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"Joon, du solltest etwas essen", murmelte Seokjin besorgt, während er zu dem mageren Mann auf seinem Bett schaute. Seit der Beerdigung waren nun zwei Wochen vergangen. Vor einer Woche war der Geschenketag gewesen, weshalb seitdem die Infrastruktur in den unteren Kasten aufgebaut wurde. Es war sein einziger und momentan letzte Auftritt, den er in der Öffentlichkeit abgehalten hatte. Denn er distanzierte sich bewusst von allem- vor allem vor seinen Pflichten als zukünftiger Landesregent.

"Bitte, nur ein bisschen. Du bist so dünn geworden, iss einen Bissen. Wenn schon nicht für dich, dann vielleicht für mich!" Seokjin versuchte alles, um dem Titel des Verlobten des Kronprinzen gerecht zu werden, aber er scheiterte mehr als gedacht. Er wurde kaum ernst genommen und auch der Mangel an Bildungswissen hing ihm sehr hinterher. Er brauchte Namjoon, wenn schon nicht als König, dann zumindest als nahestehende Person. Aber so langsam glaubte er, dass sie das alles gar nicht waren. Sie waren ja noch nicht einmal richtig verlobt, sondern spielten allen nur etwas billiges vor.

"Ich gehe", hauchte der Albino dann. Er hatte nicht die Kraft, all das alleine hinzubiegen, weshalb Taehyung ihm tatkräftig unter die Arme griff. Obwohl er noch immer Verletzungen von dem Angriff mit sich trug- vor allem das Trauma, welches er erlitten hatte. Er hatte sich in dem Moment selber sterben sehen, als seine Klamotten nach der fürchterlichen Explosion Feuer gefangen hatten und er wie eine Puppe durch die Luft geschleudert worden war, nur um sich beim Aufprall alle möglichen Knochen zu brechen.

Von Namjoon kam wie immer keine Antwort, er starrte ununterbrochen nach draußen. Und er sah fürchterlich aus. Unschlüssig blieb Seokjin kurz stehen, ehe er in das angrenzende Badezimmer lief. Er suchte nur kurz nach einem bestimmten Gegenstand, ehe er zurück in das gemeinsame Schlafzimmer lief. Sanft kletterte er hinter Namjoon auf das Bett, der seine Beine über die Bettkante hängen ließ, ehe er sanft über seine langen Haare strich. Bis er sie mit einer Schere komplett abschnitt.

Geschockt fuhr Namjoon hoch, als seine linke Seite der Haare bis zu den Schultern gekürzt worden war. Seokjin saß mit ausdruckslosem Gesicht hinter ihm und hielt die lange Haarsträhne fest, ehe er sie langsam auf das Bett rieseln ließ. "Ende", hauchte Seokjin, ehe er seinen festen Freund eingehend beobachtete. "Wieso? I-Ich brauche die Haare! I-Ich muss doch König werden!" Gestresst zog Namjoon an seinen nun kürzeren Haaren, die ungleichmäßig zur Hälfte gekürzt worden waren. Denn die rechte Seite war nach wie vor makellos.

"Denkst du wirklich, die Länge deiner Haare definiert dich als Menschen?", fragte Seokjin, ehe er seine nun längeren Haare in die Hand nahm und dasselbe bei sich tat. Nur, dass er seine Haare deutlich kürzer schnitt. "Denkst du wirklich, dass so eine veraltete Tradition deine Denkweise zerstört? Du bist anders, Namjoon. Du bist nicht veraltet, nicht egoistisch und vor allem kein verdammter Narzisst! Es wird Zeit, dass alle es erfahren, wenn sie es nicht schon wissen! Du bist die Zukunft, nicht die Vergangenheit, du darfst ein Mensch sein! Lass dir das nicht durch irgendwelche falschen Vorstellungen rauben, vor allem nicht durch ein blödes, verskunktes Schönheitsideal!"

Mit aufgerissenen Augen starrte der Kronprinz seinen Gegenüber an. "Ich- was?" Anstatt seine Wortfetzen zu erläutern, entriss er Seokjin die große Schere, ehe er sich selber eine breite Strähne nahm und sichtbar tief durchatmend die Schere ansetzte, ehe er zu schneiden begann, bis seine Haare bis zum Ohr abgeschnitten waren. "Das ist- befreiend", hauchte der Schwarzhaarige begeistert, ehe er jede, wirklich jede lange Strähne kürzte, bis nichts mehr als reines Chaos auf seinem Kopf zurückblieb. Genau so wie bei Seokjin auch.

"Du bist besonders, Namjoon. Und du bringst Veränderungen. Angefangen mit blöden Traditionen." Leicht lächelte der Kronprinz, ehe er erschrocken seine Augen aufriss. "Wie erkläre ich das denn jetzt Jimin?! Oh nein, er hat meine Haare geliebt! Ich sehe aus wie zerfressen!" "Nein, noch schlimmer", lächelte der Albino, ehe er laut lachen musste. "Du bist frei!" "Ich bin frei?" "Niemand kann dir mehr sagen, was du tun und lassen sollst, Namjoon! Du bist der König! Du lässt ein Land aufbauen, damit eine Chancengleichheit entsteht! Du schenkst Leben, du bist anders! Du bist viel besser als alle anderen Regenten vor dir, denn du schenkst Hoffnung!" Namjoon war von Seokjins Worten gerührt. Langsam schien die Realisation ihn zu berühren, weshalb er ebenfalls lächelte, bis er laut lachen musste. "Ich bin frei!" "Du bist frei!" "Ich kann alles machen, was ich will!" "Du kannst alles machen, was du willst!" "Ich will dich heiraten, Seokjin."

Sanft zog der Albino den Mann zu sich. "Natürlich kannst du das. Ich bin dein, du bist mein. Wir sind für einander bestimmt. Lass uns etwas total verrücktes machen!" "Was stellst du dir darunter vor?" "Ich will bunte Motive auf meiner Haut!" Überrascht hielt Namjoon inne. "Du willst Tattoos?" "Wenn man das so nennt, ja! Bitte, lass es uns tun!" "Ich habe Angst vor Nadeln, ich kann das nicht!" "Scheiß auf die Nadeln, Skunk! Wir machen uns Farbe auf die Haut und zeigen es allen! Zusammen!" "Wie kommen wir denn an Jimin vorbei?" Namjoon schien plötzlich unsicher, weshalb Seokjin grinsen musste. "Mütze auf und durch die Tunnel. Die führen bis kurz vor die Tiefgarage, vielleicht wartet dein Leibwächter ja schon rein zufällig dort auf uns. Vielleicht hat er mit mir alles in die Wege geleitet, damit wir Blödsinn machen können. Vielleicht aber auch nicht. Das wirst du erst erfahren, wenn wir es ausprobieren."

Lachend schüttelte Namjoon seinen Kopf. "Was willst du denn unter deiner Haut tragen?" "Ich habe alles schon besprochen. Du bekommst auch schöne Motive, zwei Stück, so wie ich. Bitte! Es wird sonst zu spät!" "Was bekomme ich denn im Gegensatz dazu?" "Alles, was du willst, wirklich alles!" Seokjin schob schmollend seine Lippe hervor, ehe er Namjoon genau so anstarrte. "Ich habe einen Wunsch, aber dafür musst du ein drittes Tattoo einplanen. Und etwas mehr Zeit", sprach Namjoon unheimlich ruhig für diese ganze aufwühlende Situation, weshalb Seokjin einfach nickte. Er hatte es immerhin versprochen. Noch während er darüber nachdachte, um was es sich denn handeln konnte, verschwand Namjoon im Kleiderschrank. "Hier." Damit warf er dem Mann ein Kleidungsstück zu, was sich als einfache Mütze entpuppte. "Und jetzt lass uns Geschichte schreiben."

Royalty [{NamJin}]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt