So ist das Leben

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"Hey. Hast du was?" hörte ich es auf einmal neben mir und zuckte zurück. Die Hand, die sich gerade auf meine Schulter legen wollte, schwebte jetzt vor mir in der Luft und ich schaute ihn mit eingezogenen Schultern an.
"Fass mich nicht an!" zischte ich und war selbst darüber erstaunt, wie gemein es klang. "Was ist denn jetzt dein Problem?" pampte er zurück. "Lass mich einfach in Ruhe!" motzte ich zurück und klammerte mich fester ans Geländer. "Nein. Ich will aber wissen was los ist. Was hast du denn jetzt auf einmal? Eben stehen wir noch dort-" er weiß nach unten zur Plattform in die Ecke, in der wir am Geländer gelehnt hatten."-alles ist in bester Ordnung und dann auf einmal stößt du mich weg! Was soll denn das?" ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte, also presste ich einfach eingeschüchtert meine Lippen zusammen. Ich konnte ihm, doch nicht an den Kopf werfen er würde mir alles nur vorspielen. Er würde es doch in jedem Fall abstreiten. War er jetzt nur so sauer, weil ich ihn durchschaut hatte? Hatte er mich einfach nur hier her gebracht um mich meiner Unschuld zu berauben?
Ich hatte plötzlich Angst. Angst vor ihm, Angst vor der Höhe, Angst vor meinen Gefühlen, Angst abzustürzen. Das Vertrauen, dass ich ihm gegenüber hatte, war auf einmal zurückgedrängt von den Vermutungen, die durch meine Gedanken geisterten. Ich war ihm blind überall hin gefolgt und nun stand ich da, mitten in Paris auf einer Eisentreppe auf dem Eiffelturm und hatte mein vertrauen zu ihm verloren, oder zumindest wurde es überschattet, von einem Fakt, den ich zu wissen glaubte.

"Bitte! Sag mir doch was mit dir los ist."versuchte er es flehend und wollte mich erneut berühren, doch ich wich wieder vor ihm zurück.

Schritte von unten wurden lauter und kamen langsam näher. "Du lahme Socke solltest mal einen Zahn zulegen!" erklang die Stimme einer Frau, ganz nahe, an der nächsten Ecke. "Oh." war das nächste was sie sagte. Diesmal viel leiser, sie hatte uns anscheinend entdeckt. Ich senkte meinen Blick und wandte mich gänzlich dem Geländer zu und verstärkte meinen Griff darum. Mir war die Situation ziemlich peinlich. Ich stand hier rum und hatte einfach so Angst. Wie dumm musste das denn auf andere wirken? Die Frau schien mir näher zu kommen. Sie legte ihre Hand auf meinen Rücken und begann beruhigend auf und ab zu streichen. Ich entspannte mich langsam. "Hey, ich denke, du solltest, langsam das Geländer loslassen. Ihr wollt doch sicher auch weiter und die tolle Aussicht oben sehen, oder nicht? Willst du nicht, nach oben gehen und dich da mal hinsetzten und entspannen. Lass einfach das Geländer los und wir gehen dann zusammen hoch. OK?" Ich löste mich langsam vom von der Eisenstage, die ich umklammert hatte. Hinter uns kam noch jemand die Treppe hoch, den ich einfach ignorierte. Sie nahm meine Hand und zog mich dann langsam die Treppe hoch. Ich hörte, wie sich der Mann hinter uns mit Luke unterhielt. Sie redeten vermutlich über mich, doch ich achtete nicht darauf. "Was war denn los?" fragte die Frau neben mir, als ich mich wieder ein wenig entspannt hatte. "Ich...also.." begann ich kleinlaut. Mir war die Situation irgendwie unglaublich peinlich. "Also du?" "Ich hatte plötzlich Angst. Ich mein, was ist wenn er... wenn alles nur vorgespielt ist... also gar nicht wahr...und ich...wenn.. also...ich bin so abhängig...und wenn ich fallen würde..." brabbelte ich irgendwelche unzusammenhängende Wortfetzen vor mich hin. "Meinst, du den netten jungen Mann hinter uns?" ich nickte. "Also ich kenn ihn ja nicht, aber auf mich macht er den Eindruck eines aufrichtigen Kerls. Du solltest ihm vertrauen. Ist er dein Freund?" "Ja." "Also dein fester Freund." "Nein...irgendwie nicht." "Aber irgendwie auch ein bisschen doch?" "Hm?" fragte ich mehr als ich es antwortete. "Und wie kommst du darauf, dass er dir etwas vorspielt? Meinst du er betrügt dich oder so?" ich schüttelte energisch den Kopf. "Aber wovor hast du denn Angst? Hast du Höhenangst." "Nein." wieder schüttelte ich den Kopf. " Ich hab keine Höhenangst." "Was..." begann ich, doch ich wollte meinen Gedanken nicht aussprechen. Ich wusste nicht wie ich es sagen sollte. "Was?" fragte sie nach. "Was wenn er nur..naja..nur das Eine  will?" fragte ich dann so leise, dass ich hoffte sie hätte es nicht gehört. Doch, wie das Schicksal nun mal immer so spielte: "Du meinst er will nur mit dir schlafen!?" ich presste meine Lippen zusammen und schaute sie von der Seite her an. "Ich glaube das nicht." teilte sie mir dann ihren Standpunkt mit. "So wie er dich anguckt und sich Sorgen um dich macht, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Ich glaube er verschwendet daran gar keinen Gedanken." meinte sie überzeugt. "Meinst du?" fragte ich unsicher nach. "Natürlich und jetzt genieß die Aussicht, du kommst nicht so bald wieder her." grinste sie und schob mich Richtung Geländer. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sie mich schon lange los gelassen hatte. Mittlerweile waren wir zusammen an der nächsten Plattform angekommen. Ich dachte noch immer über das, worüber wir geredet hatten, nach. Ich wusste nicht genau, ob sie mich überzeugt hatte, doch diese Gedanken, waren ganz schnell vergessen, als ich diesen fantastischen Ausblick vor mir sah. Ich blickte staunend über die Stadt und war ihm in diesem Moment einfach nur dankbar, dass er mich hier her gebracht hatte. Eine Hand legte sich zaghaft auf meine Schulter und ich wusste, dass er es sein musste, denn diese angenehme Wärme die immer so wohlig in mir blubberte, breitete sich von der Stelle aus, wo er mich berührte. Ich ließ es geschehen und genoss das Gefühl, dass er mir gab. Wir beide standen nur da und beobachteten andächtig diesen unglaublichen Anblick, der sich uns bot. In der Mitte erhob sich ein rabenschwarzes Gebäude über einer absolutistisch angelegten Parkanlage und stellte einen unglaublichen Kontrast der Zeiten dar.Der Anblick war einfach beeindruckend. Niemals hatte ich gedacht, sowas je sehen zu können und nun stand ich hier. In diesem Moment fühlte ich mich als ob alles möglich sei. Fast als würde ich fliegen. Was nicht unbedingt nur an der Aussicht lag. Meine Gefühle überschlugen sich mal wieder und alles schien so greifbar. Ich fühlte mich dem Himmel so nahe und ich hatte, das Gefühl etwas geschafft zu haben, all die Treppen, der ganze Weg, den ich mit ihm gelaufen war und am Ende stand ich nun hier an diesem Fantastischen Fleck und spürte das Leben. 

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