-23-

178 6 0
                                    

Erst nach ein paar Metern fällt Luke auf, dass er immer noch meine Hand hält. Schnell lässt er sie los und ich muss feststellen, dass sich ein Gefühl der Enttäuschung in mir breit macht. Seine Hand war so warm und weich. Ich hätte sie noch Stunden weiter halten können.

Na toll, soviel zum Thema nicht verknallen, denke ich.

Luke läuft zielstrebig weiter und ich habe Mühe mit ihm mitzuhalten.

Ella: Wo willst du überhaupt hin?

Luke: Du wirst schon sehen. Aber stell dich auf einen kleinen Fußmarsch ein.

Oh man, warum kann der Junge nicht einfach mal sagen, was er vorhatte?

Wir verlassen den Hafenbereich und überqueren die Gleise. Rechts erkenne ich große Gebäude und links laufen gerade ein paar Schafe über die Salzwiesen.

Luke: Guck mal, Ella. Dort drüben beginnt der Industrieteil des Hafens, also der Bereich in dem alle Schiffe die hier beladen ankommen abgefertigt werden.

Total nebenläufig erwähnte Luke meinen Namen in diesem Satz, doch aus seinem Mund klang er einfach so viel mehr als nur alltäglich. Das erste mal hatte er ihn gesagt und von mir aus könnte er es noch 100 mal machen.
Doch er ist mir schon wieder eine Fußlänge vorraus und so konzentriere ich mich mehr darauf nicht unnötig zurückzufallen.

Am Ende der Straße und nach ungefähr 10 Minuten Fußweg begann sich eine Art Berg mit Gras neben uns aufzurichten.

Ella: Warum ist hier auf einmal so eine große Erhebung auf der linken Seite?

Da ich echt absolut keine Ahnung vom Norden Deutschlands habe ist es mir fast ein bisschen peinlich die Frage zu stellen, aber neugierig bin ich schon.
Luke schaut mich wieder nur lächelnd an.

Luke: Das ist der Deich. Hast du sowas echt noch nie gesehen?

Ella: Nein, echt nicht. Ich war bis jetzt nur im Süden und da gibt es sowas ja nur als normalen, natürlichen Berg. Wozu ist das denn da?

Luke: Der Deich schützt uns vor der Nordsee. Die wird nämlich öfters mal sehr ungestüm und dann kann es leicht passieren, dass das Wasser über die Ufer tritt. So sorgen die Deiche als erste Instanz dafür, dass die darunterliegende Landschaft nicht sofort überflutet wird.

Ella: Also liegt direkt dahinter das Wasser?

Luke: Naja, nicht ganz. Aber die Frage kannst du dir gleich selber beantworten. Wir gehen nämlich gleich auf den Deich.

Ella: Darf man dass den so einfach?

Überall um den Deich befinden sich Zäune und Schafe liegen im Gras. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir da hochkommen sollen.

Luke: Ja klar können wir da rauf. Natürlich nicht überall, aber dort hinten kann man das Gatter zu einem asphaltierten Weg öffnen. Keine Sorge, ich würde hier nix illegales mit dir machen.

Sein letzter Satz beruhigt mich. Das letzte was ich will ist, dass meine Mutter mich nach diesen 6 Wochen für noch gestörter hält wie so scheinbar schon.

Eilig folge ich Luke, der schon das Gatter für mich aufhält. Ich schlüpfe hindurch und warte, bis er wieder neben mir läuft. Dann gehen wir gemeinsam die Schräge hoch.
Endlich haben wir die höchste Stelle erreich und ich kann über den Deich hinüberschauen.

Oh man, was für eine Aussicht.

The boy next doorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt