Ich möchte nicht darüber reden!

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Ich kam als erster an der ersten Plattform an. Luke, der zu Anfang freudig vorangeschritten war, lief schwer atmend gerade um die Ecke. Auf der Treppe waren wir bis auf zwei Frauen, einer im roten und einer im gelben T-Shirt, zusammen mit einem Mann, niemandem begegnet. Hier auf der Plattform war es rappelvoll wobei die Massen sich eigentlich eher um die Fahrstühle drängten, als die Aussicht zu genießen. Ich versuchte mir einen kleinen Überblick zu verschaffen, während Luke immer noch versuchte zu Atem zu kommen. Er war dann wohl doch eher der Typ für Kurzstreckenläufe. Mir hingegen hatte der Aufstieg eigentlich nichts ausgemacht. Natürlich, er war anstrengend, aber nichts was nicht zu bewältigen wäre. Als Luke einmal tief durch atmete und den Kopf in den Nacken legte, machte ich mich auf zum Rand der Plattform. Dort angekommen, legte ich meine Hände nebeneinander auf das Geländer und schaute in die weite Ferne. Ich war beeindruckt. Der Blick war unglaublich. Ich konnte von hier aus über die ganze Stadt sehen und noch viel weiter. Die Menschen unten sahen aus, wie Ameisen, oder so wie aus der Modelleisenbahn, die ich einmal im Kaufhaus gesehen hatte. Die Saine schlängelte sich am Fuße des Turms vorbei durch die ganze Stadt, die irgendwie zu leben schien. Überall gab es Bewegung und buntes Treiben. Man spürte einfach die Energie, die von ihr ausging und fühlte sich dadurch lebendig.
Ich war vollkommen versunken in dem Blick der sich mir bot, dass ich ein ganz klein wenig erschrak als sich zwei Arme links und rechts von mir auf das Geländer legten, so dass ich irgendwie gefangen war zwischen ihnen und dem Geländer. Er drückte sein Gesicht in meinen Nacken und atmete einmal tief ein. Das kitzelte ein bisschen auf der Haut, sodass ich Kichern musste. "Sehr männlich." brummte eine tiefe weiche Stimme hinter mir und ich drehte mich zur Antwort um und schlug ihm auf die Schulter. Er stieß mich darauf hin zurück an das Geländer und verursachte damit ein unglaubliches Gefühl in meiner Magengegend. Es kribbeelte ganz soll, so als wurde ich irgendwo runter fallen. Die Eindrücke in meinem Kopf über schlugen sich. Auf der einen Seite war da mein Honig, der schon wieder so unglaublich nahe vor mir stand und mich jedes Mal, wenn er mich berührte oder mir nahe kam, so sehr aus der Fassung bringen konnte. Für mich gab es dann nur ihn und alles andere schien wie durch einen Schleier abgeschwächt zu sein. Zum Anderen war da hinter mir ein Meter tiefer Abgrund, der einem schon ein mulmiges Gefühl im Bauch bereiten konnte. Und zu guter letzt einfach der Fakt, dass ich in Paris war. Das er mich nach Paris gebracht hatte. Gestern hätte ich mir das noch  nicht mal träumen lassen und heute?
Die Sonne schien herab und wärmte sanft unsere Haut. Das breite Strahlen auf seinem Gesicht machte ihr Konkurrenz und mit meinem, konnte es kaum anders aussehen. Obwohl hier lauter Läute rumliefen, hatten wir uns für uns alleine und blendeten die Anderen einfach aus.
Ich hatte das Gefühl, er wollte etwas sagen, doch er tat es nicht. Ich konnte aber spüren, dass es ihn sehr wichtig war. Trotzdem fragte ich nicht nach. Plötzlich rempelte uns, bzw. Luke ein Mann an. "De la route , il se glisse!" schimpfte er und Luke verzog schmerzvoll das Gesicht. "Hat er dir weh getan?" fragte ich sofort und legte schützend meine Hände auf seine Schultern. "Nein, nein. Mir gehts gut. Er hat nur etwas unfreundlichen gesagt." winkte er ab und schaute zur Seite. "Was hat er denn gesagt?" fragte ich. "Ach nichts wichtiges, Baby. Lass uns weiter hoch gehen." er griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Ich wusste zwar nicht genau was der Mann gesagt hatte, aber Lukes Reaktion zeigte mir, was es gewesen sein musste und obwohl ich es nicht genau wusste, hatte es mich verletzt.
"Warum kannst du eigentlich so gut Französisch sprechen?" versuchte ich das Thema zu wechseln und mich auf andere Gedanken zu bringen. "Mein Vater ist Franzose." antwortete er und ich merkte, wie sich bei ihm die negative Anspannung, die während der letzten Minuten entstanden war, löste. "Dein Vater ist Franzose?" wie konnte ich das nicht wissen? Ich hatte doch dieses Gefühl ihm so nahe zu sein und trotzdem, wusste ich fast nichts über seine Eltern, wenn ich es mir genauer überlegte. Was waren das für Menschen? Ich wusste nicht mal wie sie aussehen. Ich hatte bei ihm zu Hause nie auf Fotos geachtet und gesehen hatte ich sie erst recht nie. "Ja mein Vater ist Franzose." meinte er ganz beiläufig und zog mich weiter Richtung Treppe. "Und deine Mutter?" "Deutsche." war die knappe Antwort. "Was sind denn deine Eltern von Beruf?" "Archäologen." "Und-" "Ich will nicht darüber reden!" fuhr er mich an und ich zuckte zusammen. Er begann jetzt die Treppe hoch zu steigen und ich trottete ihm mit hängenden Schultern, wortlos hinterher. Ich fühlte mich schlecht. Auf der einen Seite, weil ich ihn bedrängt hatte und auf der Anderen, weil ich das Gefühl hatte ihn gar nicht zu kennen. Klar, ich wusste wie er jetzt war, aber ich wusste nichts über seine Vergangenheit. Wo hatte er gelebt bevor er zu uns gezogen war? In was für einem Umfeld wuchs er auf? Oder wo wurde er geboren? Ich wusste gar nichts über den Typen, der vor mir die Treppen hochstieg, der mich einfach mit nach Paris genommen hatte und den ich so weit in meine Privatsphäre gelassen hatte. Irgendwie jagte mir dieser Gedanke Angst ein. Was war denn nur, wenn er all diese Informationen mit Absicht vor mir geheim hielt? Wenn er deshalb so reagiert hatte? Wenn er mich einfach nur ausnutzen wollte? Was wollte er eigentlich von mir? Ich hatte es mir ja gleich denken können! Was war an mir schon besonderes? Was war denn wenn er mir alles nur vor spielte um mich ins Bett zu kriegen? Meine Gedanken über schlugen sich. Ich suchte verzweifelt in meinem.Gedächznisznach Informationen, die ich über ihn hatte, doch da war nichts. Er schien mir auf einmal so völlig fremd. Ich wurde langsamer. Ich wollte das nicht! Ich wollte nicht, dass seine Zuneigung nur gespielt war! Ich wollte, dass er mich mochte, dass er in jeder Minute ohne mich an mich denken musste. Genau so wie ich an ihn dachte. Der Gedanke, dass einfach alles von ihm nur Vorgespielt war festigte sich immer mehr in meinen Gedanken undmachte mich fertig.  Ich blieb stehen. Verzweifelt hielt ich mich am Geländer fest. Es wirkte auf einmal alles so tief und bodenlose und ich atmete schneller. Was war wenn alles eine Lüge war? Ich wurde in einen Bodenlosen Abrund stürzen und wahrscheinlich daran zugrunde gehen.

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