Der berühmte Maler hatte einen Liebhaber? War das nicht zu seiner Zeit strengstens Verboten und wurde man dafür nicht sogar schwer gestraft, vielleicht sogar mit dem Tod? Wer war dieser geheimnisvolle Geliebte von dem die Frau gesprochen hatte? Und wie hatten sie miteinander gelebt? Hatte das denn niemand heraus gefunden? Ein Knäuel aus Fragen explodierte in meinem Kopf. Und ich wollte sie alle beantwortet haben, am besten sofort. Hastig wandte ich mich von dem Gemälde ab, welches soeben noch meine vollkommene Aufmerksamkeit inne hatte und suchte im Gedränge nach der Frau zu der diese laute Stimme gehörte. Ich erkannte sie als eine blonde Frau mit Pferdeschwanz und rotem Haargummi, die etwas abseits gerade ihre Gruppe anwies, sich nun das Bild in Ruhe anzusehen. Die Ärmel ihrer zitronengelben Jacke wedelten dabei hin und her. Ich verließ meinen Platz in der ersten Reihe, der Schaulustigen und drängte mich durch die aneinander gedrückten Körper hindurch. Ich strebte in die Richtung der Frau in der gelben Jacke, die gerade noch eine Frage von einer rothaarigen Dame mittleren Alters beantwortete. Hechelnd kam ich neben der Frau zum stehen und erlangte, durch mein polteriges Auftreten ihre Aufmerksamkeit. Ich stürzte ziemlich unhöflich , sofort mit der Tür ins Haus und redete einfach drauf los. "Ich hab-" ich unterbrach mich selber, durch mein schweres Atmen"-da mal eine Frage." brachte ich mein Anliegen atemlos vor. Die Rothaarige entfernte sich kopfschüttelnd in Richtung des Gemäldes. "Worum geht es denn junger Mann?" fragte mich die Führerin, in einem jetzt weitaus angenehmeren Tonfall. Sie hatte die Stimme nun gesenkt, um weitere Gäste nicht zu belästigen. "Es geht-" ich atmete noch ein Mal tief ein"-um die Mona Lisa." ich weiß blind mit meiner Hand in die Richtung in der ich sie vermutete. "Sie haben gesagt, sie..." ich suchte nach den Richtigen Worten. "...wäre ein Mann!?" begann ich meine Frage wenig bravourös. "Ja und was genau wollten sie da jetzt wissen?" fragte sie mich belustigt und lächelte mich ein wenig mütterlich an. "Ich...also..." plötzlich waren alle meine Fragen wie weggefegt, mein Kopf war leer. Hätte man das filmisch darstellen müssen, wäre dort jetzt eine Steppe mit zirpenden Grillen und herumgewehten Gestrüpp im Vordergrund. Ich versuchte mich daran zu erinnern. Leonardo da Vinci, der größte Maler aller Zeiten, hatte einen Geliebten. "Wer war es?" platzte es dann aus mir raus. "Wer war was?" fragte die Frau in gelb jetzt amüsiert. "Der Geliebte. Der Geliebte von Leonardo da Vinci. Wusste man wer es war?" die Frau nickte langsam, vermutlich meine Frage nachvollziehend und begann gerade mit einer Erklärung als: "Da bist du ja Baby!" sich eine warme Hand auf meine Schulter legte und ein schwer atmender Honig in meinem Blickfeld neben mir auftauchte. Die Frau stockte und sah zwischen uns hin und her. Ich versteifte mich. Was würde sie jetzt sagen? "Was machst du denn für Sachen? Ich hab mir solche Sorgen gemacht? Du bist plötzlich verschwunden. Ich hab dich überall gesucht." Luke beachtete die Frau erst gar nicht, doch ich konnte meinen Blick nicht von ihrem verwirrten Gesicht nehmen. "Ach! Jetzt versteh ich!" rief sie dann auf einmal aus und erlangte damit auch Lukes Aufmerksamkeit. "Ach Gott, wie süß ist das denn?" ergänzte sie ihren Ausruf und brachte mich damit völlig durcheinander/ aus dem Konzept (welche Formulierung passt hier besser?). "Hallo ich bin Luke." stellte er sich jetzt auf einmal vor. Was machte er denn jetzt? "Freut mich sehr." erwiderte die Blondine und schüttelte ihm die Hand. Ich verfolgte dieses Geschehen nur mit offenem Mund und versuchte zu begreifen was hier grade vor sich ging. Hatte er sich ihr grade vorgestellt? "Sind Sie der Freund dieses jungen Mannes hier?" sie weiß auf mich. "Naja..." antwortete Luke unsicher und knetete sich verlegen den Nacken. "Irgendwie sowas wohl." gab er dann mit einem ziemlich niedlichen Lächeln zu. Ich geriet ein wenig ins Schwärmen und machte mir gerade Gedanken darüber, wie wunderbar diese blauen Augen, durch diese dichten Wimpern strahlten, als ich von der Frau wieder in die Realität gezogen wurde. (Ach was sage ich Realität? Seine Augen waren schließlich Realität! Meine Aufmerksamkeit wurde also wieder auf das Gespräch gelenkt.)
"Sie wollten mehr über den Salai erfahren, den Geliebten des da Vinci?" fragte sie ein mich gewandt und ein keines "Ach!" der Erkenntnis erklang neben mir. Ich nickte schüchtern und senkte meinen Blick. Daran, dass meine Wangen heiß wurden merkte ich , dass ich mal wieder töten musste. Doch die Frau schien sich nicht weiter daran zu stören,sondern begann mit ihren Erzählungen. "Der Salai, eigentlich Gian Giacomo Caprotti, war der einfache Sohn eines Weingutpächters. Er kam, ich glaube, um 1490 als zehn Jähriger in die Leonardo-Werkstatt. Dort war er als Gehilfe beschäftigt und verrichtete kleinere Arbeiten, später wurde er auch Schüler des Leonardo. Er war als eine Art Tuh-nicht-gut bekannt, spielte Streiche und klaute seinen Mitschülern so Kleinigkeiten, wie Silberpinsel oder Münzen. Doch anscheinend konnte Leonardo ihm nicht böse sein. Er hatte ihn angeblich aufgenommen, wegen seiner Anmut und Schönheit und seines gekräuselten Lockenhaars. er verbrachte 25 Jahre seines Lebens mit Leonardo und er soll angeblich Vorlage für viele Gemälde da Vincis gewesen sein.
Das anfertigen von Aktgemälden war für die damalige Zeit keine Seltenheit und so soll er-" "Warten Sie Aktgemälde?" unterbrach ich sie. "Ja." sie runzelte die Stirn. "Sie wissen doch was ein Akt ist?" Oh je hatte sie mich das gerade wirklich gefragt? "Ja schon..." nickte ich. Mir war die Situation ziemlich unangenehm, das war so ein Phänomen sobald das Gespräch auf nackte Körper kam. Da wusste ich einfach nicht wie ich angemessen regieren sollte. Und einfach die Hände auf die Ohren zu patschen und laut schreiend wegrennen, empfand ich als nicht so unbedingt passende Reaktion auf diese Situation. "Fahren sie bitte fort." versuchte ich sie von meiner Unsicherheit abzulenken und wedelte unbeholfen mit meinen Händen in der Luft herum, womit ich meine Worte unterstützen wollte. Ich erntete dafür ein belustigtes Kichern von Luke. Er kassierte sich einen Schlag von meinem Ellenbogen in seine Rippen, welchen er mit einem empörten "Aua!" kommentierte. "Jedenfalls!" lenkte die Führerin die Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Soll Salai, da Vinci häufig, für eben solche, Modell gestanden haben. Das wohl Ausschlaggebendste ist das von Johannes dem Täufer, auch von ihm als " fleischgewordener Engel" bezeichnet, es zeigt einen Jungen Mann mit gelocktem Haar, doch das interessante ist nicht das Gemälde selbst, sondern die dazugehörige Skizze, welche den Jüngling mit einem erigierten Geschlecht zeigt." mein Mund klappte auf, ich starrte sie ungläubig an. "Dieses ist wohl, der in meinen Augen bildhafteste Beweis, dafür, dass Leonardo sich zu Männern eher hingezogen fühlte als zu Frauen." setzte sie ihre Ausführungen fort. "Danke, das war...sehr informativ. Ich...danke." versuchte ich sie abzuwürgen. Sie sollte bloß nicht weiter über erregte Geschlechtsorgane reden. Ich glaubt nicht, dass ich das verkraftet hätte. Irgendwas war gerade in meiner Weltanschauung gekippt. "Ich freue mich, wenn ich ihnen weiter helfen konnte." lächelte die Frau freundlich. "Eha." brachte ich nur heraus und wandte mich von ihr ab. "Danke für Ihre Auskünfte." hörte ich Luke sagen, der die ganze Zeit beschützerisch hinter mir gestanden hatte. Irgendwie war ich auf einmal völlig durch den Wind? Hatte ich gerade in einer Bildergalerie das mit unter unkeuschste Gespräch meines Lebens geführt? (ist es das? oder eher das mit Johannes?) Wie konnte an einem scheinbar so akademischer Ort das Versteck so ungezügelten Lust sein? Oder Andersherum: Waren die Themen denn wirklich so verboten, wie ich immer geglaubt hatte?
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Religious
RandomJohn ist überzeugter Christ. Sein ganzes Leben führt er nach den Lehren Gottes und zweifelt nie an ihrer Richtigkeit. Doch dann taucht plötzlich ein neuer Schüler auf und wirft ihn in einen Konflikt zwischen seinem Glauben und seinen Gefühlen. "Wa...