollten sie zur Patin machen, Julie!", sagte er laut.

„Shh! Du weckst Iain!"

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