~Luke~
Luke: Und, wie findest du es?
Total fasziniert starrt Ella auf die Farbkombination aus dem blau des Himmels und des Wassers, dem braun-grau des Watts, dem weiß der Schafe und dem saftigen grün der Wiesen.
Ella: Das ist echt...unbeschreiblich.
Zufrieden grinsend drehe ich mich um und geht ein paar Schritte den Deich hinunter. Immer noch gefesselt von der Schönheit der Natur bleibt sie aber stehen. Nach ein paar Metern bemerke ich es auch und drehe mich um. Langsam laufe ich zurück zu ihr.
Sanft lege ich meine Hand in ihre und ziehe sie ein kleines Stück mit den Weg hinunter. Als sie wieder aus ihrer Trance erwacht schaut sie zunächst in mein Gesicht und dann erstaunt auf meine Hand in ihrer. Doch im Gegensatz zu vorhin belasse ich es diesmal dabei, denn dieses Gefühl ist einfach wunderschön.
Luke: Komm, lass uns nach unten ans Wasser gehe. Also zu dem bisschen, was im Moment da ist.
Gemeinsam gehen wir den Deich nach unten. Erleichtert stelle ich fest, dass Ella scheinbar nix dagegen hat meine Hand zu halten.
Als wir unten ankommen trennt uns nur noch eine Treppe nach unten vom Watt.Luke: Hier ist es zwar viel matschiger als an dem Ort wo ich mit dir aufs Watt hinaus wollte, aber was hältst du davon, wenn wir einfach reingehen.
Ella: Einfach so? Aber dann werden meine Schuhe doch total dreckig. Und was machst du dann mit deinem Rucksack?
Ihr ungläubiger Blick in den braunen Augen ist einfach fantastisch. Ich kann mir ein kleines Grinsen einfach nicht verkneifen.
Luke: Natürlich ziehen wir die Schuhe vorher aus. Und meinen Rucksack lasse ich dann einfach bei denen liegen. Hier kommt schon nix weg und außerdem haben wir ja trotzdem alles im Blick. Also, sind wir spontan?
Ich kann förmlich sehen wie Ellas Gehirn rattert. Scheinbar war sie noch nie wirklich spontan und hat immer alles durchgeplant, ist immer auf Nummer sicher gegangen. Aber genau das Gegenteil will ich in ihr entdecken. Herausfinden, ob sie schon immer so organisiert und zurückhaltend war.
Ella: Ich weiß nicht, wir haben doch keine Handtücher um uns danach wieder sauber zu machen.
Ihre Miene ist immer noch unschlüssig. Um ihr zu zeigen, dass das alles nicht so schlimm ist, ziehe ich meine Schuhe aus und stopfe die Socken mit hinein.
Danach lege ich den Rucksack zu den Schuhen und gehe vorsichtig die vom Schlick rutschige Treppe nach unten zum Watt. Trotz Ebbe ist der Boden voller Wasser und so breitet sich eine Art Matschfeld vor mir aus.
Langsam hebe ich meine Fuß von der letzten Stufe und setzte ihn auf die Fläche, auf der sonst die Nordsee den Boden mit Wasser bedeckt. Sofort schließ der feuchte und kalte Matsch meine Fuß ein. Als ich mit beiden Füßen im Watt stehe drehe ich mich zu Ella um.Luke: Guck, es ist garnicht schlimm. Und deine Füße kannst du danach auch abspülen.
Mit einem Finger zeige ich auf die Duschen, die an jeder Treppe angebracht sind.
Nun hat die Blonde keine Gegenargumente mehr. Geschlagen zieht auch sie ihre Sneakers aus und folgt mir.
Als Ella den ersten Fuß ins Watt setzt quietscht sie erschrocken auf. Scheinbar hat sie nicht damit gerechnet, dass es so rutschig ist. Wie in Zeitlupe sehe ich, dass sie ihr Gleichgewicht verliert. Zum Glück kann ich aber blitzschnell reagieren und fange sie auf, bevor sie auf den Boden fällt.Ella: Danke, das war echt knapp.
Schnell richtet das Mädchen sich wieder auf und justiert sich so, dass sie im Gleichgewicht bleibt. Vorsichtig stakst Ella ein paar Schritte vor.
Ich folge ihr, doch nach einiger Zeit reitzt mich die weite Fläche einfach zu sehr. Meine Beine werden schneller und ich beginne in Richtung Horizont zu rennen.Früher war ich oft hier mit Leonie und meinen Eltern. Doch in den letzten Jahren ist es immer seltener geworden. Hier habe ich mich immer frei gefühlt und auch diesesmal überkommt mich das Gefühl.
Atemlos bleibe ich nach einer ordentlichen Strecke stehen und drehe mich um. Ella läuft auf mich zu, aber nicht so schnell wie ich. Sie wirkt konzentriert und versucht scheinbar nicht noch einmal einen Beinahe-Bauchklatscher hinzulegen. Gutmütig komme ich ihr ein Stück entgegen.
Ella: Wie kannst du nur so schnell laufen ohne hinzufliegen? Das sah so leicht aus.
Luke: Tja, Übung scheint den Meister zu machen.
Siegessicher lächel ich sie an. Ein unsicheres Lächeln kommt zurück, aber es ist das schönste, was ich je gesehen habe.
Zusammen laufen wir zurück zur Treppe. Ich helfe ihr sicher nach oben zu kommen und lasse Ella als erste ihre Füße abwaschen. In der Zeit, in der ich meine vom Matsch befreie, wischt sie ihre am Rasen ein bisschen trocken, ehe wir wieder unsere Schuhe anziehen. Langsam müssen wir auch zurück, denn in einer 3/4 Stunde kommt der Bus und Harri wartet nicht gerne auf rennende Fahrgäste.
Luke: Lass uns wieder zum Hafen gehen. Nicht das wir nachher den Bus verpassen.
Liebend gerne würde ich wieder Ellas Hand nehmen, aber ich hoffe, dass sie das irgendwann aus Eigeninitiative machen wird. Nicht, das sie sich nur einfach nicht traut mich abzuschütteln.
Wir laufen den Weg den wir am frühen Nachmittag gekommen sind wieder zurück und erreichen sogar 25 Minuten bevor der Bus kommt den Hafen.
Luke: Schau, langsam füllt sich der Hafen wieder und die Flut kommt zurück.
Interessiert blickt Ella in das Hafenbecken.
Ella: Irgendwie schon komisch wie schnell sich die Dinge ändern können. Mal ist alles da, was man sich wünscht und dann ist es wieder spurlos verschwunden.
Hoffentlich gehöre ich zu dem Teil, den sich Ella wünscht.

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The boy next door
Teen FictionKennst du das, wenn ein einschneidendes Ereignis dein Leben so verändert, dass du nie wieder wie vorher sein wirst? So geht es der 17-jährigen Ella. Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht sie sich immer mehr zurück und niemand kann mehr richtig zu...