Der Albtraum einer zweiten Chance

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Help, I have done it again.
I have been here many times before.
Hurt myself again today
and the worst part is there's no-one else to blame.

(Sia – Breath me)

Es war kurz nach zehn am Morgen, als Severus in Spinner's End apparierte und die Arme hob, um sein Gleichgewicht zu finden. Er verzog das Gesicht, sowohl wegen der Schmerzen, die vom Apparieren nicht gerade besser wurden, als auch wegen des Anblicks. Das Haus seiner Eltern, sein Haus, ragte wie ein dunkler, steinerner Koloss vor ihm auf. Beinahe zwölf Jahre war es her, dass er das letzte Mal hier gewesen war. Und die Banne, die er auf dieses Haus gelegt hatte, hatten dafür gesorgt, dass das auch für jeden anderen Menschen galt.

Er ließ seinen Blick über die benachbarten Häuser gleiten. Zumindest hier in dieser Seitenstraße schien niemand mehr zu leben. Ob es wohl mal Pläne gegeben hatte, diese Gegend neu zu bebauen? Falls das der Fall gewesen sein sollte, hatten die Banne, die auf seinem Haus lagen, sie vermutlich schnell wieder zunichte gemacht. So sehr er dieses Haus auch hasste, es war zu wichtig gewesen, um es ungeschützt zu lassen. Es beherbergte das einzige Labor, das er außerhalb von Hogwarts hatte nutzen können – und er hatte nicht geglaubt, das jemals wieder tun zu müssen.

Er hatte den Keller um- und auszubauen begonnen, nachdem er die Stelle in Hogwarts angenommen hatte. Zuerst aus reinem Trotz seinem Vater gegenüber; dieser Magier-Kram wäre ihm niemals ins Haus gekommen. Und irgendwann weil er einfach schon zu viel Geld investiert hatte, um es nicht zu nutzen.

Severus drehte den Kopf in dem sinnlosen Versuch, die Schmerzen zu lindern, die wie Feuer über seine Haut wanderten. Als erstes musste er den Schmerztrank zubereiten. Er festigte den Griff um die kleine Papiertüte mit den dafür notwendigen Zutaten und ging die letzten Schritte bis zu den drei Stufen, die zur Eingangstür hinaufführten. Ließ seinen Blick über den Vorgarten wandern. Er war verwildert, das Unkraut stand bis zu den Fenstern im Erdgeschoss hoch. Müll lag dazwischen, zusammen mit ein paar Dachschindeln. Er musste das reparieren, wie vermutlich vieles andere auch.

Kurz schloss er die Augen, als die Absurdität dieser Probleme ihn zu überwältigen drohte. Es gab Momente, in denen hätte er schreien können, weil er wieder am Leben war. Und dann gab es Momente, in denen es sich anfühlte, als wäre er niemals tot gewesen. In denen das, was er im Jenseits erlebt hatte, hinter einem so dichten Nebel lag, dass es nur Einbildung gewesen sein konnte.

Aber das war es nicht. Er war tot gewesen. Und jetzt war er es nicht mehr. Es waren über elf Jahre vergangen in dieser Welt. Ohne ihn. Und er hatte nicht das geringste Interesse daran herauszufinden, was er verpasst hatte. Er wollte nicht wieder Teil dieser Welt sein. Aber er wusste auch nicht, was er stattdessen sein wollte.

Sein Blick glitt hinab zu seinem neuen Zauberstab. Pinie und Drachenherzfaser, aber diesmal waren es 12¾ Zoll. Das kleine Stück, das dieser Stab länger war als sein alter, irritierte ihn mehr, als er zuzugeben bereit war. Er hatte seinen Zauberstab immer in seinem Ärmel verstaut, aber dieser war einfach zu lang. Er musste sich etwas dafür überlegen.

Schließlich riss er sich aus seinen Gedanken, legte die Hand an die Türklinke und ließ die Banne ihn erkennen und ihm den Weg freigeben. Als es leise klickte, stieß er die Tür auf. Es war düster, auf allem lag eine dicke Staubschicht. Ein modriger Geruch hing in der Luft; anscheinend war das Dach nicht erst kürzlich kaputt gegangen.

Severus seufzte und lehnte sich von innen gegen die Haustür. Als wäre er nie weg gewesen. Als hätte er Narcissa erst gestern dort vorn den Unbrechbaren Schwur geleistet. Als wäre Wurmschwanz erst gestern sein ungebetener Gast gewesen. Er konnte ihn sogar in seinem Kopf jammern hören.

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