Das kleine Kapellchen

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Wir hatten noch ein paar Fotos dort auf der Wiese gemacht und waren dann weiter gegangen, auf der Suche nach ein paar spannenden Kulissen. Nun waren wir bereits in einem sehr abgelegenen Teil des Parks als Luke eine kleine Kapelle entdeckte. Er tippte mir auf die Schulter und zeigte mit dem Finger darauf und da gab es für mich kein halten mehr.
Ich musste sie einfach sehen. Das kleine Kapellchen war so unscheinbar zwischen den Bäumen versteckt und mit einem überwuchteten Zaun umrundet, dass man erst zweimal hinsehen musste um es richtig zu erkennen. Ich lief schnell darauf zu und probierte als ich angekommen war in die Tür offen war. Sie schwang knarrend auf und gab die Sicht auf einen spärlich beleuchteten Innenraum frei. Innerlich quitschte ich freudig auf, als ich sie betrat.
Sie war sehr urig eingerichtet. An der Decke waren wunderschön Bunte Fresken vom Erzengel Gebriel. Links und rechts waren fünf reihen Bänke aufgestellt, welche ebenso schön mit Schnitzereien verziert waren wie der Altar. Ich knite mich vor jenen und bagnn ein schnelles Gebet.
"Lieber Vater,
ich danke dir für diesen wunderschönen Tag. Ich danke dir dafür, dass du mir Luke gebracht hast und er mich zum lachen bringt. Bitte beschütze ihn bis...bis er alt und grau wird und immer noch so wunderschön ist wie jetzt. Denn seine Schönheit wird nie vergehen.
Amen."
Ich sah auf zu der mit Staub bedeckten Jesusfigur und bekreuzigte mich einmal bevor ich wieder Aufstand. Ich hatte mein Gebet so leise gemurmelt, dass Luke es nicht gehört haben konnte.
Als ich mich lächelnd zu ihm umdrehte, schoss er gerade ein Foto.
"Du wirkst hier so vertraut." meinte er.
"Tuh' ich das?"
"Ja. Du weist irgendwie genau wie du dich verhalten sollst. Ich fühl' mich hier..." er sah sich um."...eher fremd."
"Das ist schade, hier ist es doch so schön. Es erinnert mich an zu Hause."
"Klar." er nickte. "Ist es für dich Ok. Wenn wir hier auch ein paar Fotos machen? Oder verstößt das gegen irgendeine Regel, oder sowas?" Gegen eine Regel? Gab es dafür überhaupt 'Regeln'? Ich hatte noch nie etwas von sowas gehört. Schließlich gab es Kirchen ja auch schon länger als Kameras, da konnte es ja keine 'Regeln' geben. Wie er das sagte war irgendwie süß. Das er mich fragte ob es ok sei fand ich schön. Es zeigte Respekt vor mir und meiner Religion.
Aber klar es war nicht verboten in Kirchen Fotos zu machen.
Irgendwelche anstößigen oder entweihenden Dinge würden wir hier eh nicht machen also was sprach dagegen?
"Ich fände es in Ordnung."
"Super. Kannst du dich dann vielleicht mal da hin stellen?" er wies auf einen Fleck, neben einem kleinen runden Fenster. Das Licht schien durch die Scheibe und gab eine besondere Atmosphäre.
"Bitte schau einfach ganz normal in die Kamera. Nicht lächeln, nicht lachen. Einfach alle Gesichtszüge ganz entspannt."
Ich tat was er sagte. Ich bemühte mich meinen Blick möglichst ruhig zu halten.
Mein Mund war leicht geöffnet und meine Augen ziemlich weit offen. Eine Strähne fiel mir ins Gesicht, doch als ich sie wegwischen wollte, brummte Luke unzufrieden, also ließ ich sie so wie sie war.
In diesem Moment schoss mir so vieles durch den Kopf.
Die Linse der Kamera ist rund - Diese kleine Kapelle ist süß, ich muss sie mal mit meinem Orden besuchen - ob ich mal wieder nach Rom komme - ob Luke schonmal in Rom war - ob ich mal mit Luke befreundet sein würde - nicht bewegen, nicht zwinkern - wie steh ich eigentlich? - ist das so richtig? -soll ich eher grade stehen? - so oder so eingeknickt? -

"Perfekt." riss mich Luke plötzlich aus meinen Gedanken und schaute auf seine Kamera. "Willst du mal sehen?" ich war relativ überrascht bis jetzt hatte er mich das nicht gefragt. "Ach nein!" rief er dann plötzlich. "Es ist noch besser wenn du es dann in groß siehst! Wie wäre es, du kommst heute Abend in mein Zimmer und wir schauen uns zusammen die Fotos an?" Etwas perpelx nickte ich. Klar,schon schließlich wollte ich die Fotos sehen, aber die Vorstellung ihn heute abend in seinem Zimmer zu sehen übertumpelte mich irgendwie.
"Ok." lächelte er wieder und sah ich ihn vielleicht einen Moment zu lang an. Obwohl er fast einen Meter von mir entfernt stand, hatte ich das Gefühl ihm ganz nah zu sein.
Wieder machte er ein Foto.

Er machte noch ein paar Bilder in der Kapelle. Nicht viele. Vielleicht vier oder fünf und dann verschwanden wir wieder nach draußen.
Wir entschieden den sandigen Weg zurück zum Schloss zu laufen. Als wir an der Bank ankamen auf der wir George zurück gelassen hatten, fanden wir ihn dort schlafend vor. Sein Finger war in einer Seite in seinem Buch und sein Kopf war leicht zur Seite gerollt. Ich weckte ihn sanft auf und wir gingen zu dritt zurück ins Schloss.
Es war bereits 17 Uhr als wir zurück in unser Zimmer kamen und ich legte mich erschöpft aufs Bett. Mein verletztes Bein schmerzte doch noch etwas. Ich hätte es vielleicht heute noch nicht so sehr belasten sollen.
Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn das piepen meiner Armbanduhr zur Vesper weckte mich. Ich schreckte hoch und bemerkte, dass ich allein war. George musste wohl gegangen sein. Ich rappelte mich auf, kniete mich vor mein Bett, faltete die Hände und betete.

Gegen sieben kam George um mich zum Abendessen zu holen. Wir machten uns auf und liefen nach unten in den Essensahl. Dort setzten wir uns so wie immer ganz ans Ende der Tafel. Ich sprach noch schnell ein Tischgebet - wobei George sich wieder mir anschloss - und dann machten wir uns ans Essen.
Es dauerte nicht lange, bis Luke sich wieder zu uns setzte. Genau mir gegenüber. Obwohl ich den ganzen Nachmittag mit ihm verbracht hatte, wurde ich nervös und begann auf meiner Unterlippe zu kauen. Diesmal senkte ich jedoch nicht meinen Blick sondern versuchte mich nicht komplett aus dem Gespräch auszuschließen.
"Na was hast du so gemacht?" fragte George als Luke Messer uns Gabel in die Hand genommen hatte. "Ich hab mir die Bilder angeschaut, sind super geworden. Ich freu mich schon wenn du sie nachher siehst." lächelte Luke zu mir. "Ist es Ok für dich, wenn ich sie mir auch mal angucke?" fragte George an mich gewannt. "Klar. Wenn dich das interessiert." "Aber immer doch. Du bist doch mein bester Freund." zwinkerte er und brachte mich damit irgendwie in Verlegenheit. "Kommst du nach dem Essen gleich mit zu mir?" fragte mich nun wieder Luke. Ich wollte zuerst nicken, doch dann viel mir ein, dass ich noch duschen wollte und ihm seine Sachen zurück geben. "Ich also ich - ich brauch noch Zeit." "Ok. Dann hol ich dich so gegen acht ab?" ich nickte.
Das war doch zum verrückt werden. Warum wurde ich in seiner Gegenwart immer so nervös? Gerade da konnte ich es doch am wenigsten gebrauchen.
Als ich zu George blickte sah ich schon wieder dieses Grinsen in seinem Gesicht was er in letzter Zeit andauernd auf hatte wenn wir mit Luke sprachen. Ich würde jetzt zu gerne in seinen Kopf gucken und schauen was er dachte.

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