Stolpern und taumeln

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It's everything you wanted – 
it's everything you don't.
It's one door swinging open – 
and one door swinging closed.

(Ross Copperman – Holding on and letting go)

Sarah Granger hatte gerade die Brille aufgesetzt und den Advertiser aufgeschlagen, als das Telefon klingelte.

„Ich geh schon", sagte Christopher und stellte die Kaffeetasse weg. Er stand ein bisschen schwerfällig auf, sein Rücken machte ihm seit ein paar Tagen wieder Schwierigkeiten. Sie runzelte die Stirn; er musste sich nachher unbedingt noch einen Termin bei Doktor Ewens machen.

Sie wandte sich wieder der Zeitung zu. 'Des 'Tuppence' Moran erschossen', war die Schlagzeile und Sarah zog die Augenbrauen hoch. Sie überflog gerade den Artikel, als sie Christophers Stimme hörte: „Mina! Schön, dass du dich mal wieder meldest."

Sarah runzelte die Stirn und faltete die Zeitung wieder zusammen. Sie sah zur Uhr. Kurz vor acht. In England war es ... nach elf Uhr abends. Sofort begann ihr Herz schneller zu schlagen. Es war eine ungewöhnliche Zeit für Hermine, um sie anzurufen. So wie neulich ... Normalerweise rief sie am Abend an, wenn es bei ihr gerade die Zeit war, in der Rose ihren Mittagsschlaf machte. Sarah stand auf und ging zum Telefon, drückte die Lautsprechertaste.

„... fragen, ob ich euch morgen besuchen kann", hörte sie die Stimme ihrer Tochter. Sie klang ... anders. Sarah runzelte die Stirn und tauschte einen Blick mit Christopher.

„Natürlich kannst du herkommen, Mina. Wann bist du denn hier?", fragte er mit besorgter Miene.

Hermines Atem rauschte in der Leitung. „Ähm ... Ich muss auf Ron warten und dann erst ins Ministerium und einen Portschlüssel organisieren ..." Sie brach ab und seufzte. „Ich denke, ich könnte hier gegen zehn loskommen. Dann ist es bei euch ..."

„Halb sieben heute Abend", sagte Sarah.

„Oh, hi Mum", sagte Hermine. Sie klang müde.

„Hallo, mein Schatz!" Sie tauschte einen Blick mit ihrem Mann. „Ist alles in Ordnung bei euch?"

Wieder ein Seufzen. „Nein. Nein, ist es nicht."

Sarahs Herz machte einen Satz.

„Geht es Rose schlechter?", fragte Christopher.

„Kann ich euch das morgen ... später ..." Sie schnalzte mit der Zunge. „Kann ich euch das erklären, wenn ich da bin?"

„Natürlich. Wir sind hier", sagte Christopher und klang dabei ungewöhnlich sanft. Es war ein Tonfall, den er nur bei Hermine benutzte und der Sarah ein warmes Gefühl in der Magengegend bereitete.

„Danke! Bis ... später."

„Bis dann, Mina." Es klickte in der Leitung, aber Christopher hielt den Hörer noch einen Moment lang fest, ehe er ihn ablegte. „Das klingt nicht gut", murmelte er.

Sarah seufzte. „Nein, tut es nicht." Aber das hatte es neulich auch nicht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie ihre Tochter schon mal so hatte weinen hören. An dem Abend hatte sie Christopher zum ersten Mal ernsthaft darum gebeten, nach Endland zurückzukehren.

Die Erinnerung an diese Bitte stand ihm auch jetzt wieder ins Gesicht geschrieben. Er schluckte schwer. „Lass uns erst mal hören, was sie erzählt", bat er und strich über ihren Arm. Er liebte Australien. Er hing an ihrem Leben hier, an ihren Freunden, der Gegend. Und das Klima tat ihm gut.

Also nickte sie, murmelte „Okay ..." und ging in die Küche zurück. Zum Glück war der Terminplan heute randvoll, sie konnte die Ablenkung gebrauchen.

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