Ich kann nicht aufhören.

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Ich erstarrte. Das hatte er nicht wirklich gesagt. Das hatte er nicht wirklich gesagt!!!
Ich war wie erstarrt, wusste nicht was ich sagen sollte wie reagieren. Dr. Rosenbaum starrte mich mit aufgerissenen Augen an. George hatte eine entschuldigende Demutshaltung eingenommen und ich? Ich war völlig perplex.
In dem Moment ging die Tür auf und Luke kam rein.

Konnte es denn noch besser werden?

Meine Gefühlswelt explodierte in mir. Ich wollte gleichzeitig schreien, heulen, schweigen, um mich schlagen, aber vor allem wollte ich wegrennen.
Ich zeigte auf George und schrie
"NEIN!
Neinneinneinneinenienneinnein!!! Das hast du nicht gesagt! Nein das stimmt nicht!" währenddessen schlug ich die Decke zur Seite und wollte aufstehen doch der Arzt drückte mich zurück auf die Liege. "Du darfst noch nicht aufstehen. Dein Bein muss ruhn'!"
"Nein!" brüllte ich wieder. Ich wiederholte es unzählige Male. Und schüttelte, um meine Aussage zu unterstützen, den Kopf. Mir wurde schwindelig und ich bekam Kopfschmerzen. Ich schlug um mich um mich zu verteidigen, wovor wusste ich selbst nicht. Ich atmete immer schneller und abgehackter und spürte wie Adrenalin durch meine Adern gepumt wurde.
"Raus!" brüllte der Arzt Luke an und George packte ihn bei der Hand und zog ihn aus dem Zimmer.
Ich spürte einen Picks an meinem Oberarm und als ich an mir herunter sah, hatte Dr. Rosenbaum mir eine Spritze gegeben. "Es ist nur ein Beruhigungsmittel." ich spürte sofort wie ich ruhiger wurde und langsam schlapp in die Kissen sank. Ich schlief nicht ein trotzdem beruhigte sich meine Atmung und mein Puls normalisierte sich wieder. "Du warst gerade dabei einen Nervenzusammenbruch zu erleiden."
Mit großen Augen sah ich Dr. Rosenbaum an.
"Hey." sagte er sanft. "Ich hole deinen Freund wieder rein, aber wir machen nichts was du nicht möchtest, Ok?" fragte er und ich nickte.
Dr. Rosenbaum öffnete kurz die Tür und George schlüpfte herein.
Beide sahen mich an doch keiner sagte etwas.
Dafür wollte ich etwas sagen. "Was hast du getan?" flüsterte ich zu George gewannt. Man sah ihm an, dass es auch für ihn schwer war.
"Sieh mal Kleiner. Es musste doch irgendwann mal zur Sprache kommen." "Nein musste es nicht." erwiderte ich sofort trotzig.
"Doch. John du machst das jetzt schon seit mehr oder weniger drei Jahren und es muss langsam aufhören." er hatte es gewusst? Er hatte es seit dem ersten Tag gewusst?
Am Anfang hatte ich es nicht wirklich oft gemacht. Auch nicht wirklich intensiv. Ich hatte meine Peitsche alle zwei Monate raus geholt. Vorletzten Sommer hatte ich dann häufiger begonnen mich zu strafen, da ich gehofft hatte so die Gedanken zu vertreiben, die ich immer häufiger bekam. Doch das schlimmste waren meine Träume die ich einfach nicht kontrollieren konnte. Aber wieso sollte ich damit aufhören?

"Nein ich kann nicht aufhören die Gedanken kommen immer wieder. Und ich fühle mich sonst schlecht so zu denken. "Dann sei vernünftig und beichte." "Nein, das kann ich nicht. Niemand darf davon erfahren." flüsterte ich seltsam ruhig. "Du musst es ihnen aber sagen." "Sie würden das nicht verstehen. Es ist falsch." "Nein John. Liebe ist nicht falsch."
"Aber Verlangen." antwortete ich.
In dem Moment öffnete sich die Tür wieder und Bruder Benedikt mit Pater Peter traten ein. "Oh nein." stöhnte ich. Und Dr. Rosenbaum erklärte. "Wir haben deine Erziehungsberechtigten informiert als du eingeliefert wurdest."
Bruder Benedikt sah mich besorgt an.
"Ich hatte gehofft. Du würdest zur Beichte gehen." seufzte er. "Ja ich weiß." murmelte ich. "Bruder John." sprach nun auch der Pater. "Ich denke es ist Zeit, dass du die Beichte ablegst. Da das dich anscheinend mehr Überwindung kostet als dir selbst weh zu tun ist es denke ich eine angemessene Art vor Gott deine Demut zu beweisen." "Ja Pater." antwortete ich mit gesenktem Kopf. Ich wagte es nicht ihm zu widersprechen. Pater Peter legte die Fingerspitzen aneinander und wandte sich an Dr. Rosenbaum, George und Bruder Benedikt. "Würden sie uns kurz alleine lassen?" Sie verliesen den Raum und Pater Peter wandte sich wieder mir zu. Er setzte sich an meine Bettkante und sah mich aus seinen weisen Augen an. Ich hatte wie immer das Gefühl er könne mir direkt in die Seele schauen.

"Vergib mir Pater denn ich habe gesündigt." begann ich so wie immer. Meine letzte Beichte war einige Zeit her. Um genau zu sein fast zwei Jahre.
"Was bedrückt dich mein Junge?" fragte er und schaute mir in die Augen.
Wir lieferten uns ein Blickduell so wie wir es früher immer gemacht hatten, wenn ich nicht sagen wollte, wenn ich etwas verbockt hatte. Mein Körper wehrte sich nochimmer mit jeder Faser dazu es zuzugeben.
Schließlich senkte ich meinen Blick als Zeichen der Kapitulation. "Ich...i-ich habe... Ich ich bin..." ich bekam die Worte einfach nicht über meine Lippen so sehr ich mich auch dazu zwang. Ich presste meine Lippen zusammen. Doch es wollte einfach nicht heraus kommen. Die Worte steckten in meinem Hals fest. "Lass dir Zeit." sagte er beruhigend und legte eine Hand auf mein Knie. Ich kniff die Augen zusammen und stellte mir die Worte im Kopf vor.

Ich habe mich verliebt. Verliebt. Verliebt.

"Ich habe mich verliebt." so jetzt war es raus. Ich hob meinen Blick obwohl ich unglaubliche Angst vor seiner Reaktion hatte und bemerkte an meiner verschwommenen Sicht, dass mir Tränen in den Augen standen. Oh nein! Jetzt heulst du hier auch noch rum! Schwächling!
"Das ist noch nicht alles?" fragte Pater Peter. "Ich.." verzweifelt einen Ausweg suchend, schaute ich zur Seite Richtung Fenster. Wenn ich das jetzt sagen würde wäre ich ab morgen mit Sicherheit obdachlos. Sojemanden wie mich wollte doch keiner haben. Vor allem würde ich niemals ein guter Mönch werden können. Ich verstand mich ja selbst nicht. Wie konnte ich das von den anderen erwarten. Wie konnte ich mich nur verlieben?
"Ich kann das nicht."
"Warum nicht?"
"Wenn ich es sage, werde ich niemals ein guter Mönch werden können."
Er überlegte einen Augenblick bevor er sprach.
"Wie ich das verstehe bist du bereits verliebt. Es lässt sich daran also nichts mehr ändern.
Auch solltest du wissen, dass nicht jeder Mensch dazu bestimmt ist Mönch zu sein. Stell dir doch vor jeder würde so leben wie wir. Wir hätten keine Ärzte, Wissenschaftler, Techniker, keinen Fortschritt. Fortschritt ist etwas gutes. Die Kirche muss sich nur daran anpassen und darauf hinweisen wenn der rechte Weg verlassen wird. Würden alle Menschen in Enthaltsamkeit leben würde unsere Art schon nach kurzer Zeit aussterben. Vielleicht ist dein Weg anders bestimmt vielleicht hat der Herr sich etwas anders für dich überlegt und dir deine Liebe geschickt bevor du dein Zölibat ablegen könntest und dich ihm versprächest."
Seine Worte wirkten beruhigend auf mich, obwohl sie mein ganzes Leben durcheinander warfen.
Die Worte schienen plötzlich einfach da zu sein.
"...es ist ein Junge."

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