Eine Welle aus Scherben

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Fault lines tremble underneath my glass house,
but I put it out of my mind
long enough to call it courage
to live without a lifeline.
I bend the definition
of faith to exonerate my blind eye.
„'Til the sirens sound, I'm safe."

(Sleeping at Last - Earth)

Es war eine Woche her, dass Domhnall benachrichtigt worden war, um Moiras Leichnam abzuholen. Julie hatte ihn selten so viel stottern hören am Telefon und selten hatten so viele ungeweinte Tränen in seiner Stimme gelegen. Beim letzten Mal hatte sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt und Iain war jetzt schon fünf. Sie hatte sofort gewusst, dass etwas Schlimmes passiert war. „Es ... es ist ... Schatz, ich ... Ich weiß nicht, wie ... ich hab ... ich muss ..." Hätte sie nicht mit absoluter Sicherheit gewusst, dass er sie liebte und ihr so was niemals antun würde, sie hätte gedacht, er wollte ihr einen Seitensprung beichten. Moiras Tod hatte sie noch härter getroffen.

Sie bog um die letzte Ecke und konnte das Cottage sehen. Es war in Sonnenlicht getaucht, als würde der Herrgott ihm gerade besonders viel Wärme schenken wollen. Das Herz wurde ihr schwer bei dem Gedanken, dass es nie wieder Moira sein würde, die ihr die Tür öffnete. Und gleichzeitig war sie froh, dass Moira hier hatte sterben dürfen. Sie hätte es gehasst, von ihrem Häuschen getrennt zu werden. Julie holte zitternd Luft und ging weiter.

Domhnall hatte ihr gesagt, dass eine junge Frau da gewesen war, als er den Leichnam abgeholt hatte. Er hatte sich Sorgen um sie gemacht. „Sie sah so blass aus ... Ich wollte sie bitten, sich zu setzen, aber ..." Julie hatte verstehend genickt. Domhnall war nicht der Typ Mensch für so was. Sie hatte selten jemanden kennengelernt, der so schüchtern war wie er. Noch ein Grund warum er sie niemals betrügen würde. Und der Hauptgrund für seine Entscheidung, Bestatter zu werden. Leise, zurückhaltende, überfürsorgliche Menschen eigneten sich gut für diesen Beruf, hatte er ihr gesagt. Und die Toten machten ihm nichts aus.

Außer er kannte sie. Und Moira hatte er gut gekannt.

An dem Tag, an dem sie bei ihm gewesen war, um ihre Bestattung zu planen, war er ganz blass gewesen, als er nach Hause gekommen war. In den sechsunddreißig Jahren seines Lebens war Moira immer da gewesen. Sie hatte ihn aufwachsen sehen und ihm mehr als einmal Zuflucht gewährt, wenn sein Vater schlechte Laune gehabt hatte. Sie und Muriel waren wie Großmütter für ihn gewesen. Und in den elf Jahren, die Julie jetzt mit ihm zusammen und später dann verheiratet war, war Moira ihr genauso sehr ans Herz gewachsen. Muriel hatte sie nicht mehr kennengelernt, sie war schon vorher gestorben.

Es hatte ihn nicht nur getroffen, dass sie krank war und bald sterben würde und ihm nichts davon erzählt hatte. Es hatte ihn auch getroffen, wie sie beigesetzt werden wollte. Anonym und ohne Trauerfeier. Als Julie zwei Tage später bei ihr gewesen war, hatte Moira ihr gesagt, dass sie lieber persönlich Abschied nahm und das hatte sie getan, sowohl von ihr als auch von Domhnall und Iain. Trotzdem hätte es Domhnall viel bedeutet, ein Grab zu haben, das er besuchen konnte.

Sie schniefte leise, als sie vor die Tür des Cottages trat. Der alte Parker hatte erwähnt, dass jemand hier wohnte und seine Beschreibung ähnelte sehr Domhnalls von der jungen Frau, die da gewesen war, als er Moiras Leichnam abgeholt hatte. Anscheinend hatte Moira auch ihr etwas bedeutet und es gab nicht viele Menschen, auf die das zutraf. Genau genommen kannte sie außer Domhnall und sich niemanden, der Moira besonders nahegestanden hatte. Julie wollte diese Frau kennenlernen.

Sie klopfte und wartete und als die Frau ihr öffnete, musste sie Domhnall recht geben: Man wollte sie bitten, sich zu setzen. Julies Lächeln geriet etwas wackelig, als sie sagte: „Hallo, mein Name ist Julie Tolmach. Ich bin ... war ... eine Freundin von Moira, genauso wie mein Mann Domhnall. Er ist der Bestatter hier im Dorf ..." Die letzte Erklärung fügte sie hinzu, weil die junge Frau mit den wilden braunen Locken irritiert die Stirn runzelte. Aber die Erklärung schien ihre Verwirrung auch nicht zu klären. „Robert Parker hat erwähnt, dass Sie jetzt hier wohnen und mein Mann sagte, dass Sie da waren, als er ..." Julie brach ab, als die junge Frau noch ein bisschen blasser wurde und sich gegen die Tür lehnte, deren Klinke sie noch immer fest umklammerte. „Ich ... wollte Sie nur herzlich hier im Dorf begrüßen."

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