As the sun goes down

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Wir verbrachten noch den ganzen Nachmittag auf dem Eiffelturm. Luke hatte irgendwann aus seinem Rucksack, Kuchen, Obst und Gummibärchen gezaubert, sodass wir ein kleines Picknick veranstalteten und den Sonnenuntergang über der Stadt beobachteten. Es war wunderschön. Die Parkanlage,'Champ de Mars'wie Luke mir erklärte, wurde in ein schönes, warmes Licht getaucht und das grün der Bäume strahlte fantastisch, als würden sie von selbst leuchten. Die Sonne sank immer tiefer und färbte den Himmel zuerst rosa, dann Lila und zu letzt orange. Alle drei Farbabstufungen waren von der Sonne ausgehend zu sehen und verliefen sich dann in einem immer dunkler werdenden Blau. Ein paar Wolken unterbrachen dieses göttliche Schauspiel und machten es so nur noch perfekter. Ich war vollkommen überwältigt - ein weiteres Mal an diesem Tag - von diesem unbegreiflichen Naturschauspiel und konnte überhaupt nicht verstehen, wie andere Besucher ihre vollkommene Aufmerksamkeit nicht auf den Himmel, sondern auf die Straßen, Souvenirs, oder Handys lenken konnten. Wir standen wieder am Geländer. Luke hatte seine Arme von hinten um meine Hüfte gewickelt und sein Kinn auf meine Schulter gelegt. Der Wind wehte uns die Haare aus dem Gesicht. Wir sagten beide nichts und genossen den Anblick vor unseren Augen. Nur Luke unterbrach unser Nichts-Tun immer wieder mit sanften Küssen auf meinen Hals, unter oder hinter mein Ohr, oder auf mein Schlüsselbein, wobei er sich bei letzterem etwas verrenken musste, um es aus seiner Position zu erreichen. Ich wusste, dass in diesem Moment ein breites Strahlen in meinem Gesicht sein musste, denn ich fühlte, dass ganze Glück wie flüssiges Gold durch meine Adern schießen. Ich fühlte mich so gut, wie schon eine Weile nicht mehr und es fühlte sich auch alles so richtig an. Hier. Mit Ihm. Die Sonne sank immer tiefer und berührte bereits die ersten Häuser am Horizont. Luke hatte mittlerweile eine neue Beschäftigung gefunden, da er gerade an meinem Hals zu saugen begann. Ich war jedoch der Meinung, dass er jetzt die Sonne anzugucken hatte, was er gerade tat, konnte er auch nachher noch tun. Deshalb drückte ich mich ein Stückchen weg von ihm. Er murrte. "Sie nur, sie ist gleich weg!" Ich zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf den orangen Feuerball am Himmel. Das bekam zum Glück seine Aufmerksamkeit und so klebten seine, so wie meine Augen, an den letzten Sonnenstrahlen dieses Tages. Der feuchte Fleck an meinem Hals wurde vom Wind abgekühlt und mir lief ein Schauder über den Rücken, der mich kurz durchschüttelte. "Dir ist kalt Baby." stellte Luke fest, ohne den Blick von der Sonne zu nehmen. "Wir gehen gleich runter, wenn die Sonne weg ist." entschied er und drückte mich fester an sich. Die Sonne war nun nur noch als Sichelförmiger Halbkreis über einer Hochhäusergruppe zu erkennen und schien im Vergleich zu dem großen Himmel so winzig. Ganz im Gegenteil zu den Bildern, die ich immer im Kindergarten gemalt hatte. Dort hatte sie den größten Teil des Bildes eingenommen. Eine Riesen-Sonne hinter einer kleinen grauen Kirche, naja eigentlich war es nur ein längliches Häuslein mit Glockenturm und Kreuz auf dem Dach, manchmal hatte ich noch das Meer dazu gemalt, sodass die Kirche über dem Wasser schwebte, aber so hatte ich mir immer den perfekten Sonnenuntergang vorgestellt. Jetzt hatte ich eine neue Vorstellung davon. Diesen Gedanken hatte ich gerade zu Ende gedacht, als Luke mit einem langgezogenen "Uuuund jetzt!" das endgültige Verschwinden  der Sonne kommentierte. wir sahen ihr noch einen kurzen Augenblick hinterher, auf den noch immer farbigen Himmel, bis Honig nach meiner Hand griff und mich mit sanfter Dringlichkeit in Richtung Treppe zog. 

Diese war gerade Mal so breit, dass wir zwei nebeneinander Platz hatten. Ein kalter Windstoß fuhr mir in die Kleider und ließ mich den Reißverschluss, der Jacke höher ziehen, da kam mir eine Idee. "Wer als erster unten ist!" rief ich aus und sprang bereits die ersten fünf Metallstufen runter. "Hey, das war ein unfairer Start!" hörte ich die schönste Stimme der Welt hinter mir empört rufen. Ich kommentierte dies mit nichts als einem Lachen und kicherte in mich hinein, als ich schnelle kleine Schritte, die Stufen runter hinter rennend wahrnahm. Bei jeder Kurve hielt ich mich am Geländer fest und nutzte den Schwung aus, um schneller voran zu kommen. Meine Geschwindigkeit erhöhte sich immer mehr und ich verlor, die Kontrolle über meine Bewegungen, sodass ich stark strauchelte und gegen das Geländer knallte, als ich eine Kurve nicht schaffte. Der harte Schlag gegen meinen Bauch ließ mich erstickt ausatmen. In dem Moment rannte Luke an mir vorbei, hielt jedoch zehn Stufen weiter unten an und fragte: "Alles okay, Babe?" Seine Worte machten mich wieder ganz wuschig und holten ich zurück in die Realität. "Ja." brachte ich nur heraus, da drehte er sich um und rannte weiter und ich hinter her. Ich kam ihm immer näher und armte jetzt seine Jede-Stufe-einzeln-und-schnell-Technik nach, die ich mit der Zwei-Stufen-auf-einmal-Technik abwechselte. Mit dieser Technik fuhr ich ziemlich gut, war aber trotzdem langsamer als Luke, der sich einfach einen Vorsprung erarbeitet hatte. Gerade als er unten ankam und laut "Erster!" schrie, während er die Fäuste in die Luft streckte, kam ich um die letzte Ecke gerannt. Ich stolperte über meine eigenen Füße und wollte mich gerade wieder Fangen, als mein Fuß ins leere trat. Dort war die nächste Stufe und so flog ich den Kopf voran nach unten. Mit den Füßen konnte ich nicht vom Fall abfangen, weil mein Körperschwerpunkt schon meine Mitte überschritten hatte und ich kam den Metallstufen bedenklich schnell im freien Fall näher. Mein Kopf arbeitete, während ich die Stufen hinunter flog, in sekundenschnelle und überlegte, wie ich mich abfangen konnte. Das scharfe Gitter der Stufen machte es ziemlich schmerzhaft sich mit den Händen abzufangen. Ich konnte an nichts denken, als an den Schmerz, der durch das unkoordinierte aufkommen meiner Hände auf den Stufen verursacht werden würde. Gerade streckte ich meine Hände aus, als ich auch schon gegen etwas festes, warmes fiel. Meine Hände prallten mit voller Wucht dagegen und mein ganzer Körper war angespannt. Mein Atem ging übernatürlich schnell und das Adrenalin pulsierte in meinen Adern. "Nicht so schnell!" lachte er und heilt mich fest an seiner Brust. Langsam richtete ich mich auf und sah mich schwer atmend um. Er war etwa fünf Stufen wieder nach oben gerannt und ich war die selbe Anzahl hinunter geflogen. Ich sah auf, direkt in wunderschön strahlend blaue Augen. "Du hast mich gerettet." brachte ich atemlos hervor. "Danke, dass du mir eine Chance gegeben hast, meine ritterliche Kühnheit unter Beweis zu stellen. Nicht zu vergessen mein unglaubliches Geschick und meine unglaublich männliche Kraft." er reckte seine Nase empor und atmete stolz ein. Dann lächelte er mich an und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Ein verächtliches Schnauben ertönte an der unteren Region der Treppe und zerstörte unseren kleinen Moment. "Avez-vous des femmes putain Ficker un problème?!" fuhr Luke den Mann an und ihm klappte, die Kinnlade herunter. Er verstand augenscheinlich was Luke gesagt hatte und auch einige andere Passanten waren durch seinen Ausruf auf uns aufmerksam geworden. Mein Französisch war nicht besonders gut, doch eins seiner Worte verstand ich sehr wohl und ich schämte mich für seine Ausdrucksweise. "Comment avez- vous appelez -moi?" fragte der Mann nun erzürnt. Luke löste sich von mir hielt jedoch meine Hand fest umschlossen, sodass es fast weh tat, während er bedrohlich auf den Mann zuschritt. "Comment voulez-vous me demander ?" zischte er und die Aufmerksamkeit immer mehr Leuten lag auf uns. Sogar ein Wachmann vom Eingang, kam ein Stück Näher. Er schien eine Schlägerei zu wittern. Ich hatte Angst, dass die Situation eskalierte. "Pédé!" spuckte der Mann ihm ins Gesicht und zog dabei gehässig eine Augenbraue hoch. "Je ne suis pas pédéraste! Il est un an plus jeune que moi." sagte Luke und hob dabei grob unsere Hände hoch. Ich bekam Angst was passieren würde, da ich nicht vertsnad was er sagte. "Vous devez savoir sur les mots qu'ils utilisent plus."  zischte er noch ehe er sich an dem fremden Mann vorbei drängte. Ich presste meine Lippen fest aufeinander und schluckte meine Gefühle runter während ich mich hinter ihm her ziehen ließ. Dieses Gefühl von der ganzen welt gehasst zu werden, welches ich so gut verdrängt hatte stieg wieder in mir auf als uns der Mann hinterher schrie.

"Tapette! Cocksucker! Bâtard Slimy! Nique ta mère, peut-être que vous serez de retour!" bei seinem letzten Satz drückte er meine Hand noch fester und ich konnte sehen, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten, doch er hinderte sie am überquellen. Er drehte sich nicht nocheinmal um und würdigte dem Mann keines Blickes mehr, wir gingen nur schnurstracks davon.

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