Halte mir diese Mörder vom Leib

11 1 0
                                    

Nachdem wir bei Georg angekommen waren hatten wir zwei Stunden FIFA gespielt. Dann hatte seine Mutter zum Abendessen gerufen und wir waren nach unten gegangen. Georgs Familie war zwar nicht gläubisch blieb jedoch aus Respekt immer ruhig wenn ich ein Tischgebet sprach. Nach dem Essen - es schmeckte super und war ein Nudelgericht - machten wir abwechselnd unsere abendliche Routine im Bad. Als ich fertig war und Georg noch seine Zähne putzte, kniete ich mich vor mein Bett und sprach ein Abendgebet, bevor George kam und wir uns ins Bett legten.
Es war dunkel im Zimmer nur der Mond schien durchs Fenster, ich lag bäuchlings auf der Matratze, hatte die Hände unterm Gesicht verschränkt und hörte meinen ruhigen Atem, als George zu sprechen begann.
"Warum machst du das?" fragte er.
"Was?" ich verstand nicht wovon er sprach und drehte meinen Kopf in seine Richtung. "Das." Er ließ seinen Arm aus dem Bett baumeln und strich mir leicht über den Rücken.
"Das hat viele Gründe." antwortete ich ihm und drehte den Kopf wieder weg, damit er nicht merkte wie bedrückt mich dieses Thema machte.
"Ja aber warum tust du es Hauptsächlich?"
"Das möchte ich dir nicht sagen." war meine Antwort. Es war eine Weile Still bis er erneut fragte. "Warum hast du es gestern gemacht?" "Ich habe gelogen." antwortete ich ihm mit einer Halbwahrheit. Doch er kannte mich leider zu gut. "War das alles? Zehn Schläge für eine Lüge?" langsam machte mich seine Fragerei sauer. Und ich antwortete gar nicht.
"Hey! Bin ich dir jetzt nichtmalmehr eine Antwort wert?" kam es vom Bett aus. Das reichte mir.
"Zwei Lügen, zweimal Verführung zu materiellem Denken und fünfmal für einen Unkeuschen gedachten Satz! Bist du jetzt zufrieden?! Außerdem heißt es Peischenhiebe und nicht Schläge!" schleuderte ich ihm entgegen.
"War das so schwer?" kam es pampig zurück.
Eine Weile war es still bis George wieder zu sprechen begann. "Und wird es denn besser?"
"Was meinst du?" fragte ich verwirrt.
"Die Gedanken? Hören sie auf?"
Ich schwieg erneut und lauschte dem Ticken der Uhr. Es tat weh wie langsam die Erkenntnis zu mir hindurchsickerte.
Nein.
Es wurde nicht besser.
Ich war nicht konsequent genug und der Schmerz war nicht genug um meine Gedanken zu kontrollieren.
"Nein." meine Stimme klang unsicherer als ich es beabsichtigt hatte.
So schwach.
So verzeifelt.
Ich wusste einfach keinen Ausweg mehr. Den einzigen Ausweg den ich sah, bestand darin mir noch mehr Schmerzen zuzufügen die dann hoffentlich meine Gedanken überdecken würden.
Georg antwortete darauf nichts mehr, er strich mir nur immer wieder beruhigend über den Rücken bis wir beide einschliefen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte stöhnte ich entnervt auf. Ich hatte wiedereinmal etwas füchrterliches geträumt und wieder handelte es von ihm.
Als ich an mir herunter sah, konnte ich klar und deutlich ausmachen, dass der Traum nicht spurlos an mir vorbei gegangeen war. Ich setzte mich auf und rüttelte an Georges Arm. "Mmhm." brummte er nur. "Darf ich duschen gehen?" fragte ich. "Klar." murmelte er drehte sich weg und vergrub seinen Kopf in den Kissen. Ich stand auf und verschwand ins Bad. Die Uhr an der Wand zeigte kurz nach fünf Uhr und so bemühte ich mich leise zu sein um niemanden zu wecken. Das Wasser schaltete ich auf der untersten Stufe an um das laute Prasselgeräusch zu vermeiden. Ich wartete bis das Wasser eiskalt war und stellte mich drunter. Das Wasser hinterließ einen schneidenden Schmerz auf meiner erhitzten Haut, welchen ich als Strafe für meinen Traum hinnahm. Nachdem ich mich gewaschen hatte, stellte ich das Wasser aus, zog mir ein Handtuch aus dem Schrank, klaubte meine Sachen zusammen und schlich wieder in Georges Zimmer. Als ich mich abgetrocknet und angezogen hatte legte ich mich wieder auf die Matratze. Ich merkte wenig später Georges Hand auf meinem Rücken, die schnell wieder zurückschnappte aber dann wieder kam und sich mit gespreizten Fingern auf meinen Rücken legte.
"Du bist total unterkühlt." stellte, der auf einmal hellwache, George fest.
"Ja ich weiß." gab ich zur Antwort. "Schlaf jetzt weiter. Du musst dich aufwärmen." Bestimmte er und war dabei aufzustehen.
"Ich muss gar nichts." antwortete ich patzig und stand selber auf. "Du schläfst jetzt und ich geh jetzt beten." legte ich fest, verschwand nach unten, schlüpfte in meine Schuhe und huschte nach draußen. Die Zeit für das fünf Uhr Gebet war zwar schon vorbei aber ich konnte ja trotzdem beten.
Ich senkte meinen Kopf, faltete die Hände vorm Bauch und Schritt den Fußweg entlang. Ein wenig Wind zog durch meine noch nassen Haare aber der Herr würde schon für meine Gesundheit sorgen und wenn nicht, hatte ich es ohnehin verdient.

Ich begann Psalm 139 zu beten und ging einfach die Straße hinunter.
" Herr, du durchschaust mich,
du kennst mich durch und durch.
Ob ich sitze oder stehe, du weißt es,
du kennst meine Pläne von ferne.
Ob ich tätig bin oder ausruhe, du siehst mich;
Jeder Schritt den ich mache ist dir bekannt.
...wohin kann ich gehen um dir zu entrinnen...
Jeder meiner Tage war schon vorgezeichnet,
noch ehe der erste begann.
Wie rätselhaft sind mir deine Gedanken,
Gott,
....
Gott, bringe sie doch alle um,
die dich und deine Gebote missachten!
Halte mir diese Mörder vom Leib!
Sie reden Lästerworte gegen dich...
Wie ich sie hasse, die dich hassen, Herr!
Wie ich sie verabscheue... "
Bei diesen Worten brach ich auf dem Gehweg zusammen.
Ich sprach von mir selbst. Erst gestern hatte ich gegen das achte Gebot verstoßen. Wie konnte George mich überhaupt ansehen? Ich war abscheulich.
Die Bibel stellte mich auf eine Stufe mit Mördern und zu guter letzt bat ich auch noch um meinen eigenen Tod.
Ich war so ein schlechter Mensch.
Und - schrecklich allein.
Mitten in der Nacht. Niemand würde kommen und mich beruhigen. Ich fühlte mich unglaublich verlassen. Ich hatte George angeblafft und ihm befohlen im Bett zu bleiben. Vielleicht wusste ich, dass dies hier passieren würde.
Ich konnte noch nie gut vor anderen Menschen meine wahren Gefühle zeigen. George hatte mich noch nie weinen gesehen. Ich tat so etwas nur wenn ich allein war und die Welt von meinem Schmerz nichts mitbekam. Ich war allein, verlassen, verloren und niemand würde mir hier raus helfen. Die Hilfe Gottes hatte ich nicht verdient und das hier war meine gerechte Strafe.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und zuckte zusammen. "Hey, wir sind Männer und keine Luftpumpen." kam es von ihm. Ich musste kurz schmunzeln über seine Worte und schaute zu ihm hoch. Wo kam er denn plötzlich her? Ich hatte ihm doch gesagt er solle im Bett bleiben.
Als könnte er meine Gedanken hören sagte er: "Ich konnte nicht wieder schlafen, da bin ich dich suchen gegangen."
Einen Moment war es ruhig, bis er wieder sprach.
"Gehen wir zum Bäcker?"
Ich nickte und stand auf.

ReligiousWo Geschichten leben. Entdecke jetzt