Wir waren gleich darauf bei Luke losgefahren und hatten uns an der Kreuzung getrennt, bei welcher es zu George nach rechts und zu mir geradeaus gegangen war. Jetzt fuhr ich gerade in die Einfahrt zum Kloster ein. Dort stad ein fremdes silbernes Auto. Hatten wir Besuch? Ich schob stirnrunzelnd mein Fahrrad in den Durchgang und stellte es in einer Ecke ab. Aus der Küche hörte ich Stimmen. Die von Bruder Alexander und Pater Peter, Eine fremd. Ich trat an die Tür heran und schaute in den erleuchteten Raum. Am Tisch standen drei Männer. Die beiden Mönche und ein Fremder der mir den Rücken zugewandt hatte. Pater Peter entdeckte mich. "Ach Hallo John." begrüßte er mich freundlich lächelnd. Er kam auf mich zu nahm mich in die Arme und küsste mich auf die Stirn.Ich stellte meinen Rucksack auf der Bank ab. Ebenfalls Bruder Alexander umarmte mich zur Begrüßung. Danach stand ich plötzlich dem Fremden gegenüber. Er sah sehr freundlich aus, hatte ein offenes Lächeln und strahlend blaue Augen, die einen Kontrast zu seiner gebräunten Haut bildeten. Warum kam er mir so bekannt vor? "Der kleine John." sagte er als er auf mich zu kam und mir die Hand hinhielt."Hallo freut mich dich zu sehen." Ich nahm sie verwirrt an und schüttelte sie. Kannte mich der Mann? Sein Lächeln wurde breiter und um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen. "Du erkennst mich nicht wieder. Hab ich recht?" Ich schüttelte nur stumm den Kopf. Offenheit war nie meine Stärke gewesen.
"Johannes." Johannes...JohannesJohannesJohannes....Ich riss meine Auge auf. "Johannes?!" fragte ich ungläubig. Der Johannes, der mit mir früher Fußball unter den Apfelbäumen gespielt hatte? Der Johannes, der nach ein paar Monaten wieder verschwunden war? Der Johannes von dem Pater Peter im Krankenhaus geredet hatte? Dieser Johannes?
Der Mann vor mir sah dem Jungen von damals unglaublich ähnlich. Seine Haut war nicht so dunkel gewesen und er hatte natürlich jünger gewirkt, aber letztendlich war es der selbe Mann.
Ich war vollkommen sprachlos und suchte nach Worten. "Wieso?....Wieso bist du zurück gekommen?" "Weil Pater Peter mich darum gebeten hat." gab er mit einer Handbewegung in seine Richtung zu verstehen. "Ach so?" fragte ich und drehte mich zu ihm um. "Ich hoffe, das ihr euch ein wenig unterhalten könnt." erwiderte dieser nur mit seinem väterlichen Lächeln.
"Komm lass uns mal raus gehen." meinte jetzt Johannes, als wohne er hier wie eh und je. "J-ja." stotterte ich verwirrt und folgte ihm in den Garten.
Während wir nach draußen gingen ratterte es in meinem Kopf. Worüber sollte Johannes denn mit mir sprechen, das so wichtig sein konnte, das er hier her kam? Warum sollte ich gerade mit ihm darüber reden? Wo war er eigentlich all die Jahre gewesen und warum hatte er sich nie gemeldet? Ich war damals zwar erst sieben aber ich hatte ihn schrecklich vermisst nach dem er einfach so verschwunden war. Ich hatte sehr gerne einen Spielkameraden gehabt. In der Schule war ich nämlich ziemlich allein, denn alle hielten mich für seltsam. Die anderen Kinder konnten nicht verstehen, warum ich ein Kreuz um den Hals trug, 'Bruder John' genannt wurde, vor dem Essen betete und in einem Kloster mit sieben Mönchen lebte.
Johannes war damals mein einziger Freund gewesen. Es hatte sich erst geänderte als ich in die Oberstufe auf das Gymnasium gekommen war. Dort hatte man mich wenigstens so akzeptiert wie ich war, auch wenn sich die meisten doch lieber von mir fern hielten. Bis George kam.
Wir waren bereits ein Stück gelaufen und ich merkte, dass ich mit meinen wirren Gedankengängen total vom Thema abgekommen war. "Also." fasste ich meinen Mut zusammen, einen eigentlich alten Bekannten anzusprechen. "Worüber sollst du mit mir reden?" Ich schaute ihn erwartungsvoll an als er stehen blieb. "Oh! Ich dachte das sei Offensichtlich. Über deine Sexualität."
Ich zuckte zusammen als er dieses Wort benutzte. In Verbindung mit mir klang es so absurd. So sündhaft. So falsch.
"Siehst du schon der Fakt, dass dich dieses Wort erschreckt zeigt, dass wir eine ganze Menge Redebedarf haben." plapperte er munter und setzte seinen Weg fort.
Über meine Sexualität?
Natürlich hatte ich mich langsam mit dem Gedanken angefreundet ein wenig anders zu sein und, dass dies ja auch auf keinen Falle schlimm war, jedoch ließ der Gedanke an meine unerwünschten Verlangen mich unangenehm fühlen.
Mit Luke war das irgendwie anders. Es fühlte sich immer richtig an wenn wir zusammen waren. Aber darüber zu sprechen und mit etwas Abstand darüber nachzudenken, war seltsam. Zählte es eigentlich als sündig einen Jungen zu küssen. Überhaupt jemanden zu küssen, wenn man nicht verheiratet war? Bis jetzt hatte ich mich nie damit auseinander gesetzt, weil es für mich nie relevant gewesen war. War ich bei Luke unzüchtig gewesen?
"Ich hab gehört du hast dich verliebt?" fragte er gerade heraus. So war er schon früher gewesen. "Ich...nein...ich weiß es nicht. Kann man sich in jemanden verlieben, den man eigentlich überhaupt nicht kennt?" ich wollte vom Thema ablenken. "Was meinst du mit 'eigentlich nicht kennen?'" fragte er. "Naja, er...bis vor zwei Wochen haben wir nochnichtmal wirklich miteinander geredet und ich kannte ihn eigentlich gar nicht. Aber..."Ich brach ab, nicht in der Lage meine Gefühlswelt zu beschreiben. Was bedeuteten all diese Gefühle denn, die ich hatte wenn ich bei Luke war? Gab es noch etwas, dass zwischen kennen und Liebe lag. Das einzige was ich mit großer Sicherheit sagen konnte war, dass ich für Luke empfand und dass es sehr starke Gefühle waren.
Aber Liebe? Wie fühlte sich Liebe an? Wie hätte ich behaupten können jemanden zu lieben, den ich nichtmal richtig kannte?
"Naja...egal ob du ihn liebst oder nicht. Er muss dich immerhin so stark beeinflusst haben, dass du das Bedürfnis hast dich für deine Gedanken an ihn selbst zu schlagen." stellte er fest. "Selbstkasteiung ist eine Form der Buße!" brachte ich aufgebracht ein. Was hatten nur alle immer dagegen? Wieso stellten sie es so negativ dar. "Ich habe Buße getan! Und nicht nur 'mich selbst geschlagen.'"die letzten Worte setzte ich mit meinen Fingern in Anführungszeichen. "Ja aber wofür hast du denn Buße getan? War denn das wofür du es getan hast wirklich falsch?" "Ja verdammt! Nein. Ich hab keine Ahnung." er brachte mich auf die Palme. "Was ist es denn?"
Ich sah beschämt auf den staubigen Boden. Eigentlich, wusste ich es nicht so genau. Warum hatte ich es überhaupt getan? Wegen der Gedanken, wegen der Träume. Aber letztendlich waren sie nichts schlimmes. Sie waren nicht verboten. Ich hatte nur geglaubt, dass es falsch sei so zu denken.
Trotzdem, es hatte mich alles so durcheinander gebracht. "Ich hatte einfach nur gewollt, dass es aufhört." gab ich mit dem Blick zu Boden zu. "Was sollte aufhören?" fragte er. Es war mir zu peinlich. So unangenehm darüber zu sprechen. Deshalb sagte ich gar nichts. "Was meinst du mit 'es'?" fragte er wieder.
"Komm schon du kannst es mir sagen." sagte er nachdem ich eine Zeit nicht geantwortet hatte.
"Diese Träume." flüsterte ich den Blick zu Boden gerichtet und hoffte, dass er es nicht verstanden hatte. "Warum wolltest du, dass sie aufhören? Fandest du sie nicht - spannend?" ich schüttelte, den Kopf und schaute weiterhin interessiert zu meinen Schuhen, die bereits einen ziemlichen Graubraunton angenommen hatten. "Aber hast du dich denn schlecht gefühlt, dabei?" nun schaute ich doch auf. "Dabei nicht." "Wo liegt dann das Problem? Solange du dich gut gefühlt hast ist doch alles in Ordnung." sein Lächeln war offen und ehrlich. "Sie haben mich so verwirrt. Die Träume und die Gedanken. Ich dachte sie seinen falsch-" "Waren sie aber nicht!" warf er ein. "Sie waren seltsam und neu, ich bin doch noch viel zu jung, um an so etwas zu denken, noch unverheiratet." "Glaubst du, dass nur verheiratete Menschen so etwas denken sollten?"
Irgendwie wusste ich gar nichts mehr. Was war denn jetzt falsch und was war richtig? Es konnte doch nicht richtig sein.
Es fühlte sich einfach zu gut an, um okay zu sein.
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Religious
De TodoJohn ist überzeugter Christ. Sein ganzes Leben führt er nach den Lehren Gottes und zweifelt nie an ihrer Richtigkeit. Doch dann taucht plötzlich ein neuer Schüler auf und wirft ihn in einen Konflikt zwischen seinem Glauben und seinen Gefühlen. "Wa...