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~Luke~

Oh man. Wie peinlich war das denn bitte. Ich könnte Magda gerade den Hals umdrehen. Sie hat mich direkt ins offene Messer laufen lassen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass ich Ella nicht noch geweckt habe mit meinem Klopfen.
Trotz der Vorwürfe will mir das Bild von ihr in Schlafkklamotten aber nicht aus dem Kopf gehen.
Ihre Haare lagen verwuschelt auf dem Kopf und ihr Shirt hing leicht über die eine Schulter. Das dunkelblau stand ihr einfach super und ließ ihre hellen Haare wie flüssiges Gold aussehen. Die überlange Schlafanzugshose dazu ließ sie einfach noch kleiner und süßer wirken.

Total in meine Tagträume vertieft hatte ich garnicht mitbekommen, dass Ella ins Wohnzimmer getreten war.

Ella: Ähm hi. Ich wäre fertig. Was wollen wir jetzt machen?

Luke: Joa, ehrlich gesagt habe ich absolut kein Plan. Magda hat mich da gestern etwas überrumpelt, aber wenn du willst können wir ja ein bisschen spazieren gehen. Auch wenn es hier außer Felder, Wiesen und Tieren nicht besonders viel zu sehen gibt.

Ella: Dann habe ich aber wenigstens mal ein kleinen Plan von meinem neuen Umfeld.

Ich nicke nur und sie folgt mir durch den Flur raus ins Freie. Die Sonne scheint heute am blauen Himmel und es sind wunderbare 22°C.
Unschlüssig bleib ich aber vor der Straße stehen.

Luke: Rechts oder Links?

Ella: Keine Ahnung, entscheid du.

Oh man, dass ist so typisch Mädchen.
Ich nehme die linke Seite und wir gehen die Straße hoch, vorbei an Maisfeldern und Pferdekoppeln die zu dem Gestüt im Dörfchen nebenan gehören.
Irgendwann habe ich keine Lust mehr auf die Stille und versuche eine Konversation aufzubauen.

Luke: Du sag mal was hast du eigentlich angestellt, dass deine Mutter dich hierhergeschickt hat?

Diese Frage interessiert mich schon seit ihrer Ankunft. Ich kann mir weder vorstellen, dass Ella ein totales Bad Girl ist, noch, dass sie irgendetwas anderes schlechtes verbrochen hat.
Als sie mir nicht antwortet schaue ich sie an und bemerke, dass diese Frage scheinbar mehr als unangemessen war um ein erstes Gespräch aufzubauen.

Luke: Okay, vielleicht hätte ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen sollen. Es interessiert mich einfach nur, weil ich mir absolut keinen Grund vorstellen kann.

Ella: Weißt du Luke, vielleicht erzähle ich dir es ja irgendwann, aber im Moment will ich darüber echt nicht nachdenken.

Wieder herscht ein paar Minuten komplette Stille. Man kann sogar das Rascheln der Blätter im Wind hören.
Um irgendwie meine erste Frage wieder gut zu machen biete ich ihr an, dass wir ja einfach ganz banale Dinge fragen können. Nur um uns ein bisschen besser kennenzulernen.

Luke: Okay, ich mach mal den Anfang. Meine Lieblingsfarbe ist rot. Später möchte ich unbedingt einen eigenen roten Traktor haben, aber das ist glaube ich mehr so ein Landding. Was ist den deine Lieblingsfarbe?

Ella: Mhm, diese Frage hat mir echt lange keiner mehr gestellt. Aber ich glaube blau, nein hellblau. Das erinnert mich immer an den Himmel und wie frei man sich dort oben fühlen muss.

Luke: Bist du denn schonmal geflogen? Ich zum Beispiel noch nicht. Dafür haben meine Eltern einfach kein Geld und den Hof können wir auch nicht alleine lassen.

Ella: Ich bin schon geflogen. Aber nur als ich noch ganz klein war. Ich war bis jetzt auch erst in 2 anderen Ländern außer Deutschland. Frankreich und Österreich. Und du?

So hangeln wir uns immer weiter an kleinen Informationen entlang und ich erfahre, dass sie zwei Freundinnen  zuhause hat und das ihre Eltern getrennt sind. Bei einer Frage kommen wir dann allerdings ins Stocken. Mehr so nebenbei frage ich Ella was den so ihre Hobby's sind, weil wir gerade an der 4 Pferdekoppel vorbeigehen. Sie schweigt wieder lange.

Ella: Naja, ehrlich gesagt habe ich gar keine Hobbys. Die Schule nimmt mich im Moment echt in Beschlag und da bleibt nicht viel Zeit für andere Sachen.

Luke: Das klingt ja fast nach einer Ausrede! Ich gehe auch zur Schule und mache trotzdem ein paar Dinge nebenbei. Im Sommer treffe ich mich zum Beispiel mit Freunden in dem kleinen Freibad. Das sind nur 15 Minuten mit dem Fahrrad. Oder einmal im Monat haben wir im Jugendclub in Haselund ne Dorffete, wo alle zusammenkommen. Dort wird dann getanzt, getrunken und alle sehen sich so mal wieder. Einfach unter Leute kommen. Wenn du willst kann ich dich mal mitnehmen. Übermorgen, am Mittwoch ist es wieder soweit.

Ella: Nein, nein lass mal lieber. Ich stehe nicht so auf große Menschenmassen und neue Leute. Dafür bin ich viel zu schüchtern.

Luke: Ach komm schon. Dann kann ich dir auch ein paar mehr Leute in unserem Alter vorstellen. Die sind auch alle echt nett.

Von Ella kommt keine Antwort mehr, bis sie auf einmal geschickt das Thema wechselt.

Ella: Du sagtest gerade, dass du noch zur Schule gehst. Dabei hätte ich dich locker ein paar Jahre älter geschätzt als ich.

Luke: Wie alt bist du denn? Denn ich bin 17, werde aber noch 18 dieses Jahr.

Ella: Ja gut, dann bist du nur ein Jahr älter, aber trotzdem. Hast du dieses Jahr nicht die 12 beendet, oder bist du sitzen geblieben?

Luke: Sehe ich denn etwa so aus wie ein Sitzenbleiber?

Ich zwinker Ella zu, damit sie versteht, dass das ganze nur als Spaß gemeint war. Da sie aber betreten zu Boden guckt rede ich schnell wieder. Ich habe nicht schon wieder Lust auf diese Stille.

Luke: Also nein, ich komme jetzt in die 13. Ich versuche mein ABI zu schaffen, aber schon die 11 und 12 haben mich ganz schön gequält. Zugegeben, ich bin kein großer Streber. Schule läuft mehr so nebenbei, verstehst du. Ich will ja irgendwann noch leben.

Ella: Oh, da bin ich dann wohl das komplette Gegenteil.

Verwundert frage ich, warum sie das komplette Gegenteil sei, aber Ella weicht wieder aus.

Irgendwie werde ich nicht schlau aus diesem Mädchen. Aber genau diese unbeantworteten Fragen machen sie noch interesannter.

The boy next doorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt