Der Streit

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Etwa eine dreiviertel Stunde saßen wir bereits in diesem kleinen Café. François stellte sich tatsächlich als ein netter Kerl heraus. Er sprach ganz gut Deutsch und wir kamen ins Gespräch über die verschiedenen Bauweisen von Kirchen. Er interessierte sich sehr für die Architektur, wobei ich mich eher für die spirituellen Hintergründe der Bauart begeistern konnte. Luke war am Anfang unseres Gesprächs bemüht mit zu reden, aber man merkte schnell, dass er davon keine Ahnung hatte und es ihn auch nicht interessierte. Er ging also ziemlich schnell dazu über irgendwas auf seinem Handy rum zu tippen und brummelte ab und zu eingeschnappt. Ich hatte aber auch keine Lust ihn mit einzubinden schließlich war ich immernoch sauer und er war alt genug.
So kam es also, dass François mir gerade von den architektonischen Besonderheiten von Notre Dame erzählte und meinte ich müsste jene unbedingt mal besichtigen, als sich die Tür erneut öffnete und eine Gruppe Jugendlicher ungefähr in unserem Alter laut zur Tür herein schneite. Der laute Knall der Tür gegen den nächsten Stuhl, hatte François dazu veranlasst seine Erzählungen zu unterbrechen und seine Aufmerksamkeit zu der Gruppe zu lenken. Ich war gelinde gesagt ziemlich überrascht als sowohl François als auch Luke diese Leute fröhlich winkend zu uns lenkten und diese sich mit lautem Gepolter zu uns an den Tisch setzten.
Der Typ der sich rechts neben mir auf den Stuhl fallen ließ stank fürchterlich nach Rauch. Der kalte Zigarettengeruch waberte von ihm aus zu mir herüber und ich rümpfte meine Nase. Er knallte seine Zigarettenpackung und das Feuerzeug auf den Tisch und ein schwarzes Tattoo auf seinem Unterarm kam zum Vorschein. 'Love fuck pray' stand dort in geschwungener Schrift geschrieben und ich musste mich zurück halten in danach zu fragen, wie um Himmelswillen er diese Wort miteinander in Verbindung brachte. Auf seinem Handrücken prangte ein schwarzer Totenkopf, der mir mit seiner hässlichen Fratze einen Schauer über den Rücken laufen ließ. In meinem Kopf erscheinen unweigerlich Bilder, von seiner Hand an meiner Kehle und ich musste schlucken. Entgeistert musterte ich ihn weiter. Er hatte einen von dieses Röhren-Ohrringen diese, die riesige Löcher in die Ohren machten in die man Kleiderbügel hängen konnte. Zumindest in meiner Vorstellung. 

Die Runde begann sich sofort laut zu unterhalten und zwar in einem so schnellen und undeutlichen Französisch, dass ich mit meinen geringen Kenntnissen, wirklich nicht ein Wort verstand. Es stellte sich heraus, dass der Typ neben mir zu seiner ziemlich einschüchternden Erscheinung zusätzlich noch Mundgeruch hatte, was eine Sympathie ihm gegenüber nicht steigerte. 

Durch wilde Gesten und laute Ausrufe wurde ich zunehmend zwischen diesem Typ und Luke eingequetscht und verschwand in der Versenkung. Auch Lukes andere Freunde waren mir auf den ersten Blick nicht wirklich sympatisch. Aber ich blieb einfach sitzen und hielt aus, wartend darauf was noch passieren möge. Luke ignorierte mich vollkommen und war vertieft in das Gespräch mit seinen Freunden. Ich fühlte mich zunehmend unwohler, aber was sollte ich schon machen. Erst als der Typ mich bei einer ausladenden Handbewegung aus Versehen schlug und es nichteinmal bemerkte, griff ich erschrocken nach Lukes Hand. Dieser schüttelte meine Hand ab und sah mich mit einem derartig gereizten und angeekelten Blick an, dass ich in vor Schock einfach los ließ. Was sollte das? Warum war er vor diesen, seinen Freunden, so anders zu mir? Ich hatte das Gefühl es hier einfach nicht mehr auszuhalten und stand auf um das Cafè zu verlassen. Die kühle Luft traf auf mein Gesicht und verursachte ein erfrischenden Gefühl. Ich warf einen Blick durch die Schaufensterscheiben. Niemand bemerkte, dass ich mich vom Tisch entfernt hatte, nicht einmal Luke. Ich ließ mich ein paar Schritte weiter gegen die Hauswand fallen und rutschte daran herunter.

Was war nur passiert? Was war hier bloß los? Ich atmete einmal tief durch. Die frische kalte Luft in meinen Lungen tat gut und half mir die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
Ich hörte das Glöckchen der aufgehenden Tür und mein Blick fuhr herum zur Quelle des Geräusches.
François trat aus der Tür und schaute von links nach rechts als würde er etwas suchen.
"John." sagte er, als er mich entdeckte und machte Anstalten auf mich zu zukommen. "Was'ist los?" fragte er und kniete sich vor mich hin. Ich presste meine Lippen aufeinander. Ja, was war eigentlich los?
Was war plötzlich Lukes Problem? François hielt mir seine Hand hin und ich ergriff sie, woraufhin er mich hochzog.
Die Tür öffnete sich erneut, diesmal ziemlich schwungvoll und ein wütender Luke kam heraus. "Was fällt dir eigentlich ein?" machte er mich direkt an. "Warum machst du plötzlich so einen Aufstand?" François entschuldigte sich und verschwand wieder im Café. "Ich..." wollte ich beginnen, doch mir fiel nicht wirklich was ein und als ich stockte unterbrach er mich direkt wieder. "Glaubst du ich will vor meinen Freunden als Schwuchtel da stehen?" Au. Das hatte gesessen. Wem spielte er hier eigentlich wirklich was vor. Neulich am Eiffelturm war er doch genau deshalb total ausgerastet und jetzt? "Die Welt ist nicht immer so einfach wie du vielleicht denkst! Anne bekommt ein Kind von André!" er zeigte auf das Schaufenster war mich vermuten ließ, dass er über zwei seiner Freunde redete. "Und nein, sie sind nicht verheiratet! Sie sind nicht mal zusammen. Haben einfach nur gefickt, besoffen nach ner Party!" "Bitte hör auf, Luke." wimmerte ich, doch er schien es nicht zu bemerken.  "Was sagst du dazu?! Himmel mach die Augenauf, die Welt ist nicht so verschissen perfekt wie du glaubst!"
Ich musste hart schlucken. Ich verstand ihn nicht. Ich verstand nicht warum er sich so plötzlich versteckte. Ich verstand nicht warum er mir unter die Nase reiben musste, dass seine Freunde unehelichen Geschlechtsverkehr hatten. Ich verstand nicht, warum er auf einmal so anders war und ich verstand nicht warum er mich jetzt hier an brüllte. Was hatte ich denn falsch gemacht? Ich hatte seine Hand nehmen wollen. War das der Grund? War das ein Grund für eine solche Auseinandersetzung. Es tat weh was er zu mir sagte, wie er es zu mir sagte. "Hast du dazu gar nicht zu sagen?" fuhr er mich an und ich zuckte zusammen über die unerwartete Aggressivität in seiner Stimme. Er kam mir bedrohlich näher und ich hatte Angst, er würde mich schlagen, weshalb ich erneut leise wimmerte und mich klein machte. "Luke!" hörte ich plötzlich eine dunkle bedrohliche Stimme hinter im und es war nicht die von François.

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