Eine Woche

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You build a house of cards
but it's going to fall.
You think I don't see who you really are?
I got news coming:
I've seen it all from the start.

(Ruelle – Secrets and Lies)

„Nein!"

„Rose, bitte!"

„Nein!"

Ron schloss die Augen und holte tief Luft, zählte langsam bis zehn und blinzelte. Rose saß immer noch in Unterwäsche auf dem Boden, die Arme vor der Brust verschränkt und die Unterlippe vorgeschoben. Seit beinahe zwanzig Minuten versuchte er nun schon, ihr ein T-Shirt und eine Hose anzuziehen, aber sie weigerte sich beharrlich. Zwischenzeitlich hatte sie auch ihre Besenmodelle durch die Gegend geworfen und frustriert geschrien, als die nicht wie geplant gegen die Wand geflogen waren, sondern vorher eine Kurve gedreht hatten. Stattdessen lehnte Ron sich jetzt dagegen und ließ das T-Shirt, das er in den Händen hielt, sinken.

Zum ersten Mal erlebte er Hermines Position in diesem Konflikt. Seitdem Rose das Wort Nein gelernt hatte, hatte sie sich immer wieder mal geweigert, sich an- oder umziehen zu lassen, aber bisher war er immer derjenige gewesen, der dazugekommen war und den Tag gerettet hatte. Sie hatte ihn bisher so selten gesehen, dass sie ihre Sturheit meistens schnell vergessen hatte, wenn er sie gefragt hatte, ob sie sich nicht doch anziehen wollte, damit sie miteinander spielen konnten. Diesen Bonus hatte er inzwischen verloren. Nachdem sie eine Woche lang mit ihm allein gewesen war, war er einfach nichts Besonderes mehr.

„Mummy soll mich ansiehn", sagte sie in diesem Moment leise und ihre Schmolllippe bebte verdächtig.

„Ich weiß", entgegnete er genauso leise, legte endgültig das T-Shirt beiseite und breitete die Arme aus. „Kuscheln?"

Rose zog die Nase hoch. „Nein. Ich will Mummy!"

Er stieß scharf die Luft durch die Nase und presste die Lippen aufeinander. Aber bevor er endgültig die Geduld verlieren konnte, hörte er im Wohnzimmer das Flohfeuer in die Höhe lodern. „Ron?" Seine Mutter. Sein Herz begann schneller zu schlagen.

„Ich komme!", rief er über seine Schulter. Er hatte sich für heute mit seinen Eltern verabredet, um die Geschichte zu üben, die er gestern mit Hermine abgesprochen hatte. Wenn er seiner Mutter sagte, dass Hermine ihn betrogen hatte, würde alles andere mehr oder weniger an ihr vorbeigehen, egal wie nervös oder verdächtig er sich verhielt. Und sein Vater würde damit beschäftigt sein, seine Mutter zu beruhigen, womit er vermutlich auch eine Panikattacke bekommen könnte, ohne dass es den beiden auffallen würde. Bei Harry und Ginny hingegen durfte er sich kein verdächtiges Verhalten erlauben, die beiden waren viel zu aufmerksam. Insbesondere Harry, wenn der wirklich so viel ahnte, wie Ron vermutete. Heute würde er üben, morgen kam es drauf an.

Jetzt wandte er sich Rose zu. „Grandma wartet schon auf uns, sie ist im Kamin. Willst du mit ihr reden?"

Rose haderte sichtlich mit sich. Aber nach ein paar Sekunden kam sie doch schwankend auf die Beine und lief in Unterhemd und Unterhose an ihm vorbei ins Wohnzimmer. „Gran'ma!", rief sie so laut, dass seine Mutter es wohl auch ohne Kamin gehört hätte.

Ron schüttelte schnaubend den Kopf, dann stand auch er auf und folgte ihr langsam.

„... bist du denn noch gar nicht angezogen?", hörte er Molly fragen.

„Mummy soll mich ansiehn", sagte Rose wieder.

„Und warum macht sie das nicht?" In diesem Moment trat Ron in ihr Sichtfeld. Sie sah zu ihm auf. „Warum zieht Hermine sie nicht an?"

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