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Nach einer halben Ewigkeit ebben meine Tränen ab. Peter bringt mir die dritte Taschtücherpackung, während der Mülleimer neben mir schon die anderen zwei beherbergt.
Vorsichtig hebt Magda ihre Stimme.

Magda: Wenn du möchtest kannst du uns erzählen, was passiert ist. Ich verspreche dir, du musst dir keine Sorgen machen, dass es aus diesem Raum hier rauskommt. Peter und ich wissen beide, dass nicht alle Menschen hier weiße Westen haben und viele können auch sehr gemein und ruppig werden. Aber das ist noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass du heute so traurig nach Hause kommst.

Peter: Genau! Niemand darf so mit meiner Nichte umgehen, dass sie weinen nach Hause kommt.

Peters plötzlicher Beschützterinstinkt bringt mich ein bisschen zum Lächeln. Niemals im Leben hätte ich damit gerechnet, dass ich den beiden so wichtig bin. Und da sie mir so ein Gefühl von Sicherheit geben beginne ich stockend von den Geschehnissen des Abends zu erzählen.
Von Luke, wie er mich alleine bei den Mädchen gelassen hat, von Jamie, die ihre Freundinen durch Angst kontrolliert und wieder von Luke, wie er meine Situation bei den anderen völlig falsch und lächerlich dargestellt hat.

Nach meinem Bericht schaut Peter mich noch mitleidiger und Magda noch fassungsloser an.

Magda: Oh Ella, dass tut mir so Leid für dich. Dass die Tochter von Jackobsen so tickt wissen im Dorf alle schon sehr lange, aber von Luke hätte ich so etwas nie gedacht. Wir kennen ihn nun schon seitdem wir hierhergezogen sind und nie habe ich so etwas schlechtes von ihm gehört.

Peter: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was ihn dazu getrieben hat.

Seine Aussage unterstreicht er mit einem Strinrunzeln.

Magda: Oh doch, eine Sache fällt mir da ein mein Lieber, die aus euch Männern allesamt Dorftrottel machen kann. Der Alkohol.

Protestierend hebt Peter den Finger, doch er wird stumm von Magda dazu angewiesen nix mehr zu sagen. Sie wendet sich wieder an mich.

Magda: Weißt du Ella, viele unsere Jungs, gerade der Jugendlichen kennen ihre Grenzen nicht. Wenn sie ihn ihrem Rudel einmal angefangen haben zu trinken, dann endet dies meistens in einem Debakel. Da ist der Herdetrieb unter den männlichen Wesen etwas ausgeprägter. Du willst nicht wissen, wie oft ich Peter schon bei seinen "Männern" zurückgelassen habe, weil es mir zu bunt geworden ist. Auch wenn das in keinstem Fall Lukes Verhalten rechtfertigt!

Wieder beginnt Peter zu protestieren.

Peter: Also so kann ich das aber nicht stehen lassen. Das klingt ja so, als wären wir die totalen Säufer. Ich will ja nicht über den Weinkonsum von dir und den Frauen anfangen, wenn ihr mal wieder einen eurer Schnatterabenden habt.

Magda: Also wirklich, willst du jetzt auch noch die Vorurteile rausholen?

Nach der Frage beginnen beide zu lachen.

Peter: Nein, irgendwo hast du ja Recht. Nochmal Ella, es tut mir echt Leid, dass du das so miterleben musstest. Eigentlich ist Luke ein sehr gut erzogener Kerl, aber manchmal sprich auch einfach der Mann aus ihm.

Für den letzten Satz kassiert er einen kleinen Boxer an der Schulter von Magda.
In diesem Moment fällt mir wieder auf, wie unterschiedlich Magda und meine Mutter sind. Sie hätte Peters Antwort direkt als Streitbeginn interpretiert, doch hier läuft alles harmonisch. Mehr ein kleiner Schlagabtausch.

Ella: Darf ich mal anmerken, wie toll ich euch beide finde. Danke, dass ihr mich gerade so aufgebaut habt. Sonst stehe ich immer alleine da.

Magdas Miene verfinstert sich, doch schnell versucht sie wieder zu lächeln.

Magda: Das tut mir echt Leid für dich Ella. Aber das sieht meiner Schwester sehr ähnlich. Sie war noch nie gut mit Gefühlen oder Empathie. Aber lass uns nicht darüber reden.

Immer noch ist der Fehrnseher im Hintergrund zu hören. Ich möchte jetzt nicht alleine sein und Frage deswegen, was Magda und Peter da eigentlich gerade gucken.
Beide erzählen mir abwechselnd von der Serie, die über den Bildschirm flackert.

Peter: Möchtest du mitgucken?

Auf einmal fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit Angst vor dem Moment hatte, in dem Magda oder Peter mich nach oben schicken, weil sie alleine sein wollen. Meine Angst war aber total unbegründet. Die beiden sind einfach wahre Engel.
Lächeln sage ich, dass ich gerne zugucken würde.

In die Decke gekuschelt schaue ich noch das Ende der Folge mit. Die nächste bekomme ich garnicht mehr mit, da ich an Magda gelehnt eingeschlafen bin.

The boy next doorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt