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~Luke~

Wie gerne wäre ich hier einfach so mit ihr stehen geblieben.
Mit dem Blick auf den Horizont, ihren beerdigen Duft in der Nase und ein paar ihrer Haarsträhnen in meinem Gesicht, die mich kitzeln und daran erinnern, dass ich das hier nicht träume.

Aber wir müssen das jetzt klären.
Ich muss wissen wo wir stehen.
Wo ich bei ihr stehe.

Als ich sie komplett zu mir umgedreht habe blickt Ella mich durch einen Tränenschleier an. Ich kann mich nicht zurückhalten und fahre mit meinem Finger sanft die Spuren entlang, die das Salzwasser auf ihren Wangen hinterlassen hat.
Ich lege in diese Berührung all meine Emotionen, versuche ihr deutlich zu machen wie viel sie mir noch bedeutet.

Scheu wendet sie ihren Blick ab und schaut zu Boden. Innerlich bricht mein Herz noch ein Stück weiter, als bei dem Anblick von ihr und Alex.

Ich bin Schuld daran, dass sie sich so fühlt.
Ich konnte mich nicht kontrollieren.
Ich konnte mich nicht zurückhalten.

Als sie wieder aufblickt kann ich ihre Zerissenheit erkennen. Wenn es noch eine Chance für uns gibt, dann muss ich es wissen.
Da ich die Distanz zwischen uns nicht aushalten lege ich meine Arme genauso behutsam wie gerade ebend um ihre Taille. An die Stelle, wo Alex sie gerade noch berührt hat. Kaum merklich zuckt sie zusammen, doch sie hindert mich auch nicht daran.
Vorsichtig ziehe ich sie an mich heran. Als Ella ihren Kopf auf meiner Brust bettet merke ich durch mein Hemd wie erneut Tränen über ihre Wangen laufen.

So stehen wir eine ganze Weile da. In meiner Kehle hat sich ein Klos gebildet, der sich erst ein bisschen lockert, als Ella aufhört zu schniefen.

Ella: Jetzt habe ich dein schönes Hemd total vollgeheult.

Ihre Stimme ist leise und pipsig. Ich gucke auf sich herunter. Wenn wir uns so nah umarmen ist sie einen knappen Kopf kleiner als ich. Sanft befreit ich einen Arm aus der Umarmung und streiche ihr mit der Hand über die Haare. Dann lege ich mein Kinn vorsichtig auf ihren Kopf und fange an zu erzählen.
Mit ihr in meinen Armen fühle ich mich stark und kann endlich loswerden, was ich schon all die Tage mit mir rumgeschleppt habe.

Ich erzähle ihr unsere gemeinsame Zeit aus meiner Sicht. Bei den Erinnerungen muss ich oft unwillkürlich anfangen zu lächeln. Gleichzeitig spüre ich wie Ella sich etwas entspannt. Als ich zu dem Party-Abend komme stockt meine Erzählung und ich presse sie enger an mich. Zu meiner Verwunderung hält auch sie mich enger fest und gibt mir so die benötigte Sicherheit.

Ich erzähle Ella von der jahrelangen Konkurrenz zwischen Alex und mir und wie sehr mich das belastet hat. Dann spreche ich von meiner Ex, wie Alex sie mir ausgespannt hat und wie ich es ihm heimzahlen wollte, es aber nicht richtig geschafft habe.

Und dann erkläre ich ihr ihre Rolle in dem gesamten Bild. Wie schnell ich mich auf sie einlassen konnte und wie fasziniert ich bis heute von ihr bin.
Ich beteuerte mehrmals wie sehr es mir Leid tut und dass ich es so so gerne rückgängig machen würde.
Zum Schluss kann ich nicht anders und muss ihr meine Gefühle irgendwie verdeutlichen.

Luke: Du bist mir so verdammt wichtig geworden Ella. Selbst wenn ich mir verbieten wollte an dich zu denken, habe ich es doch unbewusst gemacht. Gott, ich habe sogar ein Bild von dir gemalt.

In diesem Moment beginnt Ella leise in meinem Arm zu lachen. Verwundert schaue ich auf sie hinab. Als ihre Augen meine treffen sagt sie auch endlich etwas.

Ella: Ich weiß. Ich habe es gefunden. Nur leider habe ich es dabei etwas, naja, ramponiert. Und da ich dachte, dass du mich eh nicht mehr sehen wolltest habe ich es schnell eingesteckt, damit du es nicht so vorfindet.

Ich bin verwirrt.

Wie ist sie darauf gekommen, dass ICH SIE nicht mehr sehen wollte?

The boy next doorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt