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"Seokjin!", schrie eine Stimme aufgeregt. Verwirrt drehte der Angesprochene sich um, nur um in die Augen seines besten Freundes zu blicken. "Was ist los?", lachte der großgewachsene Mann mit fragendem Blick. "Ich werde versetzt!" Geschockt weiteten sich Seokjins Augen. "Wohin? Ist deine Arbeit dort gut? Wird man dir Essen und eine Unterkunft geben?", fragte Seokjin seinen besten Freund besorgt. "Entspann dich. Ich werde Zofe!" Der kleinere Mann mit den verfilzten und helleren Haaren strahlte wie die Sonne selber. "Die wollen mich im Palast sehen!"

Überrascht schaute Seokjin seinen Freund an. "Wirklich? Als Kaste Neun? Die wollen mich als Kaste Acht ja nicht einmal in den Regionen der Kaste Sieben sehen", lachte Seokjin verletzt. Solange er denken konnte, war er nun schon in diesem dreckigen und armen Arbeitslager am Rande zu Kaste Neun. Und hier war es wirklich einfach nur dreckig. Er wünschte sich nun schon seit Jahren eine Arbeit, aber momentan wurden wohl keine Putzkräfte mehr benötigt.

"Seokjin", hauchte Hoseok, der kleinere Mann von beiden. "Du wirst eine Arbeit finden. Wenn die Aufseher zu dumm sind, deinen Fleiß zu erkennen, dann müssen sie sich nicht wundern, dass ihre anderen Arbeitskräfte so schnell an einfachen Aufgaben scheitern. Nicht ich, sondern du solltest im Palast arbeiten", versuchte Hoseok seinen Freund aufzumuntern. "Nein Hoseok", winkte Seokjin ab. "Du verdienst das wirklich. Deine Eltern sind ebenfalls aus Kaste Neun und du kannst ihnen somit beweisen, dass alles möglich ist. Es ist ja irgendwo meine Schuld, dass ich zwei Kasten abgestiegen bin." Aber Hoseok wusste es besser. Er erkannte das Leiden in den Augen des fast 28-jährigen Mannes. Er kannte seine Geschichte. Und in seinen Augen verdiente Seokjin das Beste.

"Ich werde morgen abreisen. Die holen mich mit einer Limousine ab", murmelte Hoseok dann betroffen. "Dann solltest du deine Sachen packen, Hoseok", gab Seokjin von sich. Er freute sich wirklich für seinen besten Freund, jedoch bedeutete das den Abschied. Für wie lange, wusste keiner. Vielleicht für immer. Vielleicht würde Seokjin auch endlich, nach über zehn Jahren, eine Arbeit finden und glücklich werden. Aber er hatte die Hoffnung schon mit zehn Jahren endgültig verloren.

"Ich will eigentlich nicht ohne dich abreisen, Jin", sprach Hoseok Seokjin dann mit seinem Spitznamen an, den nur seine Freunde verwenden durften. "Ich frage im Palast einfach mal, ob die nicht zufällig noch eine Reinigungskraft brauchen. Du bist so unglaublich fleißig und ich kenne keine so gute Putzfrau wie dich!", scherzte Hoseok. Aber tief im Inneren wollte er einfach nur das Beste für Seokjin. Denn Hoseok wusste genau, wie leicht man den warmherzigen Seokjin kränken und verletzen konnte. Und er war immer da, wenn er ihn brauchte. Nur durch ihre Trennung jetzt wäre das nicht mehr so einfach.

"Lass das am besten sein", lächelte Selkjin warmherzig zurück. "Nachher bekommen die noch Angst vor dir!" "Ein wenig Respekt schadet nie", grinste der Jüngere breit und Seokjin fühlte sich sofort in dem Lächeln geborgen. Zugeben würde er es aber nie. Dafür war sein Stolz dann doch ein wenig zu groß.

"Du solltest jetzt schlafen gehen, sonst sind die Matratzen in unserem Schlafraum gleich alle vergeben", meinte Hoseok, während er Seokjin an die Hand nahm und mit ihm aus dem Gemeinschaftsraum ging, in dem es in dieser kühlen Jahreszeit einigermaßen warm war. Aber Seokjin wusste aus harter Erfahrung, dass das hier im Vergleich zu der Straße das reinste Paradies war. Es war windgeschützt, einigermaßen warm und nicht allzu staubig aufgrund der sandigen Gassen. Und man bekam hier täglich eine Mahlzeit bestehend aus Brot, Fisch und Wasser. Nicht der größte Luxus, aber zum Überleben reichte es. Und es war die beste Bezahlung, die man in so einer Kaste bekommen konnte. Denn die Menschen aus Kaste Neun und Acht hatten es am schwierigsten, so hatte Seokjin es von den Erzählungen der Handelsleute mitbekommen.

"Ich schlafe wohl auch wieder auf dem Boden, das macht mir nichts", antwortete Seokjin Hoseok auf den eben gemeinten Ratschlag. "Schau dich bitte einmal an", meinte der braunhaarige Mann jedoch harsch. "Du bist unglaublich groß, nicht allzu dick aber auch nicht zu dünn. Du wirkst in letzter Zeit so knochig, du brauchst ein wenig Komfort", grinste der kleine Sonnenschein dann zu der krank wirkenden Person neben sich. "Mir geht es aber bestens. Denk an die Familien mit Kindern", rechtfertigte sich Seokjin für die Entscheidung, auf dem kalten Boden zu schlafen. "Du bist zu freundlich, Seokjin", seufzte Hoseok betroffen. "Ich werde dich echt vermissen. Durch dich hatte ich ein wenig Spaß an meiner Arbeit. Und jetzt? Jetzt werde ich im Luxus leben, während du um deine Existenz kämpfen musst. Wenn ich den König sehe, schlage ich ihn in deinem Namen!", rief Hoseok aus, während er wild in die Luft boxte. "Und wenn du ihn siehst und ich noch lebe", ergänzte Seokjin aufgemuntert, "dann trittst du ihm so gewaltig in seinen Schritt, dass er keine Vorfahren mehr in diese scheiß Welt setzen kann, solange er nicht endlich sein Land wieder aufbaut!"

"Wird gemacht, Chef", salutierte Hoseok witzelnd neben Seokjin.

"Passt auf, dass euch keiner hört!", flüsterte plötzlich eine Stimme, die von einer alten Dame aus der Ecke eines Zimmer kam. Diese hatten nämlich alle keine Türen, weshalb man keine Privatsphäre besaß. Aber laut den Aufsehern brauchten billige Menschen so etwas auch nicht. "Wenn die Aufseher oder die Palastwachen mitbekommen, dass ihr über den König lästert, dann werdet ihr bestraft! Erst letzte Woche ist Woonpil verschwunden und erst wieder entdeckt worden, als er auf dem Dorfplatz erhängt wurde! Der König ist heilig!" Dieses Gesetz stand ganz oben auf der Liste. Wer über den König lästeret, wurde bestraft. Die Bestrafung lag immer am Grad der Königslästerung. Je schlimmer die Worte, desto schlimmer die Strafe. Woonpil tat Seokjin leid, er war ein kräftiger Mann gewesen.

"Danke für die Erinnerung", bedankten die beiden Männer sich flüsternd bei der alten Dame, bevor sie schnellen Schrittes zu ihrem Schlafraum liefen, den sie sich mit über zwanzig Personen teilten, obwohl es nur Platz für 15 gab. Die Gänge waren wie immer sehr dunkel und dreckig, einzig und allein die Fackeln leuchteten den Weg durch den Bungalow. Arbeitslager waren eine Schande. Und so sahen sie auch aus. Sie passten nie in das Bild in ihrer Umgebung, genauso wenig wie die Menschen aus ihnen. Denn diese Gebäude hatten keine Duschen oder fließend Wasser, weshalb die Bewohner dementsprechend auch so aussahen und rochen. Es war also kein Wunder, dass die Gesellschaft diese Personen verabscheute.

Auf leisen Sohlen betraten Seokjin und Hoseok ihren Schalfraum. Wie eigentlich erwartet, lagen auf allen Matratzen schon müde und fertig aussehende Arbeiter, die ebenfalls darauf warteten, einen festen Beruf zu bekommen. Da der Raum so unheimlich voll war, legten sich Seokjin und Hoseok einfach an den Rand des Raumes, damit sie niemanden stören konnten und auch ein wenig Platz für sich hatten.

"Das letzte Mal, dass ich auf einem Boden schlafen werde, hoffe ich", lächelte Hoseok, während er sich so gemütlich hinlegte, wie es unter diesen Bedingungen nur ging. "Das hoffe ich für dich auch", kam es wahrheitsgemäß von Seokjin, der sich ebenfalls in den Dreck auf den kalten Boden legte. "Ich begleite dich morgen auf den Platz, wo sie alle Arbeiter abholen, ja?", kam es von Seokjin, weshalb Hoseok nickte. "Das hatte ich mir auch erhofft. Schlaf jetzt ein wenig!" "Du aber auch!", lachte Hoseok leise in das Geschnarche der anderen Arbeiter, weshalb Seokjin friedlich seine Augen schloss.

Royalty [{NamJin}]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt