"Honeyhead!"
Überrascht drehte Seokjin sich um. Seit dem Angriff waren erst zwei Tage vergangen und momentan waren alle Arbeiter ungewöhnlich still, so auch Seokjin. Er war froh, dass sein bester Freund am Leben war. Dieser lag momentan immer noch auf der Krankenstation, da alle nur leicht verletzten Personen entlassen wurden. Hoseok hatte gestern nämlich weitere Schmerzen verspürt, weshalb eine gebrochene Rippe bei ihm festgestellt wurde. Er durfte vier Wochen keine körperliche Arbeit verrichten und war eine Woche lang bettlägerig, weshalb Seokjin ihn nach seiner Schicht besuchen wollte. Aber jetzt gerade kreisten seine Gedanken um den Farmer, welcher ihn gerufen hatte.
"Honeyhead, geht es dir gut?" Joon kam, anders als sonst immer, in einem langen Shirt auf den Arbeiter zugerannt. "Warst du beim Angriff dabei?" "Ich war dabei, ja. Und du? Du warst in Sicherheit, oder?", fragte Seokjin, weshalb der schwarzhaarige Mann nickte. "Ich war auf der Farm, als die Nachricht kam. Deshalb wollte ich wissen, ob es dir gut geht. Ich hatte tatsächlich Angst." "Ich hatte auch so fürchterliche Angst", murmelte Seokjin, ehe er einmal laut schniefte. Die Ereignisse hingen immer noch in seinen Gedanken fest und alleine darüber zu reden fiel ihm schwer. "Ne-Neben mir wu-wurde einem der-der Kopf ab-abgeschossen." Und deshalb fing Seokjin zu weinen an.
Still nahm der Farmer ihn in seine Arme. "Es ist alles in Ordnung. Es ist nicht schlimm darüber zu weinen, es wäre schlimmer, wenn du es nicht jemandem erzählen würdest. Das ist für jeden schlimm, aber es wird mit der Zeit besser. Ich kenne mich da aus." Schniefend drückte sich Seokjin weiter in die muskulöse Brust. Joon strich ihm einfach beruhigend über den Rücken, damit sich der Arbeiter weiter beruhigen konnte. Denn er brauchte gerade einfach ein wenig Zuspruch.
"Ich war vier", begann Namjoon dann plötzlich. "Meine Schwester war sieben. Wir waren draußen spielen, als plötzlich Plünderer kamen. Meine Schwester hat mich in ein Gebüsch gesteckt und ist dann weggerannt, damit niemand nach mir sucht. Sie hat Hilfe gerufen und dafür mit ihrem Leben gezahlt. Ich war zu jung, um es damals zu verstehen, aber ich sehe es immer noch vor mir. Sie haben den Kopf von ihrem Körper abgetrennt gehabt und ihn als Zeichen für uns alle auf einen Speer aufgespießt. Den haben sie dann draußen aufgestellt."
Seokjin schlang schnell seine Arme um den Körper des Mannes vor ihm, welcher leicht zu zittern begonnen hatte. "Du musst dich für diese Gefühle nicht schämen." Ganz sanft strich Joon dem blonden Mann durch die Haare. "Du musst darüber reden, damit es besser wird. Ich habe oft mit meinen Freunden darüber geredet, dadurch geht es mir etwas besser. Wenn du willst, kannst du mir alles über den Angriff erzählen."
"Danke, Joon. Das hilft mir sehr." "Das freut mich. Wollen wir vielleicht darüber reden?" "Okay, wieso denn nicht", murmelte Seokjin schulterzuckend, ehe er grob von Joon gepackt wurde. "Dann lass uns schnell woanders hin, wo wir in Ruhe sind!" Panisch drehte sich der Schwarzhaarige um, ehe er mit dem Arbeiter losrannte. Verwirrt rannte Seokjin einfach mit, da er sonst nicht mit dem Mann Schritt halten konnte. Erst, als sie bei den Ställen waren, wurden sie langsamer.
"So, hier sind wir in Ruhe", meinte Joon, während er mit Seokjin hinter einen der Pferdeställe lief. "Hier hinten wird Heu gelagert, da können wir rein", meinte er, während er Seokjin einfach weiter mit sich zog. Bis dieser ihn grob von sich schubste. "Was soll das? Ich kann auch normal laufen, du hirnloser Riese!", spuckte er ihn die Worte hin, weshalb sich Joon gestresst über das Gesicht strich. "Kannst du einmal ruhig sein? Du spielst dich immer wie eine Diva auf! Du hättest vorher etwas sagen können!" "Wie denn? Du hast mich hinter dich hergerissen! Ich bin verletzt und kann nicht rennen!" "Heul doch leise!" Und deshalb schlug Seokjin Joon gegen den Arm, weshalb dieser schmerzerfüllt aufschrie.
"Was sollte das denn jetzt!", pampte er direkt los, während er den Arbeiter nach hinten schubste. Und deshalb fiel dieser mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. "Geht's noch?!" Seokjin schien unheimlich wütend, während er auf dem dreckigen Boden lag. "Du hast doch angefangen! Du hast mich geschlagen!" "Weil du mich angeschrien hast!" "Du hast zuerst geschrien!" "Du hast mich mitgerissen", schrie Seokjin zurück. "Also soll das jetzt alles meine Schuld sein?", fragte Joon, während er zu dem Mann schaute, welcher sich mühsam aufrappelte. "Ja, ist es!" "Nein, garantiert nicht!" Joon lachte einmal auf, bevor er sich umdrehte. "Du bist echt ein dummer Mensch."
"Nicht jeder konnte eine schulische Ausbildung genießen, scheiß Sechs!", fauchte Seokjin, während er sich den Dreck von den Klamotten strich. "Das war nicht auf deine Kaste bezogen", antwortete der Farmer plötzlich ruhig. Deutlich entspannter schaute er den Mann an, welcher leicht schräg vor ihm stand. Denn sein linker Fuß berührte den Boden nur mit den Zehenspitzen. "Wo hast du dich denn verletzt?"
"Ich bin die Treppe runtergefallen, als wir losgerannt sind. Sir Park wurde von einem Schwert getroffen, da habe ich den Mann da halt weggeschubst und er hat mich und Sir Park mitgerissen. Das Schwert ist in Sir Parks Bauch abgebrochen und ich habe mir irgendwie einen Knochen oder so verstaucht? Sagt man das so?" "Ja, verstaucht. Dein Fuß?" "Mein Knie. Ich bin draufgefallen", murmelte Seokjin. Und jetzt konnte Joon auch den dicken Verband unter der Hose erkennen, der einen deutlichen Abdruck hinterließ. "Schmerzt das sehr?" "Geht, meinem besten Freund geht es schlimmer." "Du solltest dich nicht mit anderen vergleichen, Honeyhead", lächelte der Farmer, während er seine Ärmel ein wenig hochkrempelte.
"Aber wie soll ich sonst im Kastensystem aufsteigen? Es gibt bestimmte Anforderungen. Ich muss mich vergleichen, um besser zu werden", antwortete Seokjin ihm. Und das ließ Joon nachdenken. "Ich habe mir noch nie Gedanken über einen Aufstieg gemacht. Ist das wirklich so anstrengend?" "Es ist fast unmöglich. Ich bin stark auf andere Angewiesen, auf meine Dienstherren, aber um aufzusteigen, muss man unabhängig leben können. Das geht nicht", klärte Seokjin den Farmer auf. "Lebt es sich schön auf einer Farm?"
Joon lächelte kurz, ehe er nickte. "Ja, ich liebe es. Täglich an der frischen Luft, ich kann viele Früchte essen und ich liebe es draußen über die Felder zu reiten." "Reiten? Ist das das, wenn man auf einem Pferd sitzt?", fragte der Albino interessiert nach. "Ja, das ist es. Es gibt unterschiedliche Arten des Reitens, vielleicht kann ich es dir irgendwann zeigen." "Nein, auf gar keinen Fall", lachte Seokjin sofort panisch los. "Es gibt einen Grund, warum ich diese Viecher meide."
"Du hast Angst vor Pferden?"
Peinlich berührt nickte Seokjin, ehe er sein rechtes Hosenbein ein Stück hochzog. Auf seinem Bein zeichnete sich eine etwas längere Narbe ab, welche ein wenig verblasst aussah. "Ich wurde mal von einem Pferd gebissen. Da war ich noch sehr jung. Aber ich habe seitdem irgendwie Angst vor denen." "Verständlich", antwortete Joon. "Ich habe Angst vor Spinnen." "Gibt es davon nicht viele auf den Farmen?" "Ja, viel zu viele", grinste Joon, während er sich auf das Heu setzte. "Setzt du dich zu mir?"
"Geht nicht", murmelte Seokjin, während er zur Scheunentür schaute. "Mein bester Freund liegt auf der Krankenstation und ich möchte ihn heute noch gerne besuchen. Du kannst ja vielleicht mit, wenn du Zeit hast." "Ne, das klappt leider nicht. Ich würde sagen, wir sehen uns wieder?", fragte Joon, wobei seine definierten Grübchen hervorstachen. "Du läufst mich ja wöchentlich um", hauchte Seokjin in Gedanken versunken. Der Mann vor ihm war definitiv anders. Er wusste nur noch nicht, ob positiv oder negativ.
"Ich muss dann jetzt los", kam es schüchtern von Seokjin, während er nach hinten auf das Scheunentor deutete. "Wir sehen uns, Honeyhead. Ich freue mich schon auf unser nächstes Wiedersehen." "Mhm, ist gut. Man sieht sich bestimmt wieder." Joon beobachtete den blonden Mann noch, wie dieser aus dem dunklen und modrigen Raum humpelte.
Joon fand irgendetwas an dem Mann interessant. Seine aufbrosende Art, wenn er etwas für falsch erachtete und das impulsive Verhalten, wenn er seinen eigenen Kopf durchsetzen wollte. Dazu kam sein interessantes Auftreten. Die kräftigen Schultern zu der mageren Hüfte. Seine Größe im Verhältnis zu seiner starken Brust. Joon fand ihn attraktiv, aber irgendetwas verheimlichte der Mann. Er musste nur noch herausfinden, was.
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Royalty [{NamJin}]
FanfictionKastensysteme. Das Land Aeros ist geteilt. Und mittendrin? Der 27-jährige Fensterputzer Seokjin, Kaste Acht. Eigentlich ist für Seokjin alles so wie immer, bis er eines Tages den Farmer Joon, Kaste Sechs, zufällig in der Nähe des Palastes von Aeros...