Die Zeit verflog. In der letzten Woche vor den Ferien hatten wir im Unterricht so gut wie nichts mehr wichtiges gemacht. Ich war noch zweimal bei Luke zum Schwimmen gewesen. Meine Fortschritte waren eher mäßig, aber es hatte trotzdem Spaß gemacht, allein, weil ich Zeit mit ihm verbracht hatte. Heute war Freitag, also der letzte Tag vor den Ferien. Der Unterricht war schon vorbei und George und ich liefen gerade aus dem Schulhaus. Luke war schon nach der Dritten nach Hause gefahren, aber er würde mich morgen früh abholen, weshalb wir uns nicht wirklich richtig verabschiedet hatten. "Jo, wir sehen und dann erst nach den Ferien wieder." meinte George etwas niedergeschlagen, als wir aus dem Schultor gingen. Ein paar Fünftklässer rannten freudig an uns vorbei und brüllten: "Nichts gerafft und doch geschafft." George schaute ihnen melancholisch nach. "Und du und dein Brotaufstrich ihr fahrt heute morgen früh zusammen nach München?" fragte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Ich nickte. "Lass ihn nicht näher rann als du willst Kleiner." meinte er dann wieder ernst und ich nickte. Ich wusste, dass Luke mich nie zu etwas drängen würde was ich selber nicht wollte, aber es war schön zu wissen, dass er sich sorgte. "Hast du dir schon was vorgenommen?" fragte ich während wir unseren Weg zu dem kleinen roten Auto von Bruder Benedikt fortsetzten. "Partys und Saufen." sagte er und warf dabei genießerisch den Kopf zurück, sodass seine Locken nach hinten fielen. "Ich will mich mal wieder so richtig voll laufen lassen." er genoss die Sonnenstrahlen, die sein Gesicht küssten und lächelte einfach nur selig. Ich musste auch lächeln als ich ihn so sah. Er verstand es einfach, das Leben so zu nehmen wie es war und das beste daraus zu machen. Ich bewunderte ihn für seine Fähigkeit, das Schöne in den kleinen Dingen wahrzunehmen. Mittlerweile waren wir am Auto angekommen und Bruder Benedikt lugte vom Fahrersitz durch die Beifahrerscheibe. "Sollen wir dich ein Stück mitnehmen?" fragte er George, dieser riss sich aus seinen Gedanken und beugte sich, dann so herunter, dass er Bruder Benedikt sehen konnte. Er stützte sich im offenen Fenster ab. "Nein. Ich bin mit dem Rad hier, aber danke." Bruder Benedikt nickte und George richtete sich wieder auf. "Dann müssen wir uns wohl jetzt verabschieden." ich nickte und brachte ein erzwungenes Lächeln hervor. Ich war kein Fan von Abschieden, auch, wenn sie nur für kurze Zeit waren. George beugte sich zu mir herunter und ich schlang meine Arme um ihn. Er drückte mich fest an sich und klopfte mir zweimal auf den Rücken ehe wir uns wieder lösten. "Bis nach den Ferien." sagte er. "Bis nach den Ferien." erwiderte ich und stieg ins Auto. Ich winkte ihm noch kurz bis er außer Sichtweite war und lehnte mich dann in den Sitz zurück. Der Wind wendelte durch meine Haare und ich genoss es wie er an meiner Nase kitzelte. So konnten die Ferien doch super losgehen!
Als wir im Kloster ankamen, ging ich direkt rauf in mein Zimmer, um meinen Koffer herunter zu holen. Der stand schon gepackt vor der Tür, sodass man direkt drüber fiel, wenn mein rein kam. Lustiger Weise hatte ich fast all meine Sachen für die paar Tage gepackt. Ich besaß wirklich nicht viel Kleidung. Einen Stapel T-Shirts, lange und kurze drei paar lange Hosen und zwei kurze, Unterhosen und erstaunlicherweise eine beachtliche Menge an Sweatpullovern. Natürlich hing auch ein Anzug in meinem Schrank, den ich aber selten anzog.
Nachdem ich meinen Koffer, die Treppe hinunter getragen hatte, aß ich mit den anderen Mönchen Mittag. Schon am Esstisch konnte ich mich nicht wirklich auf das Gespräch konzentrieren und den Rest des Nachmittags war ich vollkommen durch den Wind. Ich versuchte Bruder Alexander zu helfen und mich mit Gartenarbeit abzulenken, aber auch das wollte nicht so recht klappen. Kein Wunder also, dass ich Abends völlig fertig um neun ins Bett fiel obwohl ich eigentlich nicht wirklich was gemacht hatte. Pater Peter hatte mich noch zu Bett gebracht und daran erinnert, dass ich um sieben Uhr den Wecker stellen musste. Nachdem wir gemeinsam das Komplett gebetet hatten, legte ich mich hin und er erzählte mir eine Geschichte von früher, bevor ich zum Kloster kam. Das hatten wir schon ewig nicht mehr gemacht, aber es fühlte sich gut an, irgendwie vertraut. Bevor er ging küsste er mich auf die Stirn und schaltete meine Nachttischlampe aus. Im Schein des blassen Mondes konnte ich sehen, wie seine Gestalt durch die Tür schlüpfte und kurz darauf fielen mir auch schon die Augen zu.
Ich spürte ein leichtes Wackeln und dann ein paar Lippen auf meiner Stirn und eine Hand an meiner Wange. Ich wurde hoch gehoben und an einen Köper gedrückt. "Hm?" brummte ich und zwang mich dazu ein Auge halb auf zu machen. Was war denn los? "Alles Ok Baby, schlaf weiter." hörte ich eine Stimme die nach Honig klang und entspannte mich sofort. Meine Augen fielen wieder zu und ich merkte wie ich aus meinem Zimmer, das Atrium entlang und die Treppe runter nach draußen getragen wurde. Wieder ein paar Lippen auf meiner Stirn und eine Hand die durch meine Haare fuhr. "Viel Spaß Kleiner." das war Bruder Benedikt. Ich öffnete ein Auge und sah ihn lieb lächelnd vor mir stehen. Ehe ich darüber nachdenken konnte, warum mein Wecker nicht geklingelt hatte und es noch stockfinster war, wurde ich schon sanft ins Auto geschoben auf, den leicht zurück geklappten Beifahrersitz gelegt und mit einer flauschigen Decke zugedeckt. Ich sank zurück in das Reich der Träume.
Als ich das nächste mal aufwachte, waren wir gerade auf der Autobahn. Ich sah wie die Scheinwerfer ein blaues Schild am Straßenrand streiften. "München" stand darauf und eine Kilometerzahl, die ich so schnell nicht hatte sehen können. Luke bemerkte, dass ich wach war, weil ich mich ein bisschen bewegt hatte. Ich spürte seine Hand, die über meine Schulter strich. "Schlaf weiter Baby, wir müssen noch eine Weile fahren." brummte er lieb und strich weiterhin beruhigend über meinen Arm. Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und es dauerte nicht lange, da hatte das gleichmäßige wiegen des Autos mich wieder einschlafen lassen.
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Religious
RandomJohn ist überzeugter Christ. Sein ganzes Leben führt er nach den Lehren Gottes und zweifelt nie an ihrer Richtigkeit. Doch dann taucht plötzlich ein neuer Schüler auf und wirft ihn in einen Konflikt zwischen seinem Glauben und seinen Gefühlen. "Wa...