Das Versprechen

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Honey, you're familiar like my mirror years ago.
Idealism sits prison, chivalry fell on it's sword,
innocence died screaming.
Honey, ask me I should know.
I slithered here from Eden just to sit outside your door.

(Hozier – From Eden)

Sie konnte ihn riechen, bevor sie ihn hörte. Er brachte immer einen ganz eigenen, sehr sonderbaren Geruch mit sich, den sie nicht richtig benennen konnte. Es war ein herber Geruch, eher unangenehm, wenn er zu intensiv wurde; aber inzwischen verband sie ihn so sehr mit Jacob, dass sie es mochte, wenn er ihre Nase streifte.

Edith quälte sich aus den Fängen des Schlafes. Er war wie warmes Wasser, das über sie hinwegschwappte und sie nach unten zog; manchmal konnte sie noch so viel strampeln und erreichte doch nicht die Oberfläche. Es gab inzwischen auch nicht mehr viel, das es sie überhaupt versuchen ließ. Hier unten war es warm und still und sie spürte keine Schmerzen mehr.

Sie hatte schon immer gern geschlafen, war schon immer eine Nachteule gewesen. Andrew hatte sie damit ständig aufgezogen, wenn er wortwörtlich mitten in der Nacht aufgestanden war. Manchmal war es noch nicht mal hell gewesen. Edith hatte nie verstanden, warum er das tat. „Das liegt an der Armee", hatte er immer gesagt, „Ich krieg's nicht mehr raus."

Es machte sie immer ein bisschen nervös, wenn er anfing, von der Armee zu sprechen. Nicht nur weil sie mit ihm nach dem zweiten Weltkrieg nach England gegangen war und ihre Familie entehrt hatte, wie ihr Vater behauptet hatte, sondern auch weil der Gedanke an den Krieg ihr Angst machte. Sie hatte ihn erlebt, den Krieg. Sie wollte nicht mehr daran denken oder darüber reden. Nicht mal so.

Irgendwann hatte es dann auch nicht mehr am Einfluss der Armee gelegen, dass Andrew so früh aufgestanden war. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten, mit ihr in einem Bett zu liegen. Nach fünf Fehlgeburten hatten sie dort beide nichts Gutes mehr gefunden, vor allem keine Ruhe.

Das war ihre Strafe. Edith hatte diesen Gedanken niemals laut ausgesprochen, aber er saß ganz tief in ihrem Kopf. Die Kinderlosigkeit war ihre Strafe dafür, dass sie ihre Familie entehrt und sich in einen englischen Soldaten verliebt hatte. Manchmal war sie überzeugt gewesen, dass Andrew das Gleiche gedacht hatte. Dann hatte er sie auf eine Art angesehen ... Edith wusste es einfach. Er hatte insgeheim das Gleiche gedacht.

Eigentlich erstaunlich, dass es sie nur ihre gemeinsame Nachtruhe gekostet hatte. Damals hatte es vermutlich nicht viele Männer gegeben, die nach außen hin so unerschütterlich hinter ihrer Frau gestanden hätten, wenn sie es noch nicht mal schaffte, ihnen einen Stammhalter zu schenken. Andrew hatte das getan. Sie waren einander irgendwann nicht mehr besonders nahe, aber sie waren ein Team gewesen und er hätte sie niemals im Stich gelassen.

Edith seufzte leise. Das alles war so lange her ... Andrew war seit zwanzig ... nein, einundzwanzig Jahren tot. Sie hatte gewusst, dass sie vermutlich irgendwann allein zurückbleiben würde, er war immerhin fünfzehn Jahre älter gewesen als sie. Aber sie hatte nicht geglaubt, dass sie noch so lange ohne ihn durchhalten würde. Sie hatte sich auch lange gefragt, wofür sie das tat. Und vielleicht war es absurd und sicherlich würde er sie dafür auslachen, aber Edith hatte in den letzten Wochen das Gefühl beschlichen, dass sie seinetwegen so lange hatte durchhalten müssen. Sie blinzelte und Jacobs verschwommenes Gesicht tauchte vor ihren Augen auf. Vielleicht waren es nur die bedürftigen Gedanken einer Sterbenden, aber es gab ihr ein gutes Gefühl zu glauben, dass sie jetzt noch hier war, weil es etwas gab, das Jacob von ihr lernen sollte.

„Hallo", sagte er leise und seine Stimme floss wie eine warme Sommerbrise über sie.

Edith bewerkstelligte so etwas wie ein Schnauben. „Du bist ja schon wieder hier", murmelte sie.

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